Keine neue K&D Session. Dafür eine Suite für die Gegenwart, ein Reigen aus feinsten Synths und Melodien, als wäre Wien wirklich eine Weltstadt der Musik.
Ab wann wolltest du wieder ein Album machen?
»When Planets Explode« war ja weniger ein Album, sondern ist passiert. Ich hatte relativ früh wieder das romantische Bild, das im Nachhinein ein bisschen lächerlich ist, dass man sich da hinsetzt und überlegt, wie das Album anfängt, aufhört und das so schreibt.
Es wirkt, als hättest du dein ultimatives Statement setzen wollen. Ohne gutem Intro, ohne richtigen Aufbau oder einer bestimmten Stimmung, die du drin haben wolltest, wäre es nicht gegangen.
Ja, schon. Es hat sich an Alben orientiert, die als Gesamtwerk funktionieren.
Wie viele Alben kennst du, die so sind?
„Folk Songs For Trains, Trees And Honey“ von Savath & Savalas, das war das Album, an dem ich mich orientieren wollte, das zum Durchhören konzipiert ist. Ich kann nicht sagen, wann welcher Song kommt, es funktioniert im Gesamtfluss. Die Nummern sind nah beieinander, aber jede hat ihren eigenen Charakter. Mein Album hat fast filmischen Charakter, ich habe versucht, nicht viel andere Musik zu hören, dafür viele Filme geschaut.
Gibt es einen Film, der ähnlich funktioniert?
Hmm. Vielleicht Filme von Sofia Coppola. Ein Film wie „Lost In Translation“ hat nicht viele Ecken und Kanten und eine gewissen Schwermütigkeit.
Aber ist „Somewhere“ nicht einer der furchtbarsten Filme, die jemals gemacht wurden?
Den hab ich nicht gesehen. Den meine ich eh nicht.
Es gab sicher auch viele halbfertige Tracks?
Klar. Ich finde den Gedanken eines Outtakes-Albums immer noch reizvoll. Ich habe sicher noch vier Stunden fertiger Nummern, die nie rauskommen werden. Vielleicht mache ich einfach ein Zip-File und haue das irgendwann raus. Ich brauche diesen Friedhof, um das Beste raussuchen zu können.
Hat dein Label Ninja Tune irgendwann gesagt, wir brauchen einen Banger, oder war das vollkommen frei?
Mit Ninja zu arbeiten war super angenehm. Sie sind noch Indie. Ich hätte verstanden, wenn da Ansprüche gekommen wären – und ich hätte ihnen gesagt, dass ich zu den Nummern stehe – aber es hat für sie gepasst. Sie haben das als Gesamtwerk verstanden. Wir waren schnell auf demselben Blatt.
»Nest Nest« erfüllt eine sehr wichtige Funktion, da ganz in der Mitte, fast wie auf einem Konzeptalbum, aber es gibt zum Album keinen versteckten Bauplan?
Bei Machinedrum gab es diesen City-Gedanken, er bereist die einzelnen Orte und Bezirke, das war sehr klar. Ich bin ein großer Freund davon, wenn Leute ihre eigene Vorstellungskraft verwenden müssen. Ich habe schon als Jugendlicher jene Kunst geschätzt, die mir nichts aufzwängt und Dinge offen lässt. Ich mag Abstraktes und Surreales. Außerhalb von Rap-Texten habe ich nie auf Texte gehört und kann dir bei keiner einzigen Radiohead-Nummer sagen, was Thom Yorke singt. Ich hatte Angst davor, wie ein Preacher zu wirken, ohne dass es andererseits hohl wirken sollte. Es ist ein Konzeptalbum ohne Konzept.
Das Album kommt mir selbst für elektronische Verhältnisse relativ nah an Absoluter Musik vor, als wäre alles, was man zu sehr interpretieren könnte, rausgeräumt.
Ich wollte auf jeden Fall etwas Einfaches machen, etwas, das zugänglich ist, aber auch verstört und beunruhigt, wenn man genauer hinhört. Auch früher schon war das bei tanzbarer Musik mein Ziel, dass sich Leute bewegen, aber wenn sie daran denken, warum sie das tun, sich nicht auskennen, wo alles von einer intuitiven Reaktion lebt und der Sinn sich nicht leicht erfassen lässt. Vielleicht war das auch eine Gegenbewegung zu dem, von wo ich herkomme. Dynamik war mir wichtig, aber weg von ADD (Attention Deficit Syndrome), weg davon, dass laufend etwas Neues passieren muss, was ich früher oft aus einer Unruhe heraus verspürt hatte. Ich wollte etwas Simples machen und gleichzeitig bin ich daran gescheitert.
»Tried (Now Tired)« hat ja den Preis für den besten Fake-Fade Out der letzten Jahre verdient, der mitten im Track mal einfach abklingt. Wie ist das denn passiert?
Eigentlich hätte der gleich so anfangen sollen, es sollte der epische Abschluss sein, wo nach dem Fade Out plötzlich alle Ebenen da sind. Ein Freund, Zanshin, meinte, es wäre doch schön, wenn ich die einzelnen Elemente vorstelle. Ich kenne das aus meiner Kindheit im Pop, statt die Nummer zu beenden, kommt sie zum A-Teil zurück und faded aus. Daran wollte ich erinnern.
Ein Fade Out bedeutet ja, dass der Song unendlich so weitergehen kann. Aber hier … kommt einfach etwas anderes.
Das befriedigt mich am meisten. Wenn man etwas Gewöhnliches nimmt und sich damit spielt. Hier ist das ein Fade Out mit einem Drop.
Ich habe auch einige blöde Fragen mit. Eine wäre: Warum eigentlich so viele Melodien?
Das ist ein bisschen ein neuer Fetisch geworden. Ich war früher sehr Harmonie- und Akkord-bezogen. Als Keyboarder dachte ich, das sei, womit ich anfangen müsste. Durch die vielen, neuen monophonen Synthesizer (können nur eine Tonhöhe auf einmal spielen, Anm.) konnte ich keine mehrstimmigen Akkorde aufnehmen. Dadurch musste ich Melodie über Melodie aufnehmen, bis die letzte Ecke voll damit war.
Das erinnert mich an Barockmusik, wo sich Melodiefolgen schichten. Das gibt es sonst gerade nirgends.
Kontrapunkt, ja, das war auch so ein Gedanke, der mich fasziniert hat. Wenn sich zwei Linien gegeneinander bewegen. Das habe ich früher nie gemacht in meinem autodidakten Jazz-Zugang. Das wollte ich die letzten zwei Jahre erforschen, Melodielinien, die gemeinsam zu sich morphenden Akkorden werden. Mich haben Ohrwürmer sehr fasziniert. Wie kann man einen einfachen Hook wieder mit anderen Melodien so entfremden, dass er trotzdem heraussticht.
Mir kommt vor, du hast dich weniger mit Sounds beschäftigt, sondern dich wirklich auf Melodien konzentriert.
Ich wollte dass die Instrumente wie sie sind, Wurlitzer E-Piano, Roland SH 101 oder Glockenspiel, zu hören sind. In meiner Mikrokorg-Phase habe ich die Sounds schon sehr entfremden müssen, um sie für mich noch interessant zu machen. Es war gut, das nicht tun zu müssen und sich davon zu befreien.
Angenommen ein Orchester müsste dein Album aufführen, wie viele Musiker bräuchte es?
Schwer zu sagen. Es geht auch viel um Texturen, um versteckte Dinge, an denen ich noch einmal zwei Wochen gesessen bin, um sie ins Album rein zu tackern. Ohne die wären es … tendenziell … zwölf, dann die polyphonen Linien, mit zwei oder drei Klavieren.
Redest du gerne über Gadgets und Gear?
Ich bin da eher Laie. Mir sagen dann Leute, dass ich Wellenformen falsch benannt habe. Ich habe nie Bedienungsanleitungen gelesen und mich oft intuitiv mit Instrumenten auseinander gesetzt. Auch wenn ich an einer Fachhochschule Musikproduktion studiert habe, kenne ich die Terminologie nicht richtig. Ich kann auch keine Noten lesen.
Ich dachte immer du kannst das und hast das gelernt?
Das steht immer wieder mal falsch in Texten und ich war zu faul, um die Leute zu korrigieren. Ich hab als Kind Klavierunterricht gehabt, aber immer nur meiner Klavierlehrerin auf die Hände geschaut, mir das motorisch gemerkt und nach Gehör gearbeitet. Ich kann auf keinen Fall Blatt lesen.
Alles, was du da machst, hast du dir dann selbst beigebracht?
Eigentlich schon, ja.
Warum eigentlich nicht Warp oder Brainfeeder?
Ninja Tune waren am motiviertesten. Es braucht nicht nur den richtigen Namen, sondern auch Leute, die an das ganze Ding glauben und verstehen, wo du damit hinwillst. Nach zwei Monaten war ziemlich klar, dass es Ninja wird.