Affine Pt.1: Der Magnet

Affine Records ist die derzeit wuseligste Beat-Schmiede Wiens. Ihr hybrider Wonky-Frickel-House-Electro-Jazz-Mutant schreibt am Sound der Stadt mit und ist dabei noch ziemlich einzigartig. Grund genug für das vielleicht ausführlichste Interview aller Zeiten (auf The Gapsite). Labelbetreiber Jamal Hachem über den Magnet, das Business, den dahinter und die Substanz von Affine.

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Jamal Hachem ist ein überaus bedachter Gesprächspartner, er scheut Phrasen und wirkt fokussiert. Der Einstieg in das Gespräch geht flüssig von meiner Raunzerei über diverse Booking-Allüren internationaler Künstler in die Materie über. Einfach aus dem Blauen heraus wäre Jamal Hachem nämlich viel zu respektvoll um sich über andere Musiker oder die Musikindustrie zu beschweren.

Machst du eigentlich auch das Booking für Affine?

Ja, teilweise. Ich bin allerdings immer wieder erstaunt, dass auch in einer mittleren Booking-Ebene Verhaltensweisen und Allüren, die ich höchstens Prince zugestehe, aber kaum jemand anderem, stattfinden. Ich finde das fehl am Platz.

Wobei in Österreich sich Soap & Skin in Sachen Live-Allüren einen ziemlichen Namen gemacht hat.

Beim Popfest gab es da ja widersprüchliche Gerüchte. Aber manche davon sind schon lächerlich.

Wir kennen über das Waves Vienna (The Gap ist Mitveranstalter des Clubfestivals, Anm.) ja selbst schon einiges. Und: Booking-technisch hat sich jemand anders in Österreich auch schon den Namen gemacht schwierig zu sein: Dorian Concept.

Tatsächlich, erzähl mir davon.

(Lachen)

Was wird denn gesprochen?

Man sagt, dass er der vielleicht am schwersten zu erreichende Mensch Wiens ist. Wir selbst oder das Sound:frame haben etwa schon Erfahrungen gesammelt.

Er ist manchmal schwieriger zu erreichen. Aber das muss nicht mit Booking zu tun haben. Gerade was lokale Geschichten betrifft, bin ich nicht immer informiert, weil ihn Leute direkt kontaktieren. Er taucht einfach öfters bewusst und beabsichtigt ab um sein Ding konzentriert machen zu können. Einfach offline gehen, von allen Ablenkungen befreit sein, ohne Handy und Internet. Das ist natürlich Business-technisch auch für mich manchmal schwierig, aber ich kann das handeln. Es war noch nie so, dass deswegen etwas nicht geklappt hätte. So ist einfach auch sein Charakter, den ich respektiere wie er ist.

Macht er in solchen Situationen dann Musik?

In erster Linie ja.

Aber ich schreibe trotzdem, dass er depressive Schübe hat.

(Lachen)

Ganz im Gegenteil. Er ist einfach – wie kaum jemand, den ich kenne – konsequent und zieht das durch. Und da behandelt er auch alle gleich, egal welcher Name dahinter steht.

Heißt das, dass er trotzdem an Aufträgen feilt oder macht er irgendeine Musik?

Wenn er z.b eine Zusage für einen Remix gegeben hat, dann ist der zur Deadline da. Er ist da sehr diszipliniert, auch wenn im medialen Kontext dieses Verspielte Aus-Dem-Ärmel-Schütteln immer hervorgestrichen wird, ist er doch gleichzeitig auch ein Arbeitstier. Das kommt zwar im „Show-Business“ nicht so gut – es ist spektakulärer, wenn es da einen Wonderboy gibt …

… als der er oft gehandelt wird …

… eben, der einfach nur rumimprovisieren muss.

So wie in diesem frühen Youtube-Video.

Es ist natürlich viel – ich sag mal subjektiv – Genialität und Grund-Lockerheit dabei, aber es gibt natürlich auch jene Seite, die mit Arbeit verbunden ist.

Im Hip Hop wäre es ja nicht ungewöhnlich nächtelang im Studio zu sein und sich wirklich überall mit dem Laptop zu spielen.

Ja und nein. Was er gut beherrscht, ist Dinge leicht abschließen können, weglegen und sagen das passt; wo viele andere noch diesen Sound untersuchen müssen oder diese und jene Spur bearbeiten. Ich hab schon oft gehört, das wäre ein recht amerikanisches Handling, dass man das Selbstbewusstsein hat zu sagen das ist jetzt fertig so.

Ja, man hört eine Lockerheit, weil es eben nicht ganz so haarklein ausgemessen ist. Ich frag da deswegen so nach, weil … Was bedeutet Dorian Concept für das Label?

(Lacht. Pause.)

Dorian Concept ist der, der die meiste Aufmerksamkeit bekommt, aber auch was die Ausrichtung des Labels betrifft … ich möchte das richtige Wort verwenden, das auch nicht zu populistisch klingt … er definiert natürlich auch den Affine-Sound, in dem was er tut, er ist aber gleichzeitig recht vielseitig, obwohl man dennoch seine Handschrift schnell erkennt. Wir lachen auch immer über Wörter wie „Zugpferd“ – also „Zug“ und „Pferd“ … naja – ich sage jedenfalls sicher nicht: zieh mal das ganze Label. Das wäre den anderen Künstlern gegenüber nicht fair und liegt mir auch sehr fern. Wenn die Wahrnehmung so ist, freut das in einer gewissen Weise, aber das ins Label hinein zu tragen, würde ich für einen großen Fehler halten, weil auch die anderen genau dasselbe Potenzial haben.

Der Magnet?

Hm, Magnet gefällt mir aber gut, weil man dafür nichts machen muss. Eine gewisse Zeit lang war Improvisation und Live-Spielen im Club nicht so präsent. Wenn dann jemand seine Instrumente so beherrscht, wenn es mehr Interaktionen gibt, dann beeindruckt das.

Diese Qualität haben ja eigentlich viele Affine-Artists, live gut zu sein, ausgebildet zu sein.

Das ist eben eine Qualität, dass jeder im Affine-Spektrum live spielen kann und zumindest ein Instrument beherrscht.

Aber was macht Oliver (Dorian Concept, Anm.) anders als die anderen? Ist es der internationale Background? Hat er Glück gehabt?

Die Basis ist die Skills geschärft zu haben; also auch Jahre davor als es den Artist Dorian Concept noch gar nicht gab. Aber es ist ja nicht so das die anderen Affine Artists keine Aufmerksamkeit hätten. Ogris Debris haben eine starke Fanbase und feiern Erfolge ausserhalb der Landesgrenzen, The Clonious hat mit seinem Debütalbum auf Ubiquity 2009 und der Zusammenarbeit mit dem Detroiter Vokalisten Paul Randolph von Innerzone Orchestra und Jazzanova beachtliche Aufmerksamkeit erhalten und Cid Rim ist auch schon mehr als ein Insider Begriff. Oliver kenne ich jedenfalls seit 2002 oder 2003, damals haben wir sein erstes Stück Musik 2004 auf einer EP eines Projekts namens Vitamine Source herausgebracht. Das war noch mehr an Cinematic Orchestra und Squarepusher angelehnt und in der Zeit, als er die Matura gemacht hat. Die Basis war schon geschaffen. Für den Erfolg gibt es aber die Formel nicht; … und Glück ist sicher auch ein Faktor, den man nicht verleugnen darf.

Ich denke auch an die Red Bull Music Academy?

Eigentlich nicht. Bei der Academy 2008 in Barcelona gab es schon Affine, einen Digital-Release auf dem Label von Domu und Airplay von Gilles Peterson. Die Academy war bei ihm nicht dieses absolut öffnende Element, obwohl sie natürlich viel genützt hat.

In unseren Social Media Charts gab es in den letzten fünf Jahren im elektronischen Bereich bis auf Drum’n’Bass nur Dorian Concept. Dann Clara Moto und irgendwann Ogris Debris und Elektro Guzzi. Inwieweit stützt Dorian auch finanziell das Label?

Du meinst, ob es eine Risikoverteilung gibt?

Ich kann mir die Antwort vorstellen, aber ja.

Wenn ich das negieren würde, würde ich lügen. Ich bin aber auch bereit das aller-weirdeste Stück von Oliver rauszubringen. Natürlich ist es mir aber nicht egal, ob das nur zehn Leute hören. Diese Art Risikoverteilung wird bei Affine ins Stilistische übersetzt um da möglichst viele Menschen dafür zu interessieren; weil es eben breiter aufgestellt und nicht nur ein reines House- oder Dubstep-Label ist. Ich würde das Risiko eher durch Interesse ersetzen und dort findet dann die Verteilung statt.

Affine-Interview, Pt.2: Das Business

Affine-Interview, Pt.3: Der Dahinter

Affine-Interview, Pt.4: Die Familie

Fotos links: Cover-Artwork Affine Label-Compilation "What A Fine Mess We Made", JSBL, Zanshin, Dorian Concept, Cid Rim, The Clonious, Ogris Debris, Jamal Hachem

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