»Bury The Moon«, das dritte Album des isländischen Musikers Àsgeir, ist eine perfekte Synthese aus dem Folk seines Debüts »In The Silence« und der Electronica des Nachfolgealbums »Afterglow«. Es ist gleichzeitig auf Englisch und auf Isländisch (»Sátt«) veröffentlicht worden. Im Interview erzählt der Künstler über dessen Entstehungsprozess, über das Loslassen, über Neuanfänge, erste Male, stürmische Videodrehs und Gespenster.
Gerade als ich die erste Frage stellen will, legt Ásgeir noch schnell etwas Kautabak in die Wange.
Das weckt Highschool-Erinnerungen bei mir.
Ásgeir: Ja, ich habe den früher auch viel verwendet, aber diesen hier benutze ich eigentlich, weil ich versuche aufzuhören. Er enthält viel weniger Nikotin.
Und ist anscheinend auch nicht dieses schwarze Zeug, das komisch aussah, wenn es zwischen den Zähnen hängen blieb.
Ja. Und auch ohne das Gift drin, dieses Rattengift-Zeug. (lacht)
Das Ende der »Afterglow«-Tour scheint noch gar nicht so lange her zu sein. Hattest du überhaupt Zeit, dich zu entspannen, bevor du mit der Arbeit an »Bury The Moon« begonnen hast?
Ich war eine Woche Skifahren, übrigens in Österreich. Ich habe zwar die Welt bereist, aber das war tatsächlich mein erster Urlaub überhaupt außerhalb Islands. Das war toll, aber ich wollte schnellstens mit dem nächsten Album beginnen. Ich hatte einige Ideen, die ich sofort umsetzen wollte, weil in meinem Leben einiges vor sich ging.
Stimmt es, dass du dich wieder aus der Welt zurückgezogen hast, um das Album zu komponieren?
Es stimmt. Ich begab mich in ein schönes Sommerhaus in der Nähe von Reykjavik, das mir Freunde für ein paar Wochen zur Verfügung stellten. Ich war dort ganz allein, hatte aber ab und zu Besuch. Mein Produzent kam fürsorglich mit Essen vorbei, damit ich nicht verhungere … (lacht) Aber auch mein Vater, der sowieso gerne durch die Landschaft fährt.
Ich frage deshalb, weil dem Ergebnis diese Isolation kaum anzumerken ist. Es wirkt eher organisch, mit einem gewissen Live-Gefühl, als ob eine Band zusammen spielt.
Das ist sehr schön zu hören. Ich wollte nämlich, dass es sich anfühlt wie ein festgehaltener Moment, in dem Menschen gemeinsam musizieren. Dennoch muss ich gestehen, dass in Wirklichkeit die meiste Zeit nur ich es war, der die verschiedenen Instrumente einspielte. Ich war diesmal aber weniger bedacht etwas »Perfektes« zu schaffen. Ich habe die Lieder im Grunde so belassen, wie ich sie aufgenommen habe, ohne mich dann in den Details zu verlieren.
Und nach dem Sommerhaus ging es sofort ins Studio?
Nicht ganz. Nach meiner Rückkehr nach Reykjavik begann ich zuerst mit meinem Vater und Julius, meinem Gitarristen, an den isländischen Texten zu arbeiten. Ich wollte dieses Mal nämlich, dass die Lieder in meinem Kopf so weit wie möglich fertig sind, bevor ich mich ins Studio begebe, damit wir sie in zwei Monaten und nicht in zwei Jahren aufnehmen können. (anders als bei »Afterglow«; Anm. d. Red.) Die Übersetzungen ins Englische haben wir dann im Studio vorgenommen. John Grant, der ja in Island lebt, hat dabei auch diesmal geholfen. Ich habe ihn mehrmals besucht, wir tranken viel Kaffee und verfeinerten dabei die englischen Texte.
Bei den Texten bist du generell stärker involviert, als bei deinen früheren Alben. Sind sie inzwischen noch wichtiger für dich geworden?
Früher wollte ich mich mehr durch die Musik ausdrücken und ich konnte ja die schönen Gedichte meines Vaters verwenden. Ich glaube, ich bin einfach älter geworden und habe einiges erlebt, worüber ich erzählen kann. Deshalb habe ich auch die Übersetzungen zuerst selbst gemacht und erst danach mit John einige Änderungen vorgenommen.
Inspiriert deine Musik deinen Vater genauso wie seine Poesie dich? Ich meine, schreibt er Texte eigens zu deiner Musik?
Ja, absolut. In der Regel schreibe ich zuerst die Musik und er schreibt den Text dazu. Er möchte das Lied im Voraus haben, damit es ihn inspirieren kann, denn die Melodie kann so viel darüber verraten, wie der Text sein sollte.
Nächste Seite: Ásgeir über Geistergeschichten, schlimme Videodrehs und ABBA-Vergleiche