»Bury The Moon«, das dritte Album des isländischen Musikers Àsgeir, ist eine perfekte Synthese aus dem Folk seines Debüts »In The Silence« und der Electronica des Nachfolgealbums »Afterglow«. Es ist gleichzeitig auf Englisch und auf Isländisch (»Sátt«) veröffentlicht worden. Im Interview erzählt der Künstler über dessen Entstehungsprozess, über das Loslassen, über Neuanfänge, erste Male, stürmische Videodrehs und Gespenster.
Du hast ein Projekt mit dem Titel »Is Anyone Listening?« gestartet, als Hommage an die isländische Kultur. Im Rahmen dessen hast du als Erstes ein Live-Video zu »Bury The Moon« in Höfði, einem historischen Gebäude in Reykjavik, gefilmt.
Ja, wir wollten einige Live-Aufnahmen für dieses Album machen, aber auch den Videos eine zusätzliche Bedeutung geben. Es gibt so viele alte, verlassene Bauernhöfe und Häuser in Island. Wir suchten erst nach Ruinen, um dort einige Aufnahmen zu machen. Aber dann war da der Gedanke: Was wenn wir den Geistern dieser Häuser etwas aufführen? Ich glaube nicht unbedingt an all das, aber es klang nach einer aufregenden Idee, die auch mit all diesen isländischen Volksmärchen von Elfen und Gespenstern zu tun hat. Somit hat es einen gewissen Bezug zur isländischen Kultur selbst.
Das Gebäude hat ja eine historische Bedeutung.
Ja, wir dachten sofort an dieses Haus, da jeder weiß, dass es hier sehr gespenstisch ist. Es gibt viele Geistergeschichten über den Ort, und er ist auch innen sehr schön.
Heißt das, dass es nicht – zumindest teilweise – wegen des Treffens zwischen Reagan und Gorbatschow, das dort 1986 stattfand und das Ende des Kalten Krieges einläutete, ausgewählt wurde?
Nein, damit hatte es nichts zu tun. Es waren die alten Geschichten über dieses Haus: Viele Leute, die dort wohnten, einer von ihnen ein berühmter Schriftsteller, mussten zum Beispiel ausziehen, weil sie Angst vor den seltsamen Geräuschen hatten. Wir haben auch Videos in zwei Kirchen gefilmt, eine davon ist die älteste Islands, die wirklich toll aussieht. Die werden auch bald veröffentlicht.
Die neuen offiziellen Videos sind ebenfalls sehr stark mit Island verbunden.
Ja, so ist es. Das Video zu »Lazy Giants« wurde von einem Video von Kurt Vile und Courtney Barnett inspiriert, das ich sehr liebe. Sie drehten es in einem schönen fotografischen Rahmen an verschiedenen Orten. Wir haben es etwas erweitert und beginnen auf dem Land und bewegen uns mehr und mehr in die Stadt.
Filmst du eigentlich gerne Videos, denn manchmal scheint das nicht ganz der Fall zu sein?
(lacht) Nun, im Video zu »Pictures« sollte ich ja nicht sehr glücklich aussehen, denn ich spiele eine Art Gefangenen. Aber der Dreh war tatsächlich nicht so angenehm. Die Wettervorhersage versprach einen wunderbaren Drehtag, aber dann war es der schlimmste Tag, den wir in diesem Winter hatten – oder sogar der schlimmste Tag überhaupt. (lacht) Die meiste Zeit blieben wir einfach im Auto und warteten, bis der Schneesturm sich beruhigt hatte, dann rannten wir nach draußen und filmten ein bisschen weiter.
Das Lied »Bury The Moon« klingt etwas desillusioniert und in »Overlayed« wiederholst du unentwegt die selbstermutigende Zeile »draw a new breath«. Du hast erwähnt, einige schwierige Erfahrungen gemacht zu haben. Ohne unbedingt über Persönliches sprechen zu müssen: Wie würdest du selbst die Stimmung des Albums beschreiben?
Ich hatte das Gefühl, dass ich mich in vielen Dingen oft an die Vergangenheit klammere. Ich fand dann aber, dass ich diese einfach akzeptieren muss, um Platz für das Neue zu schaffen. Der isländische Titel »Sátt« drückt für mich genau das aus: Die Vergangenheit zu akzeptieren, sich mit der Gegenwart zu begnügen und sich vorwärts zu bewegen.
Der englische Albumtitel ist anders.
Ja, ich fand dafür keinen guten Ausdruck auf Englisch, bis das letzte Lied »Bury The Moon« geschrieben wurde. Dieser Titel klang einerseits cool, andererseits fand ich, dass er die Bedeutung hinter dem isländischen Titel widerspiegelt.
Das Lied »Eventide« scheint von bitterer Verlust- und Trauerarbeit zu handeln.
Nun, der Text dieses Liedes handelt von einem Familienmitglied, das vor einigen Jahren sehr jung verstorben ist. In unserer Jugend haben wir viel gemeinsam gespielt, auch wenn wir danach weniger Kontakt hatten. Es bedeutete mir sehr viel, ihr ein Lied zu widmen, denn ihr Tod war ein Schock.
In einer gerechten Welt wäre »Until Daybreak« ein bombastischer Radiohit. Ein Ásgeir-Lied, das sogar nahe an die euphorische Melancholie von ABBA herankommt, sodass man nicht einmal vom Kinderchor am Ende des Stücks überrascht ist.
Der ABBA-Vergleich ist lustig, weil das Lied tatsächlich mit schwedischen Musikern aufgenommen wurde … Übrigens, auch ein erstes Mal, da ich für diesen Song mit anderen Produzenten zusammengearbeitet habe.
Das ist auch ein Lied, bei dem du für den Text ganz allein verantwortlich bist.
Das hat aber einen anderen Grund. Ich bin nach Schweden gereist, ohne Text, nur mit der Hauptmelodie in meinem Kopf. Ich sagte den Produzenten, dass ich die Lyrics später zu Hause zu Ende schreibe, aber sie meinten, dass wir das Lied hier und jetzt fertigstellen müssten, wegen der kurzen gemeinsamen Zeit im Studio. Also musste ich es vor Ort tun, und das war natürlich ganz anders, als wenn ich mit meinem Vater schreibe – und auch weniger tiefgründig. (lacht) Wenn ich alleine dichte, schreibe ich üblicherweise über das Erste, was mir in den Sinn kommt. und weißt du, normalerweise ist es immer die Liebe.
»Bury The Moon« von Ásgeir ist bei One Little Indian Records erschienen.