Zwischen Ottakringer Straße und Yppenplatz hält sich tapfer ein Lokal, das weder zur einen noch zur anderen Adresse richtig passen will und sich doch immer wieder einmischt: Das Au feiert heuer seinen fünften Geburtstag. Begründer Michael Podgorac und sein Kollege Jan Bruckschwaiger erzählen The Gap von Schutt und Schweiß, Burnout und Behörden, Freunden und Faschos.
Wenn wir jetzt zum Programmatischen kommen: Ihr habt heuer das female:pressure ausgetragen, setzt als Vision auf geschlechtlich ausgewogene Line-Ups. Wie sieht der Antisexismus hier noch aus? Das ist jetzt mein dritter Besuch, und ich habe vor allem Männer gesehen.
Jan: Echt?
Kellner: Also bei der Bedienung steht es 4:2, Frauen zu Männern.
Jan: Ja, er ist einer von zweien, deshalb meine Verwunderung.
Michael: Eigentlich haben wir mehr Frauen als Männer allgemein, überall. Es herrscht gerade Sommerloch, wir haben wenig Programm, deshalb ist wenig los. Im August hat es auch wenig Sinn, ein volles Programm zu machen. Unter dem Jahr ist so ziemlich jeden Tag was los. Und das ist auch ziemlich selten, ohne Förderungen, ohne Sponsoren.
Apropos Sponsoren: Mit dem Brunnenviertel sind wir ja hier in einem Grätzl, wo sehr viel soziale Verdrängung stattfindet. Einerseits erlebt man eine Aufhübschung, Aufwertung des Viertels, andererseits steigen Mieten und Kaufpreise für Wohnungen. Wie könnt ihr da zu einem sozialen Miteinander in eurer Nachbarschaft beitragen?
Jan: Ganz salopp gesagt: Wir können am Boden bleiben, sozial erschwinglich bleiben, müssen den Preisanstieg nicht mitmachen. Wir sind auch ein Stück weit abseits. Trotzdem können wir uns gut einmischen, wenn zum Beispiel die Parkbank plötzlich weg ist. Es gab bis vor ein paar Monaten auch diesen berühmten Künstlertisch, der ist jetzt weg.
Gleichzeitig beobachte ich bei dem einen Lokal, Café am Yppenplatz heißt es glaube ich, oder dieses FRIDA, dass der Yppenplatz am Wochenende groß mit Tanzmusik beschallt wird. Seitdem gibt es hier eigentlich keine Bettelmusikanten mehr. Das sind alles soziale Veränderungen, von denen wir geographisch auch so ein bisschen eine Distanzposition haben.
Michael: Wir sind in diesem Sinne Outsider. Wir kooperieren mit der Nachbarschaft, das sind quasi Leute, die auf der selben Frequenz schwingen. Wir kooperieren auch mit der Grundsteingasse, früher war das mo.ë da, mit denen haben wir ständig gemeinsame Projekte umgesetzt …
Jan: … oft war wir viel drüben am frühen Abend, dann da bei uns.
Michael: Mittlerweile sind die leider zu. So gesehen gibt es in dieser Größe leider nicht viel in diese Richtung. Das finde ich schade. Deshalb unterstützen wir jede Initiative, die da in die Richtung kommt.
Jan: Zuletzt vergangenen Sommer, bei Kulturraum als Gemeingut, wo es um Kulturinitiativen von unten ging.
Michael: Da kamen 14-16 Leute aus diesem Bereich zusammen, von alternativen Clubs, Lokalen, Vereinen, Ateliers, vom Amerlinghaus, der Arena, dem Fluc, aus der Grundsteingasse, von der Galerie Blumentopf, Gemeindebautöne, eben, ur viele gute erfahrene Leute. Wir haben eine große Diskussion veranstaltet, in der wir uns über unsere Probleme ausgetauscht haben, etwa, was Gesetze oder steigende Mieten angeht. Davor hatte das mo.ë den gerichtlichen Bescheid bekommen, dass es weg muss. Mit der Veranstaltung wollten wir zumindest die Idee solcher Räume retten. Ich denke, das sollte man wieder machen. Das war eine gute Veranstaltung, leider zu kurz und mit zu vielen Leuten, die eh alle was gescheites zu sagen haben.
Jan: Das war aber bei female:pressure genau das gleiche. Da hat die Diskussion glaube ich drei Stunden gedauert.
Wie nehmen die Anrainer euer Angebot an?
Michael: Wir schauen, dass es uns allen gut geht und dass wir, wie gesagt, mit den Nachbarn gute Beziehungen haben. Das wenigste, was wir machen können, ist, diesen Raum zur Verfügung zu stellen, quasi öffentlich. Wir haben zum Beispiel eine Förderung vom Magistrat – jetzt frag‘ mich nicht, welche Abteilung – bekommen, 2000 Euro, und die haben wir in Pflanzen investiert. Mit fünf oder zehn Leuten haben wir dann in zwei Monaten unbezahlter Arbeit hinten im Hof ein Urban-Gardening-Projekt hochgezogen, das auch offen für alle Nachbarn ist. Da merkt man, jetzt plötzlich spielen Kinder dort und der Hof lebt.
Kommen wir zum Publikum. Hier hängen die Jugo-Gastarbeiter genauso wie Hipster und Pensionisten ab. Wer ist bei euch willkommen und wer eigentlich nicht?
Jan: Ich glaube, das wäre genau die Frage: Sind wirklich alle willkommen, auch die, die mit dem Au ein Problem haben?
Michael: Wir haben eine Tafel da hängen, wo klar drauf steht, wer nicht willkommen ist: Sexistische, rassistische, faschistische –
Jan: Es steht sogar im Monatsprogramm.
Michael: Ja, genau: „We, the people of Au, will“, oder, wie am Taferl, „do not tolerate racism, sexism, homophobia or any other type of violence.“ Also, gewalttätige Leute im Allgemeinen.
Jan: Diskriminierung ist bei uns eben nicht okay. Es sollen sich alle wohl fühlen.
Michael: Was mich generell an Wien fasziniert, ist diese multikulturelle, subkulturelle Szene. Oder multikulti-subkulturelle Szene. Und ich glaube, das lebt wirklich im Au, da ist ein riesiger Mischmasch vom Publikum her, wirklich von 7-77 Jahren. Und auch die Hautfarbe oder Gender, Nationen, es ist wirklich alles gemischt. Es ist wirklich schön, niemand fühlt sich da diskriminiert.
Es ist auch interessant, dass durch die vielen verschiedenen Veranstaltungen jeden Abend neue Leute da sind und die machen gleich ein neues Ambiente. Das macht es für uns, die jeden Tag aufs Neue da sind und arbeiten, von neuem spannend.
Was ich spannend finde, und was wir nur kurz angesprochen haben, ist der Name eures Lokals. Was bedeutet Au und wie kam es ausgerechnet zu diesem Namen?
Michael: Ganz am Anfang waren mehrere Vereine dabei. Wir hatten einen E-Mail-Verteiler, wo alle Vereine drin waren, mit denen wir zusammen Veranstaltungen gemacht haben. Ich schrieb gerade ein Konzept für diesen künftigen Raum und hab im Verteiler einfach die Frage gestellt, wie wir den Verein, den künftigen Raum nennen wollen. Wir haben dann über zwanzig Vorschläge bekommen, ein Voting gemacht – und siebzig, achtzig Prozent haben für Au gestimmt. Und eigentlich wusste niemand, wofür das steht.
Jan: Soweit ich weiß, gibt es nicht einmal Einigkeit über die Ausspache. Manche sagen A-U, Manche Au!
Michael: Genauso mit dem Artikel: Ist es das Au, die Au, der Au, in der Au?
Jan: Wobei, die Au gibt’s ja schon im Augarten.
Michael: Ja, aber die sind erst ein oder zwei Jahre nach uns aufgetaucht. Aber es ist sehr gut, sehr speziell diese zwei Vokale. Im Deutschen gibt es nur zwei Nomen, die sich aus zwei Vokalen zusammensetzen. Das sind die Au und das Ei. Sonst keins.
Jan: „Ei“ hätte ich aber auch schön gefunden. (Alle lachen.)
Michael: Ja, das fanden wir eben sehr lustig, dass es so kurze Wörter gibt, mit nur zwei Vokalen. Und damit kann man dann natürlich auch spielen: ManifestAU, ProgrammAU, keine Ahnung.
Jan: Beim Programm hab ich nur AU-gust geschrieben. Und heute habe ich AUsstellung ins Programm geklopft.
Michael: Was ich am meisten mag, ist die Vermutung, dass es um diesen Ausruf, das Au, das Autsch geht, wie aus Comics. Wie heißt das auf Deutsch? Onomatopoesie?
Ja, oder Lautmalerei.
Jan: Ich weiß, dass ich, wenn ich mal genervt bin, dazu tendiere, schon mal AUweh zu sagen.
Michael: Oder Austrian Underground. Alles umsonst. (Alle lachen.) Alternative Utilities.
Jan: Das ist der große Vorteil: Du kannst dir deinen eigenen Sinn suchen.
Michael: Das finde ich sympathisch, dass sich jeder da was heraussuchen kann.
Alles außer Austrijske Ustaše.
Michael (Schmunzelt.): Genau.
Abschlussfrage: Wo steht das Au in fünf Jahren?
Jan: Hier. Wobei, wir schauen selten in die Glaskugel.
Michael: Ich hab immer gesagt, wir schieben das so lang, wie es geht. Und wenn nicht mehr, mein Gott. Das ist das Schicksal vieler solcher Locations, dass die so zwischen fünf und acht Jahren leben und dann eingehen. Entweder aus finanziellen Gründen oder wegen den Nachbarn und der Polizei. Aber schauen wir mal. Ich mag eigentlich keine großen Prognosen, es ist schöner, wenn man im Moment lebt. Weniger Sorge, weniger Pläne, mehr Freude.
Ende September feiert das AU fünf Tage lang seinen fünften Geburtstag. Los geht es am 19. September mit einer Vernissage der „AUsstellung“, welche sich der Geschichte der Location widmet. Am 20. findet ab 21 Uhr ein Screening mit Bioskop statt, am 21. gibt es ab 22 Uhr ein Konzert mit Die Tunnel aus Berlin und Samt aus Wien. Am 22. spielen Rosi Spezial live, danach kommen DJs. Am Samstag, den 23. September, gibt es wieder Live-Gigs (diesmal mit Bocksrucker und HOPE X) und eine DJ-Line. Eintritt ist immer frei. Das AU ist in der Brunnengasse 76 in Wien zu finden, unweit der U6 -Station Josefstädter Straße.