Von der Bloggernische ins Fernsehen, vom Bootcamp in die Charts. OFWGKTA sind nicht aufzuhalten und justieren nebenbei munter unser Popverständnis.
In seinem Beitrag zum n+1 Essayband “What Was The Hipster?” versucht der afroamerikanische Blogger Patrice Evans eine Geschichte des “So Called Hipster Rap” nachzuzeichnen. Er geht von den 80ern aus als Acts wie Dana Dane, Will Smith oder Biz Markie begannen ihre Raptexte als Geschichten mit Metalyrics zu unterwandern und ein frühes Konzept distanzierter Ironie zu entwickeln, das Hip Hop zwar schon immer irgendwie inhärent war, jedoch erst durch ihre gezielten Angriffe auf die etablierten Methodik zu einer Weiterentwicklung führte.
Preppiness
Dadurch waren sie immer schon eine Spur weiter als ihre vermeintlichen Ghetto-Kollegen und konnten sich einiges erlauben, unter anderem auch im Mainstream mitzuschwimmen. Will Smiths “Prince of Bel Air” lässt sich wunderbar als Parabel des “Sophisticated Bourgeoise Niggers”, den Jay Z 2001 auch auf seinem Album “Welcome 2 Detroit” heraufbeschwört, lesen. Im Spannungsfeld zwischen Preppiness und Street Credibility entwickelt sich ein Diskurs, der die Mittelklasse mit neonfarbenen Ghetto Chic aus den frühen Neunzigern übermalt. Damals war es noch nötig, sich bewusst ironisch zu positionieren und sich am Establishment abzuarbeiten, um ein dissidentes Kalkül zu wahren und die langsame Unterwanderung des Mainstream vorzubereiten, ist Ironie heute ein fast allgegenwärtiger Zustand geworden.
Ironieloop
„Post-Ironie“ meint allerdings keine Epoche nach einer Phase der Ironie, sondern überführt eher ein postmodernes Konzept in die Ironie selbst; Post-Ironie funktioniert also ähnlich einer Impfung, die ja auch das System mit gering dosierten Krankheitserregern eher abhärtet als schützt. Wenn Tyler dann in seinem Video zur Single “Yonkers” eine Küchenschabe verspeist und hinterher kotzt, ist das quasi seine Impfung mit der Post-Ironie.
Kaum ein Interview in dem Tyler nicht erwähnt, dass er wieder Stress mit der Mutter hatte, in seinen Lyrics thematisiert er, wie es ist ohne Vater aufzuwachsen. Doch wird nicht etwa, wie noch 1995 in Larry Clarks Jugendfilmklassiker „Kids“ eine dunkle Generation X-Mystik heraufbeschworen, sondern eher an einem eigenen Konzept von Randständigkeit gewoben, womit gar nicht erst behauptet werden muss wirklich abgefuckt zu sein, sondern eh schon jedem klar ist, dass sich Dinge wie Dosenbier und Drogen perfekt als Fashion Utensilien nutzen lassen und Distinktion schon lange einem Konsens unter Führung des Vice Magazine gewichen ist.
Odd Futures Sound definiert sich dann auch über zerhackte und verschrobene Beats, genauso wie es Vorreiter des Hipster Rap wie The Cool Kids oder Lupe Fiasco vorgemacht hatten. Mit den abgebremsten Chopped and Screwed Parts fügen sie sich auch grazil in den Zeitgeist ein. Für Tyler erklärt sich das Ganze natürlich wiederum ganz einfach: er könne mit keinem Sampler umgehen, das sei ihm zu anstrengend, also bosselt er seine Beats und Sounds lieber in diverser Software zusammen. Da kommen dann eckige Beats raus, die sich jedoch perfekt mit seiner Trademark Bass-Stimme vertragen.
Businesspunks
Tyler, The Creator stellt seinen Output frei zur Verfügung und schert sich einen Dreck darum was damit passiert. Falsch. Durch eine eigene Mikro-Infrastruktur, die zwar nicht Geld, aber Aufmerksamkeit generiert, kann er getrost auf das verzichten, was von den Resten der siechenden Industrie als Erfolg vorgegaukelt wird. Doch dieses komplette Sperren gegen jede Idee von Corporate Musikindustrie, ist nur möglich, wenn eine gewisse Grundsicherung da ist, sprich Mittelklasse. Blipster nennt Evans seinen Entwurf eines schwarzen Hipsters. “No I’m not no fucking Hipster” rappt Tyler auf seinem vorigen Album „Bastard“ und schreibt sich mit dieser Verneinung genau ins das Konzept ein.
„Goblin“ von Tyler, The Creator erscheint am 6. Mai auf XL Recordings.