Der Hexer flickert seit gestern zum dritten Mal über die Bildschirme. Wir waren am Release dabei und konnten unseren Augen nicht trauen. Über rollende Köpfe und blanke Pixel-Ärsche.
"Witcher 3: Wild Hunt" ist brutal und sexistisch. Oder zumindest bedecken hier oft nur knappe Höschen die intimsten Attribute der Damen. Man fristet sein Dasein damit, Frauen hinterher zu laufen und Unschuldige in Scheiben zu schnetzeln. Nicht umsonst erscheint das Spiel in vielen Ländern zensiert. Es gibt aber auch starke Frauenfiguren. In Sachen Komplexität, Brutalität und Nacktheit hat das Spiel definitiv von Game Of Thrones gelernt bzw. sich eine Scheiben abgeschnitten.
Die Grafik sieht nicht so aus wie sie in Trailern und Screenshots angepriesen wurde. Zurecht flameten Tausende auf Reddit. Was denken sich eigentlich die Entwickler, ein so unfertiges Spiel zu releasen. "Witcher 2" wurde damals noch für die Fans gemacht. Jetzt scheint es nur mehr ums Geld zu gehen, nur ein weiterer Triple A Titel, in dem PR vor Community Management gestellt wird. Aber schnell stellt sich heraus, dass das Jammern auf hohem Niveau war. Die Grafik ist ja schon irgendwie geil.
Jetzt mal im Ernst
"Witcher 3" ist überhaupt fantastisch geworden. Es ist das beste Open World RPG seit "Gothic 3". Es ist eines der besten Spiele überhaupt. Gamespot krönte es – als erstes PC Spiel überhaupt – mit einer 10/10 Wertung. Und mal ganz ehrlich, ein bisschen Pixelblut und ein paar rollende Köpfe haben noch niemand geschadet – oder zumindest sind die letzten Diskussionen über den schlechten Einfluss von gewaltverherrlichenden Spielen auf die Jugend wieder ein paar Jahre her. Gleich nach dem ersten Ausritt ins nahgelegene Dorf kann man sich in die Hauptfigur Geralt hineinversetzten, die unverwechselbare Witcher Musik ertönt, die weiße Mähne weht im Wind, "episch" wird in großen Letter und auf englisch geschrieben: EPIC.
In Witcher schreibst du deine Geschichte selbst, Entscheidungen wirken sich oft erst Stunden später auf das Spielerlebnis aus. Jeder NPC hat seine eigene Agenda, verhält sich menschlicher als all die unmotivierten Menschenparkmenschen in Assassin’s Creed. Alle Nebenquests sind vertont und haben einen eigenen Handlungsstrang. Viele andere Spiele laufen dabei komplett linear ab, man wird von einem Gebiet ins nächste geführt, levelt sich hoch, spielt Gegenden frei. Die Events sind "instanziert" und also vorhersehbar. Hier bei Witcher ist das nicht so. Die Übergänge der einzelnen Gebiete verlaufen nahtlos und ohne Ladebalken. Man wird nicht durch sinnloses Grinden oder die Aussicht auf neue Items bei Laune gehalten, man möchte wissen wie es weiter geht. Es geht tasächlich um so etwas Angestaubtes wie Storytelling, old-skool!
Das Kampfsystem fühlt sich deutlich besser als im Vorgänger an, auch unanvisierte Gegner können jetzt attackiert werden. Außerdem hat der Hexer endlich springen und schwimmen gelernt. Insgesamt wirkt das Spiel viel reifer als seine Vorgänger.
Witcher 3 Downgrade?
Ok, das Spiel sieht wirklich etwas anders aus als im E3 Trailer von 2013. Aber Leute regten sich dabei über einen Riss in einer Wand auf. Really? Unter Umständen ist man seit dem Colonial Marines Beschiss ein wenig übersensibel. Es stimmt, im Trailer sieht die Grafik etwas besser aus, es ist nicht ganz klar warum das so ist. Das Spiel erscheint ja auch für Playstation und Xbox. Vielleicht wollte man Sony und Microsoft mit einer grafisch überragenden PC Version nicht ans Bein pinkeln. Vielleicht reicht auch die Performance der derzeitigen Grafikkarten nicht aus. Aber auch wenn sich Gamer an solchen Details aufhängen können, ist man nach 10 Minuten so sehr im Spiel, dass die Grafik zur Nebensache wird.
Aber nicht falsch verstehen, das Spiel ist sieht wie von Hand gezeichnet aus, kein Copy-Paste-Landschaftsdesign. Besonders hervorzuheben ist die Licht-Stimmung und die Vegetation, die sich harmonisch im Wind wiegt – so etwas war bisher noch nicht da. Und die Komplexität der Story, die Brutalität und die Blutigkeit kann man heute in Zeiten von Game Of Thrones und The Dark Knight fast schon als einen Standard bezeichnen. Schön, wenn sie nicht Selbstzweck bleiben. Alle Thumbs Ab!
"Witcher 3 : Wild Hunt" ist am soeben für Windows, Xbox und Playstation erschienen.