Fear and Loathing in Kunsthalle Wien

Angst vermag es, kollektiv wie individuell unser Leben schwer zu machen. Sie hat viele Gesichter. Die Kunsthalle Wien präsentiert dieses Thema als Saisonauftakt und erste Ausstellung unter dem neuen Direktor Nicolaus Schafhausen, der mit Gewohntem radikal abgeschlossen hat. Muss man sich fürchten?

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Evolutionstechnisch ist Angst ein überlebenswichtiger Schutzmechanismus. Sie bereitet den Körper auf eine Kampf- oder Fluchtsituation vor, versetzt ihn in einen Zustand höchster Aufmerksamkeit und Sensibilität, der aber bisweilen in Lähmung münden kann. Angst macht vor keiner sozialen Stufe halt, sie ist wandelbar und adaptiert sich an jeden Lebensumstand und Charakter. Als Massenphänomen, das ganze Nationen in einen Ausnahmezustand treiben kann, schürt sie Hass und Misstrauen und nimmt somit eine nicht unbeträchtliche Rolle im weltweiten politischen Geschehen ein. Sind es keine spezifischen Objekte oder Einflüsse von außen, die uns den kalten Schweiß auf die Stirn treiben, so tun es Existenz- oder Zukunftsängste. Der einzige Weg aus der Angstspirale führt geradewegs hinein in die gefürchteten Situationen. Vermeidung stärkt die Angst. Konfrontation macht sie bezwingbar.

Möglicherweise empfindet der im Oktober 2012 als Nachfolger Gerald Matts berufene Nicolaus Schafhausen auch ein wenig Angst vor dem Bestehen in seiner neuen Rolle und setzte deshalb auf Konfrontation mit der Vergangenheit. Er vollführte einen totalen Bruch: Umbau, neues Corporate Design, ein verändertes Kuratoren- und Teamkonzept. Die Programmvorschau für die Saisonen 2013 und 2014 fiel verhältnismäßig dünn aus, karg das mediale Erscheinungsbild – ganz im Gegensatz zum bisher bekannten plakativen Image der Wiener Ausstellungshalle für internationales zeitgenössisches Kunstgeschehen. Wird der Salon der Angst fokussierter und genügsamer an die Ausstellungsthematiken herangehen als in werk- und bedeutungsüberladenen Vorgängerausstellungen wie »Parallelwelt Zirkus« oder »No Fashion Please«? In einem Interview erwähnte Schaffhausen, er wäre gegen eine Instrumentalisierung der Künstler durch ein Ausstellungskonzept und für ein Aufspalten einer Ausstellungsentwicklung in verschiedene Zugänge. Möglichst viele Mitwirkende sollten gemeinsam ein gehaltvolles Konzept erstellen. Wie kann man sich das in der von ihm und Cathérine Hug kuratierten Schau vorstellen?

Schreckenskabinett

Tatsächlich erscheinen die unterschiedlichen Positionen und Zugänge in der Ausstellungsankündigung so vielschichtig wie die Zu- und Umstände, die Angst auslösen oder bedingen. Thomas Hirschhorn kreiert ein Horrorkabinett aus Gliedmaßen und Kunstblut, Agnès Geoffrey arbeitet mit der Kraft der Imagination, indem sie unheimliche und jedem bekannte Schrecksituationen mittels Infrarotkamera-Aufnahmen vorführt. Dem therapeutischen Ansatz des Angsterlebnisses widmet sich Jesse Jones in »The Selfish Act of Community« – es geht um die gesprächstherapeutische Aufarbeitung der sozialen und politischen Veränderungen während der 1960er Jahre. Bei Cameron Jamie ist der Tod das Angstthema. Seine Fotografien zeigen die trashige Halloweenkultur in US-amerikanischen Vorstädten. Verzweiflung, Traurigkeit und Enttäuschung spiegeln sich in den Hinterglasbildern des verstorbenen Bukarester Künstlers Florin Mitroi wider.

Öffnet der »Salon der Angst« die Tür zur Selbstreflexion und -therapie durch die Konfrontation mit Angst in jeglichen Erscheinungsformen und gleichzeitig zu einem neuartigen Ausstellungserleben in der Kunsthalle Wien?

»Salon der Angst« ist ab 6. September bis 12. Jänner in der Kunsthalle Wien zu sehen.

Bild(er) © Agnès Geoffray, Courtesy Agnès Geoffray // Gerard Byrne, Courtesy Gerard Byrne und/and Lisson Gallery, London // Tobias Zielony, Courtesy Tobias und/and Kow, Berlin
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