Gib den Wölfen Zucker

Mit viel Grunge und ein bisschen Folk zaubern die lange schon gehypten Wolf Alice eines der wenigen Alben, das alle Vorschusslorbeeren einlöst.

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Das Clash Magazin drückte den Nordlondonern früh den Stempel „Lovechild of folk and Grunge“ auf. Dieser ließ sich trotz dem vielen Bühnenschweiß in Londons Grind-Venues nicht verschmieren.

Eigentlich wurde die Band aber 2012, zwei Jahre nach Gründung, gekickstartet: Das folkloristischen "Leaving You" wirbelte im Netz einiges an Buzz auf, der sich fast zum Zuckerlsturm im Bloggerwald aufbrauste. Wolf Alice steckten vorsichtig ihre Zehenspitzen in die lauwarme Businesssuppe und wurden gleich hart von hinten geschubst: Die BBC erklärte sie zum Most Blogged About Artist der Insel. Um sich rudernd sucht man nach Halt. Den erwischten Ellie und Joff in Form zwei neuer Mitglieder und deren musikalischer Mitgift. Oft entstehen Dinge halt erst im Fallen. Das Eintauchen glückte – wenn auch ein bisschen Head over Heels – man fand sich auf der Liste (wieder BBC) für neue, musikalische Gallionsfiguren wieder, während The Gap selbst schon Ende 2013 dachte, dass nun das große Jahr von Wolf Alice kommen würde. Was dann noch bleibt? Dem Ganzen irgendwie gerecht werden und ein übernatürliches Album abliefern. Die gekürzte Aufmerksamkeitsspanne beachtend, tröpfelten vorher aber erst mal drei EPs in die Hörmuscheln.

Der Sound der superjungen Briten hat sich mit den Kurzspielern dann auch von den anfänglichen Folkgeschichten („Blush“) hin zu räudigeren Gitarrenbrettern („Moaning Lisa Smile“) verschoben. Die Stimme, die nur einem Girl mit zerrissener Strumpfhose und mit Filzstift bemalten Fingernägeln gehören darf, heult aber immer noch in Glitzerpapier gewickelte Finsternis („My loving kills me slowly“, Silk) Richtung Discokugel. Da ist er also, der Wolf im Schafspelz.

Die Texte streunen um Queerness („She“), Teenage Angst und den Moment in dem das Merry-Go-Round sich nicht mehr um Idylle sondern um Ideale dreht („Bros“). Die Videos persiflieren Youtube oder das (eigene) Rockstar Gebaren („Giant Peach“). Wolf Alice nehmen sich selbst nicht zu ernst, ihre Sache dafür umso mehr. Wer von Labels Geld nimmt und damit Spaß hat, beschließt ja eigentlich einen poetischen Act.

Die Einflüsse entspringen hauptsächlich den bunt zusammengewürfelten Spotify-Playlists, in denen Hole, die Deftones und eben auch Miley und Daughter geshufflet werden. So viel Musikhunger erweckt leicht den Eindruck, man wisse nicht wo man genau hinwolle („I don’t know what I’m looking for“). Genau. Darum geht es. Planung ist ja irgendwie auch feige. Fallen lassen und immer wieder eintauchen umschifft den Stillstand und Wege entstehen manchmal erst im Gehen – oder bei Wolf Alice halt im freien Fall.

"My Love Is Cool" von Wolf Alice erscheint am 19. Juni via Caroline / Universal.

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