»Es gibt nirgends eine Anleitung ›Wie baue ich mir ein Schallplatten­presswerk?‹« – Austrovinyl im Interview

Seit kurzem werden in Österreich wieder Schallplatten gepresst – in einem adaptierten 300 Jahre alten Bürgerhaus in Fehring in der Südoststeiermark. Das Team von Austrovinyl im Interview.

Wie hoch war dann das gesamte Investitionsvolumen, bevor ihr starten habt können?
Fauster: Sehr hoch. (lacht)
Koller: Man liegt damit schon im siebenstelligen Bereich.
Man kann also nicht gerade von einem Hobby sprechen …
Koller: Nein, absolut nicht. Das muss funktionieren. Auch aufgrund des Aufwands in Sachen Know-how. Wir haben uns da überall komplett reindenken, uns das alles selbst erarbeiten müssen.
Fauster: Das ist ja die nächste Geschichte: Es gibt kein Know-how mehr. Es gibt nirgends eine Anleitung »Wie baue ich mir ein Schallplattenpresswerk?«. Das ist nach wie vor jeden Tag Learning by Doing.

Wie groß sind theoretisch eure Produktionskapazitäten?
Koller: In acht Stunden gehen sich 500 bis 1.000 Platten aus.
Fauster: Jede halbe Minute eine. Aber das ist Theorie, weil du je nach Auftrag die Maschine umbauen musst. Für jede Produktion musst du die Pressmatrizen wechseln. Beim Pressen von 140-Gramm-Platten brauchst du eine andere Pressform als bei 180 Gramm. Und auch bei einem Farbwechsel musst du Rüstzeiten berücksichtigen.
Koller: Wir haben das grundsätzlich schon so geplant, dass wir vier Tage pressen und einen Tag servicieren. Aber das muss man auch sagen: Von vier Tagen pressen sind wir natürlich noch entfernt. Wir müssen uns den Markt erst erarbeiten, obwohl die ersten Feedbacks, die wir gekriegt haben, wirklich irre positiv sind. Deshalb haben wir auch überhaupt keine Angst, dass wir das nicht schaffen.
Fauster: Der Markt ist absolut da. Und es kommt mir so vor, als würde er sogar immer größer. Grad in dem Segment, in dem wir uns bewegen – mit kleinen Auflagen und im direkten Kontakt und Austausch mit den Bands und Labels. Ohne einen Broker dazwischen, wo du ja eigentlich nicht weißt: Wo passiert es, wie passiert es und was passiert überhaupt? Mit dieser Interaktion haben wir schon viele klasse Sachen zusammengebracht, zum Beispiel das neue Album von Farewell Dear Ghost in marmoriertem Rosa. Die Band hat uns gesagt, in welche Richtung es gehen soll und ich hab dann ein paar Muster gemacht und Fotos davon geschickt. Soll es eher in die Richtung gehen? Eher dieses Rot oder eher das andere? Das kriegst du sicher in ganz Europa nicht. Ich glaub, das macht’s interessant.
Koller: Die Band hat dann auch noch eine EP bei uns gemacht – in kürzester Zeit. Wo noch dazu die Pressmatrize auf dem Postweg verloren gegangen ist. Dann haben wir die Platte – die war noch warm – zur Präsentation nach Wien rausgeführt. Grad, dass sie uns im Wuk nicht um den Hals gefallen sind … Das sind halt die schönen Sachen.

Geerbt von Tante Mitzi: Ein altes Bürgerhaus in der Südoststeiermark ist das Zuhause von Austrovinyl. © Manuel Fronhofer

Wesentlichen Anteil an der Qualität eine Schallplatte hat das PVC-Granulat. Woher bezieht ihr diesen Rohstoff?
Fauster: Aus Italien, von einem Familienbetrieb, den es seit den 60er Jahren gibt. Dessen Granulat ist in Wahrheit legendär: Die ganzen Italo-Hits, Adriano Celentano und so, sind damit gemacht worden. Wir setzen beim Pressen ja auch auf Farben und haben viele Varianten im Programm. Wichtig ist, dass diese Farben Echtfarben sind. Das Rot ist schon als Granulat vom Hersteller ein Rot und nicht ein eingefärbtes Weiß. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das solide Farbmaterial einen super Sound hat. Es sind viele kleine Positionen, die unserer Meinung nach die Qualität ausmachen. Und das fängt beim Granulat an.

Presst ihr alle gängigen Formate oder benötigt man dafür jeweils eine eigene Presse?
Fauster: Leider, nein. Wir machen nur 12 Inch, die Presse ist genau dafür gebaut. Wenn du 7 Inch pressen möchtest, brauchst du eine kleinere Presse. Man kann aber trotzdem 7 Inches über uns bestellen. Wir haben einen Mitbewerber, mit dem wir in sehr gutem Kontakt stehen und der darauf spezialisiert ist. Unter den Kleinen gibt es ja eh ganz klar ein Miteinander. Wie hat einer davon so schön gesagt? Die Weide, auf der wie grasen, ist für alle groß genug. (lacht) Es ist genug Arbeit da. Und es nimmt zur Zeit sicher keiner dem anderen etwas weg.

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