AUT ≠ AUS?

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle betrachtet die österreichische Kreativwirtschaft und ihre Ausbildungsmöglichkeiten mit freudiger Überraschung und akademischer Gelassenheit.

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Die Kreativwirtschaft in Österreich boomt. Kreative zieht es nach Wien, Graz, Linz. Allerdings gibt es auch anderer Orts überraschende Entwicklungen im kreativen Sektor. Nur, an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten mangelt es Kreativen dort und der Bussiness-Plan ist oft immer noch eine gefürchtete Hürde für viele kreative Jungunternehmer. Woher kommt’s? Wo fehlt’s? Welche Potentiale und Chancen haben Kreativ-Standorte wie Tirol und Vorarlberg? Darüber waren wir mit Karlheinz Töchterle im Gespräch, Bundesminister für Wissenschaft und Forschung.

The Gap: Viele Studiengänge im Bereich der Kreativwirtschaft sind in privaten Einrichtungen angesiedelt, wie die Donau Uni Krems, Deutsche Pop Akademie, New Design University, usw. Geht der Trend in diesem Bereich in Richtung private Ausbildungsstätten?

Töchterle: Ich sehe auch viele Studiengänge an öffentlichen Universitäten angesiedelt. Und sicherlich mehr als an privaten Universitäten, deshalb würde ich nicht unbedingt von einem Trend sprechen. Natürlich, es gibt einen Trend zu Privatuniversitäten insgesamt. Das ist eine noch recht junge Entwicklung und ich begrüße sie, weil sie das Angebot erweitert und weil sie die Fülle der tertiären Möglichkeiten viel reicher macht – das gilt auch für den kreativen Bereich. Ich würde aber im Kreativen keine besonders starke Ausprägung dieses Trends sehen.

Die Kreativwirtschaft in Österreich boomt und soll zukünftig noch stärker gefördert werden. „Kreativwirtschaft“ – erscheint Ihnen diese Kategorie überhaupt sinnvoll und relevant?

Das ist wohl eine Definitionsfrage. Nachdem sich der Begriff eingebürgert hat, nehme ich ihn an und akzeptiere ihn auch. Als Begriff schließt er natürlich auch manche Bereiche aus, in denen Kreativität und Innovation genauso wichtig sind. Eigentlich sind sie ein generelles und kein Zeichen von Wissenschaft, wohl auch von vielen Bereichen der Wirtschaft: Womit mache ich Geschäfte? – Mit Neuem, mit Ideen, mit neuen Entwicklungen. Und das gilt ja in zunehmendem Maße, so höre ich zumindest; ich bin ja kein Wirtschaftsexperte. Wenn wir ganz starke Industrien, wie die Autoindustrie anschauen – wie wichtig da das Neue ist. Die Autoindustrie ist sicher eine Leitindustrie. Sie kann als gutes Beispiel dafür dienen, um zu zeigen, wie wichtig Kreativität in der Wirtschaft geworden ist.

Wie definieren Sie Kreativwirtschaft also?

Ich definiere sie nicht, ich rezipiere sie nur und da wohl ähnlich wie Sie, wahrscheinlich nicht so kompetent, weil sie sich stärker damit beschäftigen. Ich bin nur interessierter Beobachter. Kreativwirtschaft – das sind wohl Bereiche, die entweder künstlerisch Ergebnisse vermarkten, oder aus dem Markt kommen und Kunst zur Vermarktung benötigen. Ein Mittelding könnte Design in einem sehr weiten Sinne darstellen, wobei auch da große Definitions- und Qualitätsunterschiede bestehen.

Der Großteil der Kreativwirtschaft spielt sich in den Zentren ab. Könnte das an unzureichenden Fördermodellen in den Bundesländern oder am mangelnden Bewusstsein für den Wert kreativer Leistungen liegen?

Man muss die Prämissen hinterfragen. Wir nehmen natürlich diese Kreativität vor allem im urbanen Bereich wahr, sie ist aber auch im ruralen Bereich da, nicht so massiv, nicht so rezipiert, inzwischen haben wir aber durch die neuen Medien eine Auflösung der Urbanitas. Diese löst sich auf durch die Netze. Man kann heute auch auf dem Mount Everest kreativ sein, wenn man noch die Luft dazu hat.

… und WLAN.

Ja. (lacht)

Sie sehen in der medialen Vernetzung also eine große Chance für die ruralen Gebiete…?

Auf jeden Fall, eine sehr große Chance. Heute ist der Standort nicht mehr so bedeutsam, wie er bis vor kurzem noch war, obwohl die Stadt immer noch ein Ort des Kreativen und der Progression ist, mehr als das Land. Das bleibt so, weil Kreativität überall rezipiert werden kann, aber das Umfeld der Stadt bietet viel mehr Anregungen und auch ein gegenseitiges sich „höher Schrauben“.

weiter auf S. 2: Töcherle über Vorarlberg, St. Pölten, "Tyrol" und das "erweiterte" Wien…

Bild(er) © Matthias Hombauer
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