Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle betrachtet die österreichische Kreativwirtschaft und ihre Ausbildungsmöglichkeiten mit freudiger Überraschung und akademischer Gelassenheit.
Die Verringerung der Studienplätze in Architektur begründeten Sie mit dem geringeren Bedarf an Architekten am Arbeitsmarkt. Kreative arbeiten oft geografisch flexibel und Projekt-orientiert. Wäre es für den Bildungsstandort langfristig nicht sinnvoller gewesen, den Export von gut ausgebildeten Architekturabsolventen zu fördern?
Ja, aber wir können sie nicht exportieren, sie müssen sich selbst exportieren und das tun sie auch. Außerdem, die Arbeitsmarktdaten zeigen, dass die Zahl der Absolventen über der Nachfrage liegt. Ich bin der letzte, der Universitäten nur nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten organisieren will, aber wir müssen haushalten. Wir bauen Studienplätze aus und verbessern das Betreuungsverhältnis insgesamt.
Vermehrt war in den letzten Jahren das Phänomen der „Deutschenschwemme“ an österreichischen Unis in den Medien. Aber andere Länder, wie Deutschland, GB oder Niederlande, bilden vergleichbar viele ausländische Studenten aus. Möchten sie eine ‚offene‘ Bildungspolitik in der Hinsicht fortführen oder sehen Sie eine Notwendigkeit zur Beschränkung?
„Deutschenschwemme“- ich verstehe nicht, dass selbst qualitativ hochwertige Medien in Österreich ein solches Vokabular benutzten. Wie kann man in einem zusammenwachsenden Europa überhaupt noch solche Unterschiede machen? Ich bin in der Hinsicht vollkommen offen. Wir haben natürlich hier und dort Unverhältnismäßigkeitsprobleme, aber die hängen damit zusammen, dass die Deutschen Numerus clausus-Fächer und zehn mal so viele Einwohner haben wie wir. Natürlich, wenn aufgrund dessen, wie z.B. in der Psychologie, fast keine Österreicher mehr in diese Studiengänge hinein kommen, ist dies ungünstig, v.a. erzeugt es Aversionen. Aber in den Medien stand, sie würden den Österreichern die Plätze weg nehmen… Das tun sie nicht, und wenn sie es täten, dann waren sie wohl besser.
Könnte ein Mangel an Arbeitskräften entstehen, wenn deutsche Absolventen ihre Arbeitskraft v.a. zurück in Deutschland ‚ausgeben‘?
Ein Mangel entstünde dann, wenn sie dies täten. Aber wenn sie schon als Studenten mobil waren, ist auch anzunehmen, dass sie später ebenfalls mobil sind. Es geht hier schlicht darum, wer die entsprechenden Berufe möglichst im Land der Wahl bekommt. Eine Folge des modernen, flexiblen, mobilen Europas: Die Leute gehen dahin, wo es ihnen am besten geht in ihren Berufen. Das ist für uns nicht schlimm, denn wir haben aufgrund unserer wirtschaftlichen Stärke jeder Zeit die Möglichkeit nach zu bessern. Gefahren sehe ich in der Hinsicht v.a. für wirtschaftlich schwache Länder; man sehe in den Süden Europas, die Abwanderung der jungen Bevölkerung. Aber diesen Nationalitätsgedanken finde ich wirklich obsolet.
Der praktische Bezug der Fachhochschulen ist besonders im Kreativbereich wichtig. Worin sehen Sie die Vorzüge der „alten“, klassischen Universitätsausbildung für die Kreativwirtschaft?
Soweit ich dies als Geisteswissenschaftler einschätzen kann, würde ich sagen, die Stärke der Kunstuniversitäten ist eine weniger auf einen Beruf hin konzipierte Ausbildung, sondern ein ganz generelles Befassen mit den Möglichkeiten der Kunst und Wissenschaft. Sich frei diesem Feld zu nähern, kann gewaltige Potentiale in der Wissenschaft und in der Kunst eröffnen.
BM Töchterle wurde im Rahmen eines Kreativ-Bildungsschwerpunkt in The Gap 135 interview. Den kann man hier online in der Print-Ausgabe lesen.