Auf »Hotline Aze«, ihrem Debütalbum, präsentieren Aze unterschiedliche Facetten des R&B. The Gap traf das Duo zum ausführlichen Gespräch über die ersten Schritte im Musikbusiness, die Arbeit im Studio sowie Pläne für die Zukunft.
Durch das Album ziehen sich Voiceovers.
Beyza: Wir waren im Studio und einem Freund von uns ging es gerade nicht so gut, also wollten ihn Ezgis Schwestern mit diesen Sprachnachrichten aufmuntern.
Ezgi: Das sind also keine professionellen Aufnahmen, sondern einfach Freundschafts-Posts. Nach einer Minute schnitt sie die Aufnahme ab und der zweite Post ging weiter mit »This bitch caught me off, this bitch caught me off« – und das haben wir dann genau so am Album verwendet. Es sind zwei Memos, die sie ihm zur Aufmunterung und uns als Reality-Check geschickt hat. Wir haben sie zufällig abgespielt, im Hintergrund lief Musik. Zuvor hatte ich im Gespräch mit Jakob einmal den Begriff Elevator-Jazz gedroppt, woraufhin er meinte: »Heast, wir machen hier gscheite Musik und du kommst daher und nennst das Aufzugsmusik.« Auf jeden Fall begann ich aus Spaß mit Ansagen wie: »Welcome to Aze Hotline. We help you with your problems by not dealing with them.« Als wir die Memos hörten, dachten wir sofort: »Fuck, das muss aufs Album.« Und daraus ist schließlich auch unser Albumtitel »Hotline Aze« entstanden. Alles aus Spaß, Selbsthilfe halt. Help me help you quasi.
Beyza: Ich finde es irgendwie lustig, denn wir haben mit »Sweet Talk« das Album begonnen und dieser Song ist auch aus einer Sprachmemo entstanden.
Ezgi: Es hat sich alles gefügt, wir haben nichts erzwungen. Keines der Voiceovers wurde extra aufgenommen, alles ist aus unserem Leben entstanden. Mit »My Own Business« wollten wir wiederum versuchen, eine Geschichte zu erzählen, ohne zu singen, das war unser Experiment. Da »Waterfalls« so heavy am Album ist und eigentlich konzeptuell nicht dazupasst, ist es cool, dass nun davor so ein softer Track mit gesprochenem Intro alles verbindet. Es ist eh so arg, ein Album zu produzieren: Man geht nach Tagen aus dem Studio raus, sieht die Welt wieder und denkt sich: »Wow, das haben wir gerade fünf Tage gemacht.«
Es ist wie eine Geburt quasi.
Ezgi: Genau, es ist wirklich wie die Geburt des ersten Kindes. Ich weiß zwar nicht, wie es ist, Mama zu sein, aber so fühlt es sich an. Und der Release fühlt sich wie ein Auszug an: Man hat nichts mehr zu sagen und nun müssen wir schauen, wie das Kind ankommt und ob es eh keine schlechten Friends findet und in die richtigen Circles kommt. I don’t know. Someone take care of my children, they are my life and soul.
Könnt ihr etwas über das Plattencover bzw. über euren visuellen Stil erzählen?
Ezgi: Das Artwork habe ich gemacht, da wir auf die Schnelle keine andere Person gefunden haben. Das Booklet wollte ich wie Werbeschaltungen aus Zeitungen der 1950er-Jahre gestalten, dafür habe ich mir sogar alte Telefonbücher zur Inspiration angesehen und ich war bei Sammlern, um mir mir anzusehen, welche Schriften benutzt wurden usw. Das Cover wiederum haben wir im Schauspielhaus geshootet: Wir hatten dort einen Auftritt und als wir den Raum betraten, sahen wir den Kreis am Boden.
Beyza: Der sah wie eine Platte aus.
Ezgi: Genau, wie eine Vinylplatte. Wir sprachen dann mit Hubert, der dort die Öffentlichkeitsarbeit macht, und er meinte, dass die Location geschlossen wird. Ich weiß es gerade nicht, aber ich glaube, das Hotel gibt es nicht mehr. Es wurde abgerissen oder zumindest abgesperrt bzw. ist nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich. Er meinte, sie würden sich voll freuen, wenn wir dort das Shooting für unser Album machen, so nach dem Motto: unser letztes, euer erstes. Und wir so. Let’s call it luck and let’s do it. Dann fanden wir Amelie Strobl über Instagram und schrieben ihr. Sie macht urschöne Fotos, dabei ist sie erst 17.
Ist euch der visuelle Stil allgemein sehr wichtig?
Ezgi: Wir arbeiten schon sehr visuell. Wenn wir Songs schreiben, dann sagen wir auch, was das für eine Mood ist. So Sachen wie: Das ist ein Sonntagabend oder das ist ein Wintermorgen, ein Herbstnachmittag oder Sommer am Strand.
Beyza: Wir arbeiten voll detailliert.
Ezgi: Wir haben viele konkrete Szenarien. Grundsätzlich würde ich sagen, dass wir visuell getriebene Menschen sind und dann geht das automatisch. Die Musik kommt aus dem gleichen Ort, aus dem die Outfits rauskommen oder das Artwork. Wir haben ja auch kein großartiges Team hinter uns, also machen wir oft das, was sich richtig anfühlt, und hoffen, dass es anderen Leute auch gefällt.
Lasst uns noch kurz über Liveauftritte reden. Am 20. Juli spielt ihr im Theater am Spittelberg. Sind noch andere Shows geplant?
Ezgi: Wir spielen in der Szene ein Open-Air-Konzert, im Spectrum in Villach spielen wir ebenso. Der Sommer ist leider ein bisschen schwierig, weil viele Konzerte aus den letzten beiden Jahren nachgeholt werden, daher sind schon viele Locations ausgebucht. Eine Band, die gerade ein Album veröffentlicht und keine große Lobby hat, hat es daher sehr schwer.
Beyza: Wir kommen gerade von einer Tour. Wir waren Support für Lola Marsh.
Ezgi: Das war voll cool, da durften wir in der Arena spielen und auch in Ebensee.
Wie viele Liveauftritte hattet Ihr davor schon?
Ezgi: We’ve been hustling for the last few years. In unserer Größe geht sich das noch eher aus als bei Bands wie Wanda oder so, weil dann kommen halt 200 Leute oder so und das kann man gut managen.
Ihr seid neu dabei, aber dennoch alte Hasen irgendwie.
Ezgi: Ja, neu dabei, weil halt die Zeit anders vergeht seit Corona. Ich denke, we did the most für die zweieinhalb Jahre, die es uns schon gibt.
Beyza: Genau, dafür haben wir echt schon viel gespielt.
Ezgi: Viel gespielt, viel getan, so gut es geht, alles weitergetrieben, aber die Zeit fließt einfach so schnell und im Kreis. Seit Corona ist Zeit nicht einzuordnen. Ich weiß nicht, was fünf Jahre her ist und was zwei. Es fühlt sich alles gleich weit weg an. Es gibt eh schon eine neue Zeiteinteilung: Prä-Corona und seit Corona.
Was waren die größten Herausforderungen bisher?
Ezgi: Eine big challenge war auf jeden Fall die Einreichung beim Musikfonds. Ich verstehe schon, warum es hier gewisse Anforderungen gibt, aber ich denke, wenn man so ein ambitioniertes Projekt ist und wir uns obviously Gedanken gemacht haben und auch den Antrieb haben, eines Tages von der Musik zu leben, dann war das einfach ein schircher Moment to be confronted with. Dass man independently zwar alles richtig machen kann, aber immer wieder viele Hürden vor sich hat. Es kommen ja immer so Fragen wie: Warum machen Frauen und Migras weniger Musik? Die Antwort ist einfach: Weil halt gegatekeeped wird wie Sau, wer überhaupt Popmusik machen darf. Das finde ich ein bisschen unfair, weil Popmusik einfach das belangloseste Genre to make music in ist. I literally sing nothing außer sweet, sweet and I love it. Don’t get me wrong, I love being here, aber für die zwei sinnlosen Wörter, die ich sage, muss ich hundertmal beweisen, dass ich es wert bin? Und überhaupt: Wieso ist der Hawi, der schon seit 100 Jahren die gleiche Musik macht und noch immer – sorry – gleich scheiße ist, wieso bekommt der 15.000 Euro Förderung und wir erhalten keine 5.000 Euro?
Beyza: Ich finde das Album war from the artistic point of view einfach ein Album, keine allzu große Herausforderung, aber es war natürlich schon ein big thing in unserem artistic being. Es ist dennoch eine andere Dynamik als »nur« eine EP zu veröffentlichen. Noch dazu, weil es ein Konzeptalbum ist.
Ezgi: Man will sich ja auch beweisen, man will versatile sein, but still in a genre. Lustig, aber gleichzeitig sexy. So nach dem Motto: Nimm mich ernst, aber nicht zu ernst. Und wie macht man das, ohne, dass es zu ambitioniert ist? Wir haben es uns sicher auch nicht immer leicht gemacht. But why make it easy when it can be hard oder so.
Wie ist auch eure erste Einschätzung der österreichischen Musikszene?
Ezgi: Im Durchschnitt waren unsere Erfahrungen positiv. Jakob ist voll auf unserer Seite, Sophie Lindinger hat uns bei einem Track geholfen, das war auch voll gut, und dann ist Ink an uns herangetreten. Wir sind echt lucky bitches. Alles, was wir gebraucht haben, ist im richtigen Zeitpunkt zu uns gekommen. Also unsere Erfahrungen waren soweit gut, aber das mag sicher nicht für alle gelten. Es gab schon ein paar Kleinigkeiten. Wenn jemand so eine Textzeile hört, in der »sweet talk« gesungen wird und davon offended ist und nachfragen muss, ob ich braun, weiß oder rot bin, dann muss diese Person sich auch mal fragen, warum sie das fragt, denn ich singe akzentfreies Englisch und es ist einfach nur ein Popsong – eh in the best way, I love it! – aber es ist so essenzlos wie etwas nur sein kann.
Wir haben nun über euren musikalischen Werdegang und euren aktuellen Stand gesprochen. Welche Pläne habt ihr für die Zukunft?
Ezgi: Schauen, wo das Album uns hinbringt.
Beyza: Wir würden gerne auch in der Türkei Shows spielen.
Ezgi: Wir haben auf jeden Fall internationale Ambitionen. So wie wir in Österreich ankommen, wollen wir auch in der Türkei ankommen, weil wir ja beides in uns tragen. Why have only one side if you live with both? Aber wir können noch nichts Konkretes sagen, let’s not jinx it for us. Wir werden es announcen, wenn es soweit ist. Auf jeden Fall möchten wir weitermachen und schauen, wo uns Aze noch hinführt, und einfach Musik machen.
Beyza: Wir hatten zuletzt auch nicht die Zeit, um wieder ins Studio zu gehen.
Ezgi: Es war schon a lot, das unterschätzt man echt, so viel Gedankenarbeit, teilweise auch für nichts. Ein Instagram-Post dauert bei uns vier Stunden, weil alle so viele Meinungen haben.
Beyza: Genau.
Ezgi: Pläne sind auf jeden Fall schon ready to go, aber pssst!
»Hotline Aze« von Aze ist heute, also am 24. Juni 2022, bei Ink Music erschienen. Das Album wird am 20. Juli im Theater am Spittelberg in Wien live präsentiert.