»It’s our thing, our music, our fun, our freedom, our space to be ourselves«

Anlässlich von »Hyperreality«, dem Clubfestivalformat der Wiener Festwochen, kommt das Tanz- und Musikkollektiv »Qween Beat« mit ihrem Voguing-Showcase nach Wien. Wir blicken auf die Entstehungsgeschichte des Tanzstils zurück und stellen die lokale Voguing-Szene vor.

Ballroom und AIDS

Anders als in populären Filmen über HIV impliziert wird, sind es nicht weiße schwule Männer, die von der »AIDS-Krise« am härtesten getroffen wurden, sondern Queer People of Color. In der Ballroom Szene hatte man es somit besonders schwer. Viele der PerformerInnen, die in »Paris is Burning« interviewt wurden, erkrankten und starben wenig später. Mit dem kurzzeitigen Hype um, den Ballroom Szene nach »Paris is Burning« und Madonnas »Vogue«, wurden Events von Harlem nach Downtown verlegt. Schwindendes Interesse und das Sterben vieler TänzerInnen stürzte die Szene jedoch in eine Krise und verdrängte sie wieder in den Untergrund.

Während die »AIDS-Krise« in der ersten Welt als überwunden gilt, stimmt diese Aussage für Queer People of Color nur bedingt. Noch immer liegt ihre Ansteckungsrate an HIV um ein vielfaches höher, als bei allen anderen Bevölkerungsgruppen. Aktuelle Statistiken gehen davon aus, dass 25% der queeren Latinos und Hispanics und 50% queerer Afroamerikaner zu Lebzeiten mit einem positiven HIV-Test diagnostiziert werden. Die moderne Ballroom Szene ist nicht zuletzt deswegen stark verwoben mit Programmen, die sich verstärkt der HIV und AIDS Prävention und Betreuung annehmen. Viele Bälle werden in Kooperation mit der Non-Profit Organisation »Gay Men’s Health Crisis (GHMC)« veranstaltet, dort werden unter anderem gratis Tests für BesucherInnen angeboten.

Stärker, als es in »Paris is Burning« der Fall war, geht der 2016 erschienene Dokumentarfilm »Kiki« von Sara Jordenö und Twiggy Pucci Garcon, auf die Verbindung der Ballroom Szene mit AIDS ein. Der Film gilt als eine Art »Paris is Burning« für die Generation der Millenials. Auch hier stehen einzelne PerformerInnen im Zentrum der Erzählung und eröffnen dem Filmteam nicht nur Einblicke in Wettbewerbe und Training, sondern auch ins Privatleben und die Probleme, die das Außenseiter-Dasein mit sich bringen.

Zariya Mizrahi im Dokumentarfilm »Kiki« ©Sundance Selects

Support Your Local Queers

Voguing, wie es zeitgenössisch getanzt wird unterscheidet sich vom sogenannten »Old Way« und verlangt Tanzenden athletisch anstrengende Figuren ab. Dazu gehört beispielsweise der »Duck Walk«, bei dem die voguende Person in die Hocke geht und kleine Schritte macht, während die Arme weiter bewegt werden, wie für das »Voguing« typisch ist. Vor allem aber ist der Tanz und die Szene seit den Anfängen weit hinweg über die Grenzen von New York City und den Vereinigten Staaten von Amerika expandiert. Die porträtierten Jugendlichen aus »Kiki« empfinden das als positive Entwicklung; Chi Chi Mizrahi äußert sich in einer Szene des Films: »Our job is not done, until all countries have ballroom; until all LGBTQ people have a place to go vogue and slam their backs.«

Lokale Szenen gibt es an vielen Orten der Welt und selbst Wien bildet da keine Ausnahme. Zuletzt hat ein Voguingball mit dem Titel »Eat Slay Love« zusammen mit einem Screening der Madonna Filmbiographie »Truth or Dare« im Gartenbaukino stattgefunden. Auch hier traten TänzerInnen und ModedesignerInnen in verschiedenen Kategorien gegeneinander an, darunter: Old Way, New Way und Best Dressed. Bewertet wurden TeilnehmerInnen von einer internationalen Jury, angereist aus Schweden, Tschechien und Ungarn. Organisiert hat das Event PLENVM Ninja.

Wiener Künstler PLENVM Ninja beim moderieren einer seiner Bälle ©Renáta Tanács

Seine ersten Erfahrungen mit »Voguing« hat PLENVM Ninja 2009 in Paris gemacht, als Archie Burnett, Grandfather des House of Ninja zu einem Streetdance-Event nach Paris kam. »Ich trug damals 4XL-Shirts und tanzte hauptsächlich House und Hip Hop und war es gewohnt, dass im Tanz klare Unterschiede dazwischen gemacht wurde, wie Männer und Frauen sich zu bewegen hatten – und plötzlich hatte ich einen fast zwei Meter großen Mann vor mir, der mit dem Finger schnippte und im Bassbartion “Work child!” quer durch den Raum rief, wenn mein Hüftschwung ihm gefiel.« Archie Burnett wurde PLENVM Ninja ein Mentor und Freund, mit dem er auch heute noch Kontakt pflegt.

Im Zentrum steht für Plenvm Ninja bei seinen Events der Spaß und die Möglichkeit sich seine Subkultur so zu gestalten, wie man es möchte. Dabei geht es ihm auch um die Selbstbestimmtheit der teilnehmenden TänzerInnen: »Bei der Durchführung ist es mir wichtig, dass den Contestants genug Raum gegeben wird, um ihre Kreativität und ihr Können zur Schau zu stellen, und dass die Zuschauer bis zum Ende gespannt bleiben, denn das macht auch etwas mit den Performern.« So kommerziell, wie »Voguing« teils ausgeschlachtet wurde, so scheint bei Events wie diesen jedoch auch immer wieder durch, dass Voguing-Abende kein Mainstreamveranstaltung sind. Der Ball kommt zwar ganz ohne Sponsoren aus, damit GewinnerInnen trotzdem Preisgeld ermöglicht werden kann, geht eine Haube durchs Publikum – die einzigartige Liveshow sollte es den ZuschauerInnen wert sein.

Vermächtnis

Der Einfluss der Ballroom Szene scheint noch immer allgegenwärtig zu sein. Die Referenzen an »Paris is Burning« in der populären Reality-TV Serie »RuPaul’s Drag Race« sind endlos und amerikanische Talkformate, wie das von Wendy Williams, kommen ohne Drag- und Ballroom Vokabular, von »throwing shade« bis »snatching wigs«, nicht mehr aus.

Dass es Risiken durch Popularisierung gibt, gesteht MikeQ zu: »It being watered down, lost in translation, over used, misused.. that I’m afraid of.« Als DJ für Ballroom Events in New York City, kennt er sich in der Szene aus. Seine Musik ist unter anderem im bereits erwähnten Dokumentarfilm »Kiki« zu hören und so spricht er auch von Chancen, die sich aus der Verbreitung des Tanzstils ergeben: »But it also for sure does open opportunities for many of us in the culture with all the tv shows coming out, films, people wanting a part of ball culture at their events, and more balls that I myself have the opportunity to DJ globally and just you know, some kind of noterietay for us that’s been doing this thing a while.« Gerade deswegen sei es wichtig, die Wurzeln der Bewegung nicht zu vergessen.

Auch im vorigen Jahr fand »Voguing« etwa im Performeum Platz, beim Impulstanz-Festival ist die Bewegung schon seit mehreren Jahren Thema, die Doku-Serie »My House« begleitet TänzerInnen der New Yorker Ballroom-Szene, der Kabelsender FX zeigt unter dem Titel »Pose« ab Juni die fiktionalisierte Geschichte der Ballroom-Szene der New Yorker 80er Jahre und Filmemacher Gaspar Noé ließ sich für seinen neuen Film »Climax« durch Voguing-TänzerInnen inspirieren – die Szene hat viele Präsentationsflächen, am aufregendsten ist und bleibt aber die Live-Performance selbst. PLENVM Ninja resümiert seine Bälle dementsprechend folgendermaßen: »Wir müssen hier einfach viel mehr tanzen. Das Schönste ist es eigentlich, wenn ich die Zuschauer nach dem Ende des Events dabei beobachte, wie sie auch zu posen anfangen und mit dem Hintern wackeln.« Wer sich das Qween-Beat Voguing Showcase bei Hyperreality der Wiener Festwochen entgehen lässt, ist also selber schuld.

Das Qween-Beat-Showcase findet am 25. Mai im »Materialmagazin« von Hyperreality ab 23 Uhr im F23 statt. Weitere Infos gibt es auf der Programmseite der Wiener Festwochen.

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