Sexuelle Bildung in Schulen ist oft veraltet, konservativ und heteronormativ. Wir haben ExpertInnen gefragt, worum es in Sexualkunde eigentlich gehen sollte: Wie kann ich Scheidenpilz verhindern? Wann freut sich die andere Person im Chat über mein Dickpic? Wie sieht echter Konsens aus? Und wie finde ich heraus, was mein Kink ist?
Konsens – Kommunikation ist sexy
In der sexuellen Bildung ist Konsens ein zentrales Thema, mit dem in jedem Aufklärungsunterricht gearbeitet werden sollte. Konsens bedeutet in der Sexualität nicht nur, dass eine Person zustimmt, sondern, dass alle Involvierten gemeinsam entscheiden, was sie miteinander tun wollen.
Konsens muss gelernt sein und zwar am besten bereits im Kleinkindalter. Wenn eine Person als Kind immer wieder dazu genötigt wurde, alle Verwandten zu umarmen oder Küsse zu verteilen, dann wird es im Erwachsenenalter wahrscheinlich seine Grenzen neu lernen müssen, da diese sonst immer überschritten wurden.
Üben kann man Konsens im Erwachsenenalter, indem man neue Bekanntschaften fragt, wie sie sich verabschieden oder begrüßen wollen: küssen, umarmen, Hand geben, usw. Die Unwissenheit darüber plagt so ziemlich alle Menschen. Oft ist die Befürchtung da, dass es während des Sex merkwürdig sei, zu fragen, ob PartnerInnen etwas Bestimmtes wollen. Je- doch ist dieses Gefühl stark von Filmen und Pornos geprägt, in denen niemand fragt und alles für alle Beteiligten in Ordnung ist. Viel unangenehmer wird die Situation, wenn man Ungefragtes tut und Grenzen überschreitet. Ein »WTF tust du da?« ist viel unangenehmer als vorher zu fragen. Mensch weiß nach kurzer Zeit, worauf die PartnerInnen Lust haben und es muss nicht immer neu erfragt werden. Es darf aber immer, und auch währenddessen, Konsens entzogen werden. Kein Konsens ist jedenfalls, wenn eine Person die andere immer wieder fragt, obwohl bereits kommuniziert wurde, dass sie / er darauf keine Lust hat. Eine Person zur Einwilligung zu drängen, ist keine Einwilligung!
»Will ich«, »Will ich nicht« und »Weiß ich nicht«
Wenn du gar keine Möglichkeit siehst, während dem Sex nachzufragen, stellt das Vorab-Abklären von roten Linien jeder / jedes einzelnen Beteiligten eine Alternative dar. Wenn zum Beispiel Anal-Play ein No-Go ist, dürfen die PartnerInnen das nicht einmal versuchen. Man kann sich außerdem darauf einigen, dass alles probiert werden darf mit der Folge, dass mensch ab und zu ein »Nein« oder »Stopp« hören wird. Oft hilft es auch, anstatt direkte Fragen zu stellen, das Thema etwa so anzusprechen: »Ich würde gerne (…) mit dir probieren.«
Auch die Körpersprache ist ein wichtiges Mittel, um herauszufinden, ob das, was du tust, der anderen Person gefällt. Körpersprache ist bei neuen SexualpartnerInnen nicht leicht zu lesen – bei Unsicherheit immer fragen! Eine gute Kommunikationsbasis versichert auch, dass mensch zum Beispiel nicht Unmengen an Zeit in Vaginalsex investiert, wenn das für den Partner / die Partnerin gar nicht die schönsten Gefühle bringt.
Wenn du nicht weißt, ob du auf eine Sexualpraktik Lust hast, sie aber ausprobieren willst, solltest du kommunizieren, dass das neu für dich ist und dir vielleicht nicht gefällt. Insgesamt gilt, dass wir Praktiken für uns selber unterteilen können in »Will ich«, »Will ich nicht« und »Weiß ich nicht«. Probieren ist immer erlaubt! Ohne zu probieren wüssten wir ja niemals, was wir geil finden und was nicht. Sexualität ist ein riesengroßer Spielplatz, auf dem jede Regel zwischen den Involvierten neu verhandelt werden muss.
Elif Gül (@alphagina) ist Sexualpädagogin und Sozialwissenschaftlerin mit Fokus auf Geschlechter- und Sexualforschung und arbeitet selbstständig sowie in verschiedenen Vereinen.
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