Es ist wieder Blue-Bird-Zeit! Klaus Totzler, Präsident der Vienna Songwriting Association und somit für das Programm des Festivals verantwortlich, über eine groß gewordene Nische, ein Publikum, das mehr will als Mitgrölhits und Easy Listening, und einen Tim-Buckley-Altar, an dem er sich gemeinsam mit zehn weiteren Nerds sehen würde.
Das Blue Bird Festival im Wiener Jazzclub Porgy & Bess gilt vielen als Qualitätsgarant und steht für eine aufgeschlossene Interpretation des Songwriting-Begriffs, dank der von sanftem Folk über verspielten Pop bis hin zu wütendem Rock vieles möglich ist. Zur diesjährigen Ausgabe haben Klaus Totzler und das Team der Vienna Songwriting Association überzeugende Acts wie Paul Plut, Dan Mangan, Holly Miranda, The Burning Hell, Molly Burch und Mark Kozelek (Sun Kil Moon) eingeladen.
Wenige Tage vor dem Festival steht ihr sicher schon leicht unter Strom. Wie laufen die Vorbereitungen und erwartet uns wieder ein volles Porgy?
Leider waren die Vorbereitung etwas chaotisch in diesem Jahr. Das lag aber weniger an uns. Etwa die Hälfte der Artists hat immer wieder umdisponiert – auf Solo- oder Bandbesetzung. Manchmal kam da: »Wir kommen doch schon einen Tag früher oder bleiben länger. Wir haben einen weiteren Musiker in der Besetzung. Könnt ihr bitte ein Zimmer dazubuchen? Den Verstärker, den das Porgy hat, wollen wir nicht, könnt ihr einen anderen auftreiben?« Aber wir haben ein gutes Team. Wir bekommen das alles hin. Nervös sind wir nicht, aber aufgeregt vielleicht.
Euren Tribute-Abend für Nick Drake mit eingerechnet, müsste das heuer das 15. Festival der Vienna Songwriting Association sein. Wie verändert sich die Herangehensweise mit der Routine und Erfahrung aus 15 Jahren gemeinsamen Veranstaltens?
Die Blauäuigkeit der Anfangsjahre ist verloren gegangen. Das Team ist eingespielt. Wir haben aber auch Glück. Wir spielen – natürlich bewusst – in einer Liga, die eine groß gewordene Nische ist. Daher klappt vieles sogar ohne komplizierte Verträge und mit Vertrauen.
Das Blue-Bird-Überthema Songwriting habt ihr stets sehr offen interpretiert. Wie würdest du den gemeinsamen Nenner der Musik, die bei euch Platz hat, in anderen Worten beschreiben?
Die Musiker sollten ihre eigenen Komponisten und Interpreten sein. Das Ergebnis sollten in etwa »Songs der gehobenen Popkultur« sein. Das meine ich absolut positiv. Ich liebe all das, was Pop kann, und lehne ab, wozu er missbraucht wird. Der Text sollte ohne Plattitüden auskommen und zum Nachdenken anregen; Geschichten erzählen oder Fragen aufwerfen.
Als künstlerischer Leiter des Festivals hast du das Blue Bird über die Jahre stärker geprägt als irgendjemand sonst. Liegt das Booking ganz in deinem Verantwortungsbereich oder sind Entscheidungen zum Line-up zumindest in einem gewissen Ausmaß auch gemeinsame Entscheidungen?
Das Booking liegt ganz in meiner Hand. Ich glaube auch, dass dann Dramaturgie und Stimmigkeit des Festivals eher zu gewährleisten sind. Gerade die ganz jungen Artists kommen fast immer von mir. Aber manchmal hat jemand in der Gruppe eine Idee, die ich aufgreife. Bei manchen anderen Dingen bin ich froh, ein hochqualifiziertes Team zu haben.
Der Livemarkt, so heißt es, sei jener Teil der Musikindustrie, mit dem sich noch Geld verdienen lässt, weil die Fans zumindest für Konzerte noch Geld ausgeben. Für Veranstalterinnen und Veranstalter bedeutet das vor allem, dass die Gagen in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind. Wie hast du diese Entwicklung erlebt? Bleibt am Ende nur die Möglichkeit, das mit höheren Ticketpreisen auszugleichen?
Das ist alles Tatsache. Wir zahlen auch deutlich höhere Gagen als früher. Aber eigentlich gerne, weil wir glauben, gute Kunst, gute Musik, ist etwas wert. Und natürlich sind die Ticketpreise gestiegen. Aber das ist halt überall der Fall und auch logisch. Auch Milch und Brot kosten mehr als früher. Es geht sich jedenfalls finanziell aus. Unser Publikum ist uns treu geblieben und es kommen viele Leute regelmäßig, die die Artists davor gar nicht kennen. Sie erwarten Qualität und bekommen sie. An dieser Stelle muss ich dem Publikum auch mal laut Danke sagen. Ich bin froh, dass es so viele Menschen gibt, die nicht nur auf Mitgrölhits und Easy Listening abfahren. Und die sich mit Neuem auseinandersetzen wollen.
Daran anschließend: Welche Bedeutung haben große Namen im Line-up für euch?
Ich sehe im diesjährigen Line-up eigentlich keine Headliner. Selbst Musiker wie Mark Kozelek sind nur treuen Fans ein Begriff. Die kommen. Aber das macht vielleicht 10 % aus. Die anderen 90 % kommen, weil sie uns vertrauen. Nicht nur der Gefälligkeit vertrauen sie, auch der Provokation, die manchmal eingebaut ist.
Nächste Seite: Booking ohne Quotendruck, berührende Festivalmomente und ein Blick in die Zukunft