Nach langen Monaten des nicht aufhörenden Stroms an immer schrecklicher werdenden Nachrichten, fragen auch wir uns: Was bleibt nach unzähligen Artikeln, Breaking News, Livestreams, Pressekonferenzen und sogar dem einen oder anderen Buch noch zu sagen? Dann haben wir unsere Redaktion und andere Kulturschaffende gebeten, uns an ihrem Blick auf das Jahr 2020 teilhaben zu lassen – und zwar an einem, der sich ausmalt, wie die letzten Monate aussehen hätten können. »Was hat für dich ganz persönlich 2020 durch die Erschwernisse des Jahres nicht stattgefunden?« – das war der Impuls, den wir allen AutorInnnen mitgegeben haben. Von der großen Revolution im Klassenkampf bis hin zum ersten eigenen DJ-Set war vieles dabei. Eine Einladung zu einer alternativen Realität des Jahres 2020.
Uff, 2k20!
Bad & Boujee
Verantwortung und Lösungsfindung — Was dieses Jahr für uns nicht stattgefunden hat? Unsere Partys, natürlich. Es waren einige Indoor- und Outdoor-Events geplant sowie die Tour mit der Rapperin Ebow, auf die wir eben auch durch das Veranstaltungsverbot verzichten mussten. Wir haben, wie viele andere, mal hier, mal da aufgelegt: Stand 129, Kultursommer Wien, Motto am Fluss, Alvozay Instagram- Livestream und Festival, #BLM- und #Endsars-Demos in Wien. Aber zum einen: What’s a DJ without a crowd? – bedenkt man die Gigs, die nur virtuell stattgefunden haben. Und zum anderen geht es bei unseren Partys in erster Linie nicht um das bloße Feiern, nicht um den bloßen Hedonismus. Wir versuchen vielmehr, den ursprünglichen Charakter der Clubkultur wieder aufblühen zu lassen, indem wir Räume schaffen, die vor allem marginalisierten Gruppen ein Zusammenkommen erlauben. Uns wurde dieses Jahr die Wichtigkeit dessen noch einmal vor Augen geführt.
Mit dem weltweiten »Awakening« der Mehrheitsgesellschaft im Zuge der globalen Proteste, aber vor allem mit dem #BLM-Hype-Sommer in Wien haben wir nochmals gespürt, wie diese Räume fehlen und dass die Straßen Wiens – sowie auch anderswo – als öffentlicher Raum nicht für alle dasselbe bedeuten. Auch wenn es uns teilweise gleichzeitig die Sprache verschlagen hat, wie viele Personen letztendlich doch mit uns auf die Straße gegangen sind, hat das Ganze doch sehr wohl ein »G’schmäckle«. Denn viele Akteure der Kulturbranche haben versucht, sich mit der Black-Lives-Matter-Bewegung in Solidarität zu üben, doch aktives Übernehmen von Verantwortung in der Clubkultur Wiens blieb größtenteils aus. Es ist schwierig, der ausgesprochenen Solidarität nicht skeptisch gegenüberzustehen, wenn man die oft extrem problematische Türpolitik einiger Clubs dieser Stadt bedenkt, die systematisch nicht inklusiv geführt wird.
Partys und Panels zurückbringen!
In dieser Krise wird uns wieder bewusst, wie sehr die Verantwortung und die Lösungsfindung für diese Probleme zum einen auf die Betroffenen selbst und gleichzeitig auf das Individuum gestülpt werden, statt beispielsweise eine Infrastruktur bereitzustellen, die Betroffene nachhaltig unterstützt.
Ohne den Artikel mit Toxic Positivity abschließen zu wollen: Doch auch diese Krise zeigt uns einfach, wie wichtig die Räume, die wir schaffen, sind – seien es die Partys oder die Panels. Wie wichtig es ist, in Wien einen Raum zu schaffen, in dem wir sein können, haben die Proteste verdeutlicht, die dieses Jahr im großen Stil stattgefunden haben. Seien es #BLM-Demos, die #Endsars-Proteste in Solidarität mit jenen in Nigeria oder auch die, die sich gegen die entwürdigenden Verhältnisse in Moria ausgesprochen haben.
Bad & Boujee, Österreichs erstes »all black femme DJ / MC collective«, wurde von den gebürtigen Wienerinnen Elisabeth Mtasa und Enyonam Tetteh-Klu gegründet. Gemeinsam mit ihren Resident-DJs Tonica Hunter und Tmnit Ghide sowie Resident-MC Tanya Moyo veranstalten sie Events und schaffen dabei Räume, die sich als inklusiv verstehen, für Personen jeglicher Herkunft oder sexueller Orientierung und Identität.