Mit dem Video zum Titeltrack von "I Care A Little Less About Everything Now" entschleunigen Schmieds Puls den Pop. Wir präsentieren das Video und reviewen das gleichnamige Album.
Schmieds Puls und Barbara Zerlauth, Regisseurin des Videos, drosseln das Tempo in ihrem Video so weit, dass das Bild sich kaum mehr bewegt. Die Welt dreht sich weiter, doch "I Care A Little Less About Everything Now" friert den Augenblick ein; die Bewegung erstarrt, die Kamera schwenkt von links nach rechts. Das bringt einen Moment von Weltabgewandtheit und Resignation hervor, unterstrichen durch die an Fotorealismus erinnernde Farbgebung. Die gefühlte Stillstellung von Musik und Bild schafft auf dramatische Weise Nähe, der allgegenwärtige Abgrund wird scheinbar unmittelbar vor Augen geführt.
Liebe als Obsession, voller Widersprüche zwischen Leidenschaft und Rationalität, radikale Selbstentblößung, und doch das Ende, das Abgründige, ein Verlust sowohl als auch; es bleibt weniger zurück, man kann weniger geben. Sorry future lover …
Ein Album im Herbst
Fröhlichkeit ist Frühling; und nicht ohne Grund erscheint das neue Schmieds-Puls-Album Mitte Oktober, denn fröhliche Momente wird man auf "I Care A Little Less About Everything Now" wenige finden. Aber großes Kino im Sinne eines "Never Let Me Go" von Mark Romanek als Gegengift zur mittlerweile anstrengenden Wanda-Heiterkeits- Überdosis.
Nach dem Erscheinen ihres Debütalbums "Play Dead" tourte das Trio um die Sängerin/Gitarristin Mira Lu Kovac ausgiebig durch die Lande. Dies hört man dem Nachfolger an: tighter, experimentierfreudiger, vertrauter. Walter Singer am Double Bass gibt den Pop-Nummern den jazzigen Touch, Christian Grobauer, einer der wenigen Schlagzeuger, die mit dem Begriff Dynamik etwas anfangen können, und Kovacs’ Stimme und pickinggeprägtes Gitarrespiel frieren auf ihrem Zweitling Zeit ein, ohne eine Sekunde langweilig zu sein.
Ein einzelner Akkord eröffnet "I Care A Little Less About Everything Now", der Titel erzählt vom Älterwerden, vom Verlust der Unschuld, emotional wie ideologisch. So auch die einzelnen Songs. Es geht jedoch keinesfalls um Abgeklärtheit, Zynismus oder Resignation, es wird hier scharf beobachtet: Der Zauber, das Hochgefühl ist flüchtig und steht den Niederlagen, den Verlusten von geliebten Menschen und der Leere gegenüber. Und doch blitzt von Zeit zu Zeit ein Hoffnungsschimmer auf, genau so viel, wie es braucht, um kurz vor der Aufgabe doch noch weiterzumachen. Dies macht die Essenz von "I Care A Little Less About Everything Now" aus. Ja, das Leben ist enttäuschend, trist, traurig und zerbrechlich. Aber kein Licht ohne die dunklen Seiten. Und ja, es gibt noch etwas zu sagen, ganz entgegen dem Fragment des portugiesischen Schriftstellers Fernando Pessoa, das das Booklet des Albums ziert (grafisch in Zusammenarbeit zwischen Astrid Knie, Mimu Merz und Mira Lu Kovac selbst entstanden).
Anspieltipp: "You Can Go Now". Ob nach einer überwundenen Trennung oder der Einsicht, dass man jugendlich-naive Ideen endlich hinter sich gelassen hat. Der Herbst kann kommen. Und erst mal bleiben.
"I Care A Little Less About Everything Now" erscheint am 16. Oktober via Seayou Records. Das Release-Konzert findet am 17. im Porgy & Bess statt.