Der Prozess

2000 zog sich Siegfried Faschingbauer aus der Werbebranche zurück. 2006 entdeckte er die "Kornblume" im Knopfloch der FPÖ-Abgeordneten und es folgte eine zweijährige Auseinandersetzung mit deren zweifelhafter Vergangenheit. Die daraus entstandenen Arbeiten veröffentlicht er nun in einem Projekttagebuch.

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Der Projekttagebuch-Eintrag vom 21.3.07 zum Thema „Bandscheibenvorfall“ lässt einen noch denken: „Au weh. Jetzt erwischt es ihn gleich in der Anfangsphase des Projekts.“ Doch der zweite Vorfall (14.4.08) lässt vielmehr erahnen, dass das Künstlerleben auch ein Kreuz sein kann. Verstärkt wird es durch die beiläufige Aussage Faschingbauers, dass er froh war, als ihn der Arzt nicht wie die anderen Male ins Krankenhaus einwies.

Was dieses Beispiel auch zeigt, ist der äußerst persönliche Zugang, der sich in diesem Projekttagebuch findet. Man erfährt warum es zu dem Thema kam, wie er in Zusammenarbeit mit befreundeten Künstler und Künstlerinnen und sich selbst dieses ergründete und in Ideen und Werke brachte. So finden sich neben den Gedichten und Prosatexten (Leseprobe) auch e-mails und Zeitungsartikel, die gemeinsam eine feine Ahnung vom kreativen Prozess geben; zumindest vom Verlauf, den er bei Siegfried Faschingbauer nimmt.

Eine Inspirationsquelle ist die Kornblumen-Historie, in die gleich zu Beginn der Text vom 19.3.07 Einblick gibt: Für Kaiser Wilhelm I. war sie seine Lieblingsblume. Jahre nach dem kaiserlichen Ableben verbreiteten Fahrende Gesellen den blauen Bioindikator als ein Symbol für „Andersdenkende“. Und über diese Verwendung wurde daraus – um 1880 – ein Symbol für die antisemitisch und großdeutsch gesinnte Schönerer-Bewegung. Und aus deren Tradition wiederum wurde die Kornblume zum Erkennungszeichen der illegalen NSDAP.

Doch nun der Sprung ins Jahr 2006, wo sich die Blume während der konstituierenden Sitzung des Parlaments im Knopfloch der FPÖ-Abgeordneten fand. Wenn einem wie Siegfried Faschingbauer dies ins Auge sticht, kommt es zur Reaktion. Und auch wenn man die politische und menschliche Unzulänglichkeit dieses Lagers widerwärtig findet, verleitet die in den Texten oft erschreckende Schwarz/Weiß-Überheblichkeit zu einem Vorwurf, der Siegfried Faschingbauer nicht fremd zu sein scheint: „Der sieht alles zu rechts und zu schwarz. Doch das rührt mich nicht.“ Man neigt zur Frage, ob es das vielleicht nicht doch sollte?

Immerhin ergeben sich Fragen und nicht alle sind politisch. Bei manch amüsantem Eintrag würde man nur zu gerne wissen, was ihm da wohl gegen die Kreuzschmerzen verschrieben wurde?

Zwischen diesen unterschiedlichen Stimmungen pendelt die künstlerische Tätigkeit und wird der Alltag reflektiert. Dieser Prozess lieferte Schriftstücke und Gemälde, die der ansehnliche, zwischen zwei haptisch bemalten Hartkartonseiten eingefasste Projektbericht nun beinhaltet.

Kornblume. Projekt-Tagebuch von Siegfried Faschingbauer. Edition Keiper.

Infos zu Siegfried Faschingbauer auf der Autorenseite des Verlags.

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