Der Ringer im Interview: „Ich muss nicht verkörpern, was ich in einem Song singe“

Die Hamburger Band Der Ringer im Gespräch über Gefühle, Autotune und das Internet.

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© Markus Alexander Voigt

Sie singen über Liebe in digitalen Zeiten, spielen mit der großen Melancholie und stehen auf Autotune – ganz ohne Ironie. Die Hamburger Band Der Ringer spielt, nach eigener Bezeichnung, Soft Punk. Das ist mal verträumt, mal der Versuch brachialer zu klingen. Die Songs sind eine Auseinandersetzung mit dem Jetzt und der daraus resultierenden Überdosis von Gefühlen. 2014 waren sie mit ihren Song „Das goldene Ticket“ neben Messer, Die Nerven und Ja, Panik auf dem viel gefeierten Staatsakt-Sampler „Keine Bewegung“ vertreten. Damals erinnerte ihr Sound noch stark an die Hamburger Schule, die haben sie nun verlassen und machen sich auf zu neuen Ufern. Wir haben uns mit Sänger Jannik Schneider und Gitarrist Jakob Hersch im Internet verabredet, um über ihr Debütalbum „Soft Kill“ zu sprechen.

Eure erste EP „Das Königreich liegt unter uns“ ist schon 2013 erschienen, warum habt ihr bis 2017 mit eurem ersten Album gewartet?

Jannik Schneider: Angefangen haben wir schon 2008, aber die Musik musste sich weiterentwickeln, damit ein Album daraus entstehen konnte. Die Songs von 2013 haben den Charme der Hamburger Schule, das war noch nicht das, was wir wollten. Wir wollten warten bis es sich richtig anfühlt. Es gehört Mut dazu, sich von seinen früheren Einflüssen zu trennen und sich zu emanzipieren.

Euch wird von vielen Seiten ein erfolgreiches Jahr versprochen. Wie geht ihr damit um?

Jannik Schneider: Ich bin erst zufrieden, wenn die Leute zu den Konzerten kommen. Dass die Medienpräsenz da ist, ist natürlich schön. Die Vorhersagen aber nur an tollen Artikeln festzumachen, kann gefährlich sein.

„Soft Kill“ lautet der Name eures Debütalbums. Wie läuft denn so ein Soft Kill ab?

Jakob Hersch: Auf ganz unterschiedliche Art und Weise kann ein Soft Kill funktionieren. Es kann ein schleichender Prozess sein, den man gar nicht merkt, bis es zu spät ist.

Jannik Schneider: Ich hatte letztens ein interessantes Gespräch, da wurde ich darauf festgenagelt, ob wir einen Todeswunsch hätten. Die Vorstellung von einem Tod, der durch extrem viele Emotionen hervorgerufen wird. Ich sehe Kill eher als ein K.-o.-Schlagen.

Ich bin mir selbst unschlüssig, ob ich zu eurer Musik traurig sein möchte oder tanzen will.

Jakob Hersch: Möglichst alles. Und am besten noch wütend werden.

Jannik Schneider: Und dann umkippen.

Vor Autotune schreckt ihr nicht zurück. Zählt das zu den No-Gos in der deutschsprachigen Rockmusik?

Jakob Hersch: Wenn man Autotune in einem Genre benutzt, in dem es nicht hingehört, können die Leute teilweise nichts damit anfangen.

Jannik Schneider: Es gibt genügend Beispiele in der deutschsprachigen Musik, bei denen Autotune – zumeist auf ironische und lustige Art – benutzt wird. Wenn man sich bestimmte Hip-Hop-Tracks aus Amerika anhört, in denen Autotune verwendet wird, merkt man schnell, dass da nicht nur lustige Sachen dabei sind. Das kann total emotional sein. Die Verbindung des nicht Ernstnehmens von Autotune und einem Song, der ernst sein kann oder will, sorgt dann für Verwirrung oder Ablehnung.

Jakob Hersch: Gerade in der Rockmusik kann man jemandem vorwerfen, dass es nicht real ist, wenn man Autotune benutzt. Ganz ehrlich? Das ist so eine langweilige Perspektive.

Jannik Schneider: Da stellt sich die Frage nach Inszenierung und Posen. Zwischen den zwei Begriffen muss unterschieden werden. Es ist eine Entwicklung die stattfindet, in der Leute wieder zurück kommen wollen zum wahren Ich und dem wollen wir entgegenwirken. Wir haben gemerkt, dass es mehr Spaß macht die Netzwerke auf eine humorvolle Art zu nutzen als nur Informationen rauszuhauen. Wir nehmen uns da nicht sehr ernst. Die humorvollen Posts und die Melancholie in der Musik finde ich eine schöne Mischung. Ich muss nicht das verkörpern, was ich in einem Song singe.

Gerade in einem öffentlichen Raum, wie einer Internetplattform, muss es nicht das wahre oder intime Ich geben, dort kannst du jemand anders sein und es dir zusammenbasteln. Ich finde das nicht fake. Richtig kennenlernen kann man sich dann ja zu Hause.

Der Ringer © Markus Alexander Voigt

In „Apparat“ besingt ihr die Liebe im Internet. Kann eine Beziehung dort funktionieren?

Jakob Hersch: Klar. Ich denke zwar nicht, dass eine Beziehung, wenn man sich nie sieht, rein über das Internet funktioniert. Die erste Kontaktaufnahme klappt dort auf jeden Fall.

Jannik Schneider: Es gibt Hunderttausende verschiedene Arten von Liebe. Es gibt Beziehungen in denen die Körperlichkeit komplett fehlt, das wäre nicht viel anders als bei einer Beziehung, die im Internet stattfinden würde.

Jakob Hersch: Viele Leute halten das immer noch für eine kalte Sache. Die denken man müsste sich im realen Leben treffen, darf nicht zu viel Zeit im Internet verbringen und nicht zu oft auf sein Handy gucken. Das ist doch Quatsch.

Seid ihr Digital Natives?

Jakob Hersch: Noch nicht ganz. Natürlich bin ich mit Computern aufgewachsen, aber zu dem Zeitpunkt war das Internet nicht so ausgeprägt wie es heute ist. Wenn du jetzt aufwächst, kriegst du die volle Ladung ab.

Jannik Schneider: Bis ich 15, 16 Jahre alt war, hat das keine große Rolle gespielt.

Jakob Hersch: Bei WoW schon.

Jannik Schneider: Okay, stimmt.

Jakob Hersch: Ich musste bei meinen Eltern auf jeden Fall den WLAN-Router installieren.

Was könnt ihr gerade im Internet empfehlen?

Jakob Hersch: Ich finde die ganzen Bilder von Barren Trump, dem jüngsten Sohn von Donald Trump, super. Während sein Vater die Reden hält, steht er meistens traurig in der Ecke. Da wird oft drunter geschrieben, dass die Bilder tolle Shoegaze-Albencover wären.

Das Debütalbum „Soft Kill“ ist am 27. Jänner 2017 via Staatsakt erschienen. Für die Tour zum Album ist auch ein Termin in Wien angesetzt: 19. Februar 2017 im Rhiz.

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