„Der Zombiebestand hat sich erholt“

Die Kurzgeschichtensammlung „Das Buch der lebenden Toten“ ist die zweite Veröffentlichung aus dem Hause Evolver Books. Die gelungene Anthologie huldigt dem guten, alten Zombie.

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Vampire und ihre grauslichen entfernten Verwandten, die Zombies, sind wohl tatsächlich kaum umzubringen. Auf Leinwänden und Fernsehbildschirmen, in Computerspielen und Büchern erfreuen sich die Untoten einer ungebrochen großen Beliebtheit.

Doch im Gegensatz zu den Klassikern von einst sind die Vampire von heute meist jung, romantisch, chic, sexy, zu allem Überdruss auch noch sympathisch und massentauglich oder teenagertauglich aufbereitet. Ein nicht enden wollender Hype hat sich da aufgetan, wie die mehrteilige „Bis(s)-Saga“ von Stephenie Meyer inklusive Verfilmung, die mehrteilige „Tagebuch eines Vampirs"-Story von Lisa Jane Smith inklusive Fernsehserie, die mehrteilige „House Of Night“-Serie von Mutter Phyllis Christine und Tochter Kristin Cast (Verfilmung steht im Raum) oder die mehrteilige „Argeneau“-Serie von Lynsay Sands beweisen. Wobei sich diese Liste beliebig fortsetzen lässt…

Das Buch der lebenden Toten“ klammert die edlen Untoten aus und konzentriert sich ausschließlich auf die literarisch auch gut vertretenen, aber bei weitem nicht so ausgeschlachteten stinkenden, faulenden, dumpfen Zombies. Aber auch der gute, alte Zombie ist vom Aussterben bedroht, wie sogenannte „Zombies“ zum Beispiel in den Kinofilmen "28 days later", "28 weeks later" oder "Rammbock" beweisen: Denn dort sind Zombies mit einer Gabe ausgestattet, die sie eigentlich nicht besitzen sollten: irrsinniges Tempo nämlich, statt des angemessenen Schlurfens. Deshalb stellten die Macher der Netzzeitschrift evolver.at, als sie 2009 zu einem Zombie-Kurzgeschichten-Wettbewerb aufriefen, Bedingungen: Die Untoten mussten der alten Schule entsprechen und sich „altmodisch, schlurfend, hirnlos und nach Menschenfleisch gierend“ durch rund zehn Seiten bewegen. 249 dementsprechende Geschichten wurden eingesandt.

Mittlerweile betreiben Aktivisten aus dem Umfeld der Netzzeitschrift einen eigenen Verlag, dessen erste Veröffentlichungen sich mit Trash und Pulp beschäftigen. Science Fiction, Horror, Agententhriller und Groschenromane sind die Spezialgebiete von Evolver Books, „Das Buch der lebenden Toten“, herausgegeben von Thomas Fröhlich und Peter Hiess (Hg.), ist die zweite Veröffentlichung des noch jungen Unternehmens. Aus den 249 Beiträgen filterte eine Jury 21 Storys für die vorliegende Anthologie und eine zum Download.

Die Autoren (soweit man aus den Kurzbios erkennen kann zwischen 25 und 54) stammen aus Deutschland und Österreich. Das Spektrum reicht vom literarischen Debütanten bis zu solchen, die – wenn auch hauptsächlich in kleinen Verlagen – bereits mehrere Bücher veröffentlich haben.

Vielfältig wie ihre Verfasser sind ihre Geschichten, ihr Stil, ihre Machart oder der Einfallsreichtum dahinter. Manche vermögen zu fesseln, andere sind trashig, zum Schmunzeln oder zum Gruseln, blutig, appetitverderbend oder abartig. Aber alle vereint ein Merkmal: Sie sind kurzweilig und vergnüglich.

Ein paar Beispiele: Die Siegerstory „Frederika und der kleine Zombie“ von Sören Steding liest sich wie ein Märchen. Steding führt in kindgerechter Sprache in die idyllische Welt eines kleinen Zombies und seiner einziger Freundin, der Fliege Frederika, ein. Nach wenigen Seiten läuft der kleine Zombie in einem Kindergarten Amok. Der Amoklauf aber ist als Kontrapunkt zur sonst recht beschaulichen Geschichte mit explizit unappetitlichen Schilderungen garniert. In der rasant geschriebenen Story „Ronnies Vorrat“ bringt Ronnie seinen Drogendealer um, der sich kurz darauf zu einem Zombie verwandelt. Rundherum versinkt die ganze Welt im Chaos – aber Ronnie ist das alles total egal: Denn er hat Stoff und Fleisch genug: Nach und nach verspeist er den untoten Dealer… In „Herzensangelegenheit“ gehören Zombies mittlerweile zum Alltag, man kann qualitativ hochwertige Modelle im Fachmarkt und einfachere beim Discounter kaufen. Und es soll demnächst eine Beißkorbpflicht für Zombies geben, um Unfälle zu verhindern. Das gefällt dem nekrophilen Ich-Erzähler und Zombiebesitzer Karl gar nicht…

Schönes Buch, herrlich erfrischend und kurzweilig zu lesen. Macht sich gut in jeder gepflegten Horror-Abteilung.

"Das Buch der lebenden Toten"

erschienen bei: Evolver Books

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