Leo Widrich ist Co-Founder der Buffer App. Buffer ist Vorzeigekandidat, wie man als Startup allerlei Business Angels findet und auch Geld verdienen kann. Wir haben Leo Widrich in Wien zum Interview gebeten.
400.000 US-Dollar von Business Angels im Silicon Valley und ein Jahresumsatz von etwa 600.000 Dollar sind nur ein Teil des Erfolgs von Buffer. Der eigentliche Erfolg ist, dass die App gut gemacht ist und wächst; momentan hat sie eine Viertelmillion User. In nur sieben Wochen Aufbauphase hatte Buffer bereits die ersten zahlenden Kunden. Obwohl das Startup noch jung ist, hat es bereits eine bewegte Geschichte. Nach San Francisco und Hong Kong ist Tel Aviv das nächste Reiseziel.
Die App funktioniert dabei wie ein Zwischenspeicher für Social-Media-Inhalte, die über verschiedenste Kanäle gepostet werden sollen. So spielt sie über Facebook und Twitter konstant Posts aus, die zuvor in den Buffer geladen worden sind. Der Buffer wird vorher mit Tweets oder mit Postings gefüllt, und verteilt diese gezielt über den Tag oder die Woche. Buffer berücksichtigt dabei auch, wie viele Twitter-Follower oder Facebook-Friends gerade online sind, und ermittelt den idealen Zeitpunkt, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
The Gap hat den Co-Founder von Buffer Leo Widrich in Wien zum Interview getroffen.
Du hast dein Studium an der renommierten Warwick Business School geschmissen. Muss man, wenn man ein Startup aufzieht, alles auf eine Karte setzen?
Ich glaube man muss bei einem Startup alles auf eine Karte setzen, man muss aber – glaube ich – überhaupt im Leben fokussieren und alles auf eine Karte setzten. Es gibt keinen Plan B, du machst was dir am meisten Spaß macht, und sonst nichts.
Es hat funktioniert.
Bis jetzt funktioniert es ganz gut. Wenn ich scheitere rappele ich mich wieder auf und fange wieder von vorne an. Das ist meine Mentalität. Es ist kein Problem, wenn das irgendwann doch noch in die Hose geht, aber im Moment schaut es ganz gut aus.
Sehr untypisch für einen Österreicher.
Auf jeden Fall. Ich finde Österreich ist ein sehr risikoaverses Land. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum ich nicht in Österreich oder in Europa leben kann. Du musst das Risiko mit beiden Händen umarmen können. Wenn du das nicht machst, hast du keine Chance, dass du erfolgreich bist.
Innerhalb von sieben Wochen hat dein Kollege Joel Gascoigne es geschafft, mit der App Geld zu verdienen. Das ist sehr ungewöhnlich für ein Startup.
Es ist sehr ungewöhnlich. Es gibt im Silicon Valley jetzt ein Movement, das heißt "Lean Startup Movement". Es baut darauf auf, dass du so schnell wie möglich eine Validierung erhältst für alles was du machst. Anstatt dass du dich ins Kammerl setzt und ein Jahr lang etwas baust, wo du keine Ahnung hast ob das irgendjemanden interessiert, machst du das so schnell wie möglich in einer ganz shitty Art und Weise. Nur damit du irgendetwas hast, und versuchst Nutzer zu bekommen, damit du die Idee validierst. Es geht nicht darum, dass das Produkt schön ist, sondern darum, ob es ein Problem löst, das du dir ausgedacht hast.
Das hat er ganz toll gemacht, er hat viele Leute gefragt, bevor er es überhaupt programmiert hat. Hunderte von Leuten. Dann hat er es ganz einfach programmiert in sieben Wochen, und dann haben sofort 3, 4 Leute zu zahlen begonnen.
Also doch Marktforschung, bevor man überhaupt zu arbeiten beginnt.
Marktforschung in einem ganz bestimmten, userzentrierten Sinn. Du musst die Leute fragen: Was ist dein Problem wenn du Twitter verwendest? Wie kann ich dir helfen? Keine Gallup-Umfrage mit 100.000 Menschen. 50 bis 100 Leute, das ist genug. Du versuchst, sie zu interviewen, und sie zu verstehen. Es gibt einen berühmten Satz von Paul Graham:
"Build something people want".
Es hört sich so einfach an, ist aber irrsinnig schwierig. Du darfst nie den Fokus verlieren und glauben: Ah das ist so eine flashy Idee, die wird jedem taugen. Die Gedanke dahinter muss immer sein: Die Idee, die ich habe, interessiert kein Schwein. So gehst du an ein Startup heran. Dann fragst du Leute, was ihr Problem ist, und wie du ihnen helfen kannst.
Social Media-Inhalte werden über die App über den Tag verteilt geshared, damit zu Stoßzeiten nicht Hochkonjunktur ist. Damit die Timelines nicht geflutet werden und keiner mehr mit dem Lesen nachkommt. Wie funktioniert das genau?
Buffer löst das Problem, dass du präsent sein willst auf Twitter und auf Facebook. Du musst konsistent sein. Es macht keinen Sinn, wenn du einmal am Tag etwas postest, und dann für die nächsten drei Wochen nichts mehr teilst auf Facebook und Twitter. Joel hat mit Buffer eine Art und Weise geschaffen, wo du fünf bis zehn Artikel, die du gefunden hast, in deinen Buffer gibst, und sie werden von dort über den oder die Tage oder Wochen verteilt gepostet, sodass du sicher bist, dass jeden Tag deine Follower und Freunde was Neues von dir lesen. Du kannst so immer deine personal brand und business brand weiter aufbauen und promoten.
Es gibt schon andere Anwendungen, die das auch können. Was zeichnet Buffer aus, und was grenzt es von den anderen Plattformen ab?
Wir haben festgestellt: Es dauert irrsinnig lang und ist mühsam. Es gibt viele Apps, wo du eingeben kannst: Morgen, drei Uhr Nachmittags, Posten. Wir haben gesagt: das brauchen wir alles nicht. Anstatt "Tweet" oder "Teilen" zu klicken, klickst du Buffer. Wir übernehmen den Rest. Wir übernehmen, wann es rausgeht, wir helfen, eine optimierte Zeit zu finden, und das aufzuteilen.
Wie verdient ihr damit Geld?
Wir haben eine Gratisversion und eine bezahlte Version. Unser Art zu Denken ist: Wir wollen eine sehr gute Gratisversion haben, wir wollen niemanden locken. 98 Prozent unserer Nutzer werden immer das Gratisprodukt nutzen. Und wir wollen, dass es gratis ist. Das sind die Leute, die rausgehen und sagen: Ich verwende Buffer, das ist super und gratis. Sie gehen raus und erzählen es ihren Freunden. Irgendwann wird einer sagen: Pass auf, ich habe eigentlich fünf Facebook-Accounts, weil ich fünf Business-Pages manage und zwei Twitter Accounts von einer Non-Profit-Organisation. Wenn du mehrere zusammen managen willst, haben wir eine bezahlte Version, die zehn Dollar im Monat kostet.
Das Tolle an Twitter ist, dass man ohne Verzögerung mit Menschen kommunizieren kann. Killt Buffer nicht die Interaktivität, die Social Media ausmacht?
Man muss sich die eigene Präsenz immer genau anschauen. Wenn man sagt: Ich share nur mehr mit Buffer, dann wird es sehr monoton und statisch. Was wir herausgefunden haben ist, dass Leute zwei verschiedene Arten von Postings machen. Das eine sind Content-Tweets oder Content-Facebook-Shares. Das sind Sachen, die einen Link zu einer Sache enthält, die für dich interessant war und dir gefallen hat. Das andere sind persönliche Tweets. Wo du sagst: Ich arbeite gerade an etwas, habt ihr Ideen dazu, oder persönliche Fotos. Was wir herausgefunden haben: Leute haben den Drang, konsistent Content-Tweets zu publizieren. Unser Resultat ist, dass Leute dann angefangen haben, mehr Interaktivität zu zeigen, wenn sie Buffer nützen. Sie können sich auf die Konversation fokussieren, wenn der Buffer voll ist.
Richtet ihr euch damit an Heavy User, an Medienunternehmen oder auch Einzelpersonen?
Wir haben eine relativ diverse Nutzerbasis. Wir haben natürlich viele Kleinunternehmen, die sagen: "Ich muss auch ein bisschen was auf Facebook und Twitter machen." Die setzen sich am Sonntag hin und füllen den Buffer an, und haben was, was rausgeht. Auch viele berühmte Persönlichkeiten machen das. Armin Wolf macht das mit Twitter ganz gut. Er teilt immer konsistent tolle Sachen. Diese Twitter- und Facebook-Kuratoren, viele von denen nutzen Buffer, weil es für sie nützlich ist. Viele Leute wollen ihre personal brand aufbauen. Der einzige Weg ist, immer jener, großartige Informationen zu teilen, da ist Buffer auch sehr nützlich.
Was sind aber die nächsten Plattformen, die ihr anvisiert mit Buffer?
Wir wollen natürlich Google+ und Pinterest mit hineinnehmen. Das Problem ist, dass die ihre APIs noch nicht veröffentlicht haben, so dass wir auch zu diesen Plattformen posten können. Wir können aber umgekehrt von anderen Plattformen zu Twitter und Facebook posten, zum Beispiel Flipboard am iPad, oder anderen News-Apps. Dort wo du liest, möchtest du das in den Buffer geben. Sagen wir, du liest bei der Presse, beim Standard oder bei The Gap, liest fünf gute Artikel, willst aber nicht Copy-Pasten, sondern direkt von dort in den Buffer. Wir arbeiten mit vielen Websites und Developern, damit wir den Buffer Button dort hinein bekommen.
Zuerst wart ihr in den USA, habt dort 400.000 USD bei 19 verschiedenen Business Angels aufgestellt. Dann seid ihr hinausgeschmissen worden. Ist es nicht irgendwie pervers, dass ihr kein Arbeitsvisum bekommt?
Das ist eigentlich eine gute Marketingsache. Dadurch, dass es so schwierig ist, dass du dort ein Visum kriegst, will jeder hin. Du kreierst quasi eine scarcity, einen Mangel, und deshalb wollen die Leute rein. Wir (Anmk.: Buffer hat inzwischen 6 Mitarbeiter) haben gesagt: Ganz egal was bei uns passiert, wir sind immer guter Dinge. Wenn wir ein Jahr warten müssen, weil die uns jetzt das Visum nicht mehr geben können, dann schauen wir auf Google Maps, wo wir sonst hingehen können.
Nächster Stopp war Hong Kong. Warum Hong Kong, und wie wurdet ihr dort von der Szene aufgenommen?
Wir machen Google Maps auf und sagen "Wo ist es cool?" Wir brauchen nur unsere Laptops und sonst nichts. Okay, Hong Kong hört sich cool an, wir gehen nach Hong Kong. Die Startup-Szene dort ist sehr klein. Wir sind sehr gut aufgenommen worden, haben einige Vorträge gegeben und wirklich versucht, den Leuten dort mit ihren Unternehmen zu helfen.
Als nächstes kommt Tel Aviv. Warum seid ihr aus Hong Kong weggegangen?
In Hong Kong durften wir auch nicht so lange bleiben wegen des Visums und mussten dann wieder raus. Wir haben dann eine Liste gemacht, Google Maps aufgemacht. Auf der Liste waren Hawai, Rio de Janeiro, Tokio, New York, Tel Aviv und Thailand. Jeder hatte Vorlieben, wir sind dann auf Tel Aviv gekommenn, es hat tolles Wetter, eine gute Startupszene und ist auch relativ verrückt..
Österreich ist nicht wirklich als Nährboden für Startups bekannt. Wer kann, geht weg. Steht es für dich zur Debatte, mit Buffer nach Österreich zu gehen?
Nein, leider überhaupt nicht. Ich bin sehr gerne hier, aber für Startups ist es schwierig.
Jeder einzelne Punkt den du dir anschaust in Österreich muss dich zur Entscheidung bringen, dass du dein Startup nicht hier aufbaust.
Es ist sehr auf Großkonzerne zentriert, sehr stark sozial zentriert, sehr viel Bürokratie, wenn du was selber schaffen willst. Österreich ist sehr risikoavers. Es ist sehr schwierig, eine Early-Adopter-Crowd zu finden, deshalb ist das für uns nie zur Frage gestanden.
Es scheint euch wichtig zu sein, euer Wissen über Startups und deren Vermarktung zu teilen. Warum seid ihr so großzügig mit den Informationen?
Wir versuchen wirklich alles, um anderen Jungunternehmern zu helfen, die sagen: Ich gehe nicht diesen traditionellen Weg, wo ich sage: Ich studiere, dann habe ich einen Job, sondern: Mach einfach was du willst. Wo du wirklich aufgehst, wo du sagst: Es taugt mir so, dass ich es Tag und Nacht machen möchte. Ich habe ein persönliches Bedürfnis, diesen Leuten, die den Enthusiasmus und die Arbeit aufbringen, dabei zu helfen, was sie erreichen wollen.
Du bist ein Marketeer, ein Geschichtenerzähler. Willst du uns die Geschichte erzählen, wie ihr Guy Kawasaki, den ehemaligen Macintosh-Marketeer überzeugen können, euch mitzufinanzieren?
Es gibt dieses Wort im Englischen, das heißt serendipity. Es beschreibt einen Zufall mit unglaublichem Erfolgsresultat. Du gehst in ein Kaffeehaus in San Francisco, triffst jemanden, fragst ihn was er so macht, erzählst ihm, dass du gerade ein Unternehmen gestartet hast. Es stellt sich heraus: Das ist ein Investor, der dann 100.000 Dollar in dein Unternehmen investiert. Das ist diese Zufallskultur die es im Silicon Valley gibt – jeder trifft jeden.
Wir hatten einen sehr ähnlichen Fall mit Guy Kawasaki. Er hat einen Artikel von uns online gefunden, gepostet, und wir haben ihn kommentiert und uns fürs Posten bedankt. Wir haben uns nichts weiter dabei gedacht, sind zu einer Konferenz gegangen, und er war zufällig der Keynote-Speaker dort. Wir sind ins Gespräch gekommen und haben dann noch weiter gemailt. Er hat gesagt, dass ihm das taugt was wir machen, dass er an Bord kommen will und Berater werden will. So war das auch bei sehr vielen anderen. Natürlich ist es viel harte Arbeit. Wir hatten 150 Meetings, um ca. 19 Investoren zu bekommen. 9 sagen nein, und einen bekommst du herum, dass er investiert.
Joel ist der Programmierer, du der Marketeer. Welche Strategie war am effektivsten, dass Buffer so groß geworden ist?
Wir haben viele Gastbeiträge für andere große Webseiten geschrieben. Das war unsere Strategie, um Buffer groß zu machen. Wir wussten, dass wir keinen Traffic haben, andere aber schon. Entweder wir sagen zu den anderen Seiten, dass sie über uns schreiben sollen, oder wir bieten an, gute Artikel für die zu schreiben. Das ist die Art, wie wir das Momentum erhalten haben.
Ihr schreibt euch auf die Kappe, dass ihr Customer Service sehr ernst nehmt, und jedes Email in einer Stunde beantworten wollt. Wie funktioniert das in der Praxis?
Wir haben das immer schon versucht, Customer Service gut zu machen. Erst kürzlich haben wir beschlossen, dass wir fokussieren müssen. Wir machen zwei Sachen wirklich gut. Unheimlich gutes Customer Service, dafür weniger klassisches Marketing, und ein unheimlich gutes, aber simples Produkt. Das heißt, alle Programmierer versuchen, nur das Produkt ohne mehr Features zu adden, schöner und einfacher zu machen. Alle Marketingleute versuchen nur, besseres Customer Service zu geben. Wenn du gutes Customer Service geben kannst, brauchst du kein Marketing machen. Dann wirst du nämlich zu meinem Marketeer.
Deine Arbeit hat sich also vom Bloggen weg hin zum Customer Service bewegt…
Einer hat uns einmal geschrieben: Ich habe gehört euer Customer Service ist so gut. Ich habe überhaupt kein Problem mit der App, die funktioniert tadellos. Aber ich möchte wissen: Ist Wales oder Neuseeland näher zu eurem respektivem Nord- oder Südpol? Eine Frage aus dem Nichts heraus. Spannend ist dann, das auch wirklich zu beantworten. Es gibt einfach Leute, die Spaß haben mit uns, das ist dann, was Marketing ausmacht bei uns.
Danke für das Interview!
Für diejenigen, die sich vom Customer Service von Buffer überzeugen wollen, haben wir hier die Email-Adresse herausgesucht: hello[at]bufferapp.com