One Breath

Anna Calvi lädt zum Totentanz: Dystopisch-operettenhaft, schwelgend und von Pathos triefend und vor allem: Immer nahe dran an den Idolen Cave, Smith, Callas et al. Ein Album zum Ersaufen, voll zuversichtlichem Kummer.

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Es muss ein gewiefter PR-Wizard gewesen sein, der Anna Calvis Musik mit David Lynch in Verbindung gebracht hat. In Kaskaden zieht sich diese Analogie durch sämtliche Rezensionen mäßig inspirierter Musikjournalisten. Das wird wohl beim Neuling »One Breath« vorerst so bleiben, zu gut funktioniert der Vergleich: Dystopie, Ekstase und Verträumtheit sind Komponenten, die sowohl bei Lynch als auch bei Calvi mit Liebe zum Detail inszeniert werden. Anna Calvi ist ganz dick mit einigen Grandaddys zeitgenössischer Rockmusik: Entdeckt wurde sie von Brian Eno, Nick Caves Grinderman hat sie gemeinsam mit ihrer Miniband supportet (neben Calvi an der Fender Telecaster nur zwei weitere Musiker). Der Prince of Darkness wird sich wohl beim Hören von Anna Calvis teuflischer erster Single »Jezebel« einen Haxen ausgefreut haben. Als ob das für die Street Credibility noch nicht ausreichen würde, war Frau Calvi außerdem für den renommierten Mercury Music Prize nominiert.

»One Breath« schließt nahtlos an, wo der selbstbetitelte Erstling aufgehört hat: Krude Rockmusik, getragen von einer Fender Telecaster, der sich nachdrücklich eine subtile Schlafzimmerstimme einpflanzt. Hin und wieder bricht sie ins Arienhafte aus – die stimmgewaltige Maria Callas ist eines ihrer Idole. Weitere Referenzwerte für ihr sattes Flüsterstimmchen sind sowohl die Schweizer Diplomatentochter Sophie Hunger als auch Katie Melua. Nur dass sich Anna Calvi nicht auf so ausgelatschten Pop-Trampelpfaden bewegt. Denn zwischendurch furzen Bass oder Gitarre in das Klangbett. So, als würden Death From Above 1979 im Nebenraum proben. Gleich darauf werden die wüsten Gitarren aber auch schon wieder von Streicherbetten abgedeckt. Wie eine schwache Wut, die immer wieder ausbrechen kann, aber von einem kultivierten Herzen gebändigt wird. Anna Calvi wandelt sicher an diesem Abgrund entlang. Mit »One Breath« ist ihr ein starker Nachfolger gelungen.

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