Kill Me Please

Eine exquisite Euthanasieklinik als Auffangbecken und geordneter Abschluss abgewrackter Lebensläufe: Feinfühlig-skurriles S/W-Kino von Olias Barco.

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Eine Dürrenmatt’sche Schlossfantasie thront irgendwo auf einem Hügel in den kanadischen Wäldern. Das Setting ist aus der Novelle "Das Schloss" bereits bekannt. Bei Barco fungiert das Schloss als Residenz und Wirkungsstätte eines perversen, leicht weltverbesserungssüchtigen Arztes.

Dr. Kruegers Euthanasieklinik ist weltbekannt. Wer jedoch unter seiner Obhut den Löffel abgeben will, muss sich (neben prallem Konto und einem nach Ableben selbstverständlich in den Besitz des Arztes übergehenden Erbes) erst dem Assessment Center stellen. Dabei sind die Auswahlkriterien harsch, nicht jeder darf für die Begleitung beim freiwilligen Suizid Geld bei Dr. Krueger liegen lassen. Die "Klinik" versteht sich all inclusive: Ein Patient wünscht sich etwa, von einer hübschen Studentin ("Sophie") in den Tod gevögelt zu werden. Kurz vor dem Beischlaf verabreicht ihm Krueger das Gift: Drei Minuten hat der Mann, Sekt und Sex zu beenden. So wundervoll skurril die Szenerie auch sein mag – irgendwo im verklärten Niemandsland zwischen Jean-Pierre Jeunets "Delicatessen" und Eugene Ionescos absurdem Theater: Barco verschenkt kostbare Meter durch mittelmäßiges Storytelling. Lange wird ein Protagonist nach dem anderen in die Handlung eingeführt. Zweifellos alle interessant, zerfasert das leider die Erzählung; zu wenig klammert der Film an einem Irren. Auch der Arzt selbst eignet sich nicht als Handlungsträger. Neben den amüsant-affigen Suizidären wirkt der Doktor wie es die Ironie will fast leblos und antriebsschwach.

Das Unverständnis der Gesellschaft für die Idee des bewussten Suizids funktioniert schließlich (doch noch) als weiterer Handlungsstrang und verleiht dem Film schließlich eine Wende: Das Dorf lehnt sich gegen die Machenschaften des Arztes und seiner Irren auf, und das Kammerspiel nimmt eine noch groteskere Schräglage. Was Barco an Story verschenkt, macht er mit den wundervoll ausgearbeiteten gestörten Psychen seiner Irren wieder wett: Mittfünfziger aus besten Verhältnissen, die ihren Weltschmerz und ihr Selbstmitleid nicht mehr ertragen können wollen, junge Feschaks (ein Vincent-Gallo-Verschnitt, der am liebsten einen Feuertod sterben würde, dem eine Inszenierung des Vietnamkriegs als Todesszenario aber auch gut gefiele) aber auch transsexuelle, reiche amerikanische Rapper.

Wenn absurdes Kino gut gemacht ist, könnte es wie dieser Film aussehen. Nur an der Geschichte müsste man noch etwas feilen.

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