Es rumort in der Buchbranche: Zuerst haben große Ketten kleine Buchhandlungen verdrängt. Amazon setzt dem Buchhandel und nun den Verlagen mit dem Autorenselbstvermarktungsprogramm Kindle Direct Publishing zu. Und das E-Book wird den Rest erledigen. Aber geht’s dem Buch wirklich so schlecht?
Thalia ist der größte und umsatzstärkste Buchhändler Österreichs. Das spiegelt sich auch in der medialen Berichterstattung wider, die den Riesen oft als Stimmungsbarometer der Branche betrachtet. Und Thalia jammert: Nicht andere Buchhandlungen, sondern Amazon sei der größte Konkurrent. Während in Deutschland gerade 20 Filialen schließen mussten oder demnächst schließen, geht es Thalia Österreich wohl besser, er expandiert sogar. Aber mitten in einer großen Wiener Filiale residiert jetzt ein Computergeschäft, Unmengen Playmobil und Lego füllen ganze Regale. Wo sind die Bücher, die hier vorher standen?
„Das Angebot ging so gut wie gar nicht zurück“, behauptet die Filialleitung. Spielzeug gehört zum Konzept der sogenannten Themenwelten und das „funktioniert blendend“. Die Elektronikgerätschaften von DiTech locken zusätzlich Kunden. Klappt es also nur mit dem Buch nicht mehr so recht? „Dem Buch geht es nicht schlecht.“ Aber die zusätzlichen Angebote bringen mehr Leute in die Filialen, und mehr Umsatz. In den letzten beiden Geschäftsjahren gingen die Gewinne allerdings zurück. Um am Ball zu bleiben, investiert Thalia ungenannte Summen in sein E-Reading-Konzept und den Online-Handel. Letzteres mit Methoden, die wohl beim Kunden, nicht aber in der Branche selbst auf Zustimmung stoßen. Bekommt man nämlich einen Rabatt-Gutschein für einen Buchkauf im Netz, stellt sich die Frage nach der Wahrung der Buchpreisbindung. Umso verwunderter ist der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels, dass der Oberste Gerichtshof diese Methode gerade quasi legalisiert hat.
In die Nische ducken
Unbeeindruckt von all dem zeigt sich Anna Jeller, Inhaberin der gleichnamigen Buchhandlung in der Wiener Innenstadt. Seit 1985 führt sie die seit 1947 bestehende kleine Buchhandlung mit dem Schwerpunkt Belletristik. Das Geschäft läuft „bestens“, der Umsatz steigt. Wer professionell arbeitet und Nischen besetzen kann, merkt auch nichts von einem raueren Gegenwind, so Jeller. Statt eines Online-Shops gibt es auf der Homepage ausgewählte Buchtipps. Bei ihr kann man auch keinen E-Reader kaufen. Der Trend zum E-Book „existiert zweifelsohne“, sie bemerkt in ihrer Buchhandlung aber nichts davon und sieht ihn auch künftig nicht als Bedrohung. Und der unlängst entstandene Wirbel um die miserablen Arbeitsbedingungen bei Amazon ist gut für ihr Geschäft.
Wer überleben will, muss kreativ sein
Ein paar Zahlen: In drei der letzten vier Jahre erwirtschaftete der österreichische Buchhandel Umsatzsteigerungen – bloß 2011 gab es ein Minus. Die Zahl der Buchhandlungen lag 2010 bei 1160 (Tendenz leicht fallend, aktuelle Zahlen gibt es keine). 2012 gab es 1490 Verlage (Tendenz steigend) und laut Zählung der Statistik Austria 9533 Buchneuerscheinungen in Österreich – so viele wie seit Jahren nicht. Klingt alles in allem nicht schlecht. Doch die Digitalisierung schreitet voran: Verkauften 2010 17 Prozent der für eine Studie untersuchten heimischen Verlage E-Books, waren es 2011 bereits 32,2. Auch die Zahl der E-Book-Veröffentlichungen und der Umsatz – meistens auf bescheidenem Niveau von bis zu 5% des Gesamtumsatzes der Verlage – steigen.
Szenenwechsel: Absdorf in Niederösterreich hat 1800 Einwohner, die üblichen Gewerbeeinrichtungen, leerstehende Geschäfte – und die im November 2012 eröffnete, gut sortierte Buchhandlung Bücherturm. Absdorf wachse und entwickle sich, so Inhaberin Eva Weinlinger, deswegen hat man die Gründung gewagt. Wobei das Geschäft nicht nur Buchhandlung ist, sondern gleichzeitig als Büro für einige Nebenaktivitäten dient und auch lokale Anbieter ihre Produkte im Laden anbieten – was genau so wie die Buchpreisbindung zur Existenzsicherung beiträgt. Vor allem junge Familien, Ältere und solche, die persönliche Beratung suchen, kommen. Da das erste Jahr noch nicht um ist, gibt es noch keine Zahlen, um über Gewinn oder Verlust zu sprechen. E-Books sind in Absdorf kaum Thema: „Man kann einen E-Reader bei mir kaufen. Ich bin aber kein Fan davon“ und es gibt nur wenige, die danach fragen. Und Amazon? „Amazon hat an mich Kunden verloren! Ha!“. Der Amazon-Skandal kommt auch ihr nicht ungelegen.