Die Fans ins Boot holen – Direct-to-Fan-Services als neuer Weg in der Musikbranche

Mit Fanklub und Talentir setzen zwei noch recht junge öster­reichische Online­plattformen darauf, die Fans zu beteiligen, um Artists neue Einkommens­möglichkeiten zu erschließen.

Im Lockdown nahm es seinen Anfang. Als Corona die Welt lahmlegte, standen viele Musiker*innen plötzlich vor einem Problem: Ohne Livekonzerte hatten sie einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen verloren. Alternative Möglichkeiten für die Monetarisierung ihres Musikschaffens waren mit einem Schlag gefragter denn je. Es sollte nicht von heute auf morgen gehen, aber aus zwei der Ideen, die damals in Österreich gewälzt wurden, sind mittlerweile taugliche Direct-to-Fan-Services geworden, die durchaus das Potenzial haben, sich auf einem Musikmarkt, der mehr und mehr von dominanten Streamingkonzernen abhängig ist, zu behaupten.

Zum einen wäre da die Plattform Fanklub. Als »Weg zum musikalischen Grundeinkommen« beschreibt sich der Dienst auf seiner Website. Der Impuls dafür kam von Sebastian Król und Arne Thamer von der Hamburger Musikagentur Backseat, die sich damit an ihren Wiener Geschäftspartner Andreas Jantsch vom Label Las Vegas Records wandten. Das Prinzip: Abonniere deinen Lieblingsact und erhalte dafür exklusive Inhalte. Ab einem monatlichen Beitrag von 1,99 Euro können Fans mit dabei sein. Für die Künstler*innen ist die Nutzung gratis. Jantsch: »Es geht darum, die Superfans anzusprechen. Also jene Fans, die ihre Artists lieben, die bereit sind, Geld auszugeben für Tickets, für T-Shirts, für Konzerte. Und die im Idealfall in der Schule oder in der Arbeit erzählen, wie toll ihre Lieblinge sind.«

Analoge Freude

Als Anreiz für ein Abo bieten die Musi­ker*innen neben Greifbarem wie Konzert­tickets oder Merch auch Einblicke in ihre Welt, eine gewisse Nahbarkeit. Einer, der darin besonders gut ist, ist Ian Fisher. Der gebürtige US-Amerikaner lebt in Wien, seinem digitalen Fanklub macht er unter anderem mit Analogem wie Gitarrenstunden oder Postkarten eine Freude. Je engagierter ein Artist vorgehe, desto besser funktioniere das Konzept, erklärt Jantsch. Als Paradebeispiel nennt er eine Schweizer Band, die die Plattform als zentrales Tool zur Kommunikation mit ihren Fans ein- und dabei jährlich einen fünfstelligen Betrag umsetze.

Eine Anstoßförderung der Wirtschaftsagentur in der Höhe von 150.000 Euro half maßgeblich dabei, Fanklub aus der Taufe zu heben. Aktuell sei man mit rund 4.500 registrierten Fans und 130 Artists, von denen etwa die Hälfte aktiv ist, noch nicht rentabel – zehn Prozent der Aboerlöse bleiben im Unternehmen. Es gehe seit dem Launch im September 2022 sehr viel darum, Überzeugungsarbeit zu leisten, um neue Acts auf die Plattform zu bekommen. Das sei durchaus schwieriger als gedacht: »Musiker*innen sind halt faule Säcke«, meint Jantsch mit einem Augenzwinkern. Bei Innovationen seien sie eher zurückhaltend, das habe sich schon beim Thema Crowdfunding gezeigt. »Viele von ihnen wollen einfach nur Musik machen. Fair enough.«

Das Fanklub-Gründerteam: Sebastian Król, Andreas Jantsch und Arne Thamer (Bild: Karo Pernegger)

Wenn es das Ziel von Fanklub ist, das »Grundeinkommen« von Musiker*innen zu sichern, dann kann Talentir, die andere Direct-to-Fan-Plattform, um die es hier gehen soll, als niederschwellige Möglichkeit gesehen werden, in Artists zu investieren – und zwar vorerst einmal in deren Youtube-Videos. Das Wiener Start-up hat ein Co-Ownership-Modell entwickelt, das es Künstler*innen ermöglicht, Anteile an ihren Musikvideos zu verkaufen. Fans können so ihre Lieblinge unterstützen und werden überdies mit einer Beteiligung an den Werbeeinnahmen der Videos belohnt. Die Blockchain-Technologie macht’s möglich.

Eine Million Euro

Den beiden Talentir-Gründern Lukas Steiner und Johannes Kares – der eine hat als Mit­inhaber der Horst Group das Wiener Nachtleben um fünf Clubs bereichert, der andere bei Sennheiser einen Algorithmus mitentwickelt, der von einem namhaften Streaminganbieter fürs Audio-Processing eingesetzt wird – ist es dafür gelungen, in einer ersten Runde fast eine Million Euro von Investor*innen einzusammeln. Auch bei den beiden war das Stillstehen des (Club-)Kulturbetriebs Ausgangspunkt dafür, darüber nachzudenken, wie man Musik anders monetarisieren könnte.

Zur Zeit ist Talentir in einer Betaversion online, mit etwas mehr als einem Dutzend Videos. Grafiken in Grün oder Rot zeigen deren »Kurs«, also die Views. Daneben verraten Zahlen die Einnahmen der letzten 30 Tage. So hat etwa die in der Republik Moldau geborene und in Österreich lebende Violinistin Rusanda Panfili mit »Meditation from Thaïs for Violin and Piano« von Jules Massenet etwas über 200 Euro für sich und ihre 76 Co-Owners eingespielt. Und zwar allein im letzten Monat. Mit dem Verkauf von 22 Prozent ihrer Anteile am Video zu je 150 US-Dollar konnte die Musikerin überdies einen nicht ganz niedrigen vierstelligen Betrag von ihren Fans lukrieren.

Talentir-CTO Kares: »Wir geben Künst­ler*innen und Labels die Möglichkeit, frei zu entscheiden, wie viele Prozent der Rechte sie hergeben möchten und zu welchen Konditionen. Sie können auch Anteile verschenken, etwa im Gegenzug für Newsletter-Anmeldungen oder Social-Media-Shares.«

Lukas Steiner und Johannes Kares von Talentir (Bild: Oliver Jiszda)

Aktuell kuratiere man das Angebot auf der Plattform noch, weil gerade in der Start­phase eines solchen Projekts qualitativer Content wichtig sei. Über kurz oder lang stehe Talentir aber allen offen. Einzige Einschränkung: Um das Service nutzen zu können, müsse man auf Youtube Anspruch auf Monetarisierung haben, also auf seinem Channel mindestens 1.000 Abonnent*innen verzeichnen und zusätzlich entweder 4.000 Stunden Wiedergabezeit in den letzten zwölf Monaten oder zehn Millionen Shorts-Aufrufe in den letzten 90 Tagen.

Gemeinsam wachsen

Grundsätzlich sei es die Vision von Talentir, dass Künstler*innen ihre Fans mit ins Boot holen können, erläutert Kares: »Es gibt fast nichts Verbindenderes als gemeinsam etwas zu besitzen, gemeinsam etwas zu promoten, gemeinsam zu wachsen.« Als Miteigentümer*innen hätten die Fans natürlich ein gesteigertes Interesse daran, »ihr« Musikvideo unter die Leute zu bringen. »Das ist auch die Hypothese gewesen, mit der wir ins Rennen gegangen sind: dass die Co-Owners ein neuer Weg sind, Marketing zu betreiben«, sagt Steiner, der CEO des Unternehmens.

Dass Direct-to-Fan-Services immer wichtiger würden, davon ist man jedenfalls bei Fanklub ebenso überzeugt wie bei Talentir. Das zeige sich auch am Interesse der großen Marktteilnehmer*innen an den beiden Plattformen. Kares: »Ich glaube, die Major-Labels stehen vor demselben Problem wie zu Beginn des Streamingzeitalters. Sie checken, dass gerade etwas passiert – mit all den Artist-Labels und Distributoren. Aber ich glaube, sie checken nicht so ganz, was es tatsächlich langfristig bedeuten kann. We’ll see … Aber wir haben schon den Anspruch, da ein bisschen aufzumischen. Denn man kann etwas verändern und ich bin mir ziemlich sicher, es wird sich etwas verändern.«

Nähere Infos zu Fanklub findet man unter www.fanklub.com, die Betaversion von Talentir unter www.talentir.com.

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