Discodeine

Jungle machen auf ganz geheim. Man muss sich eben mit ihren unglaublich guten Soft-Disco-Songs zufrieden geben. Images sind ohnehin überbewertet.

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Auch ein halbes Jahr, nachdem sie von der BBC für die »Sound of 2014«-Liste nominiert wurden, kennt man nicht viel mehr als die Initialen von J und T alias Jungle. Lange gab es sie nur als 4-Song-EP, eine Single, Videos und Stammplatz in Musikblogs. Und tatsächlich ist ihre Musik erfrischend genug, um Gesichter zur Nebensache verkommen zu lassen. Außerdem ist es einfacher zu entscheiden, worüber man schreiben soll. Es bleibt einstweilen nur die Musik.

»Hard to believe they’re not black«

Im Interview verrät T, welche Musik er gerne hört: Philipp Glass, Gonzales, Curtis Mayfield, Shuggie Otis und Pink Floyd. Darauf basierend müsste also etwas rauskommen, das man Minimal-Space-Jazz-Funk-Soul nennen könnte. Den Space hört man als freien Raum zwischen den Beats. In ihren Songs steht der Bee Gees-Kopfgesang meist im Vordergrund. Er verleiht dem sanft gesponnenen Gerüst aus Tanz-Beat und Flächen-Orgel ihre Melodie. Details wie Sirenen und knarrende Türen fügen sich perfekt in das drückende Großstadt-Flair ein. Gitarren sind nur selten zu hören und wenn, dann als schrammeliges Etwas und des Rhythmus wegen. Sie holen mit Gespür für die genau richtige Menge Nostalgie den Soul in die Gegenwart, lassen dabei aber ihre Einflüsse nur subtil durchscheinen. Ein Youtube-Kommentar trifft es ganz gut: »It is really hard to believe they’re not black«. Vom Disco-Revival, das seit Jahren klein aber umso intensiver auf silbrig-blauer Flamme kocht, profitieren sie natürlich auch. Sie räumen den Sound auf und heizen die große Funk-Maschine mit dunkler Materie an. Gerade so als hätten Blood Orange, Can und The Rapture gemeinsam Codeine getrunken. Auf dem Album-Opener »The Heat« prophezeien sie ganz treffend: »Right on time, back by the beach / Still goin’ to bring the heat.«

Rollschuh-Disko

Über die Wichtigkeit von Musikvideos in Zeiten von Spotify und praktisch keinem Musikfernsehen kann man streiten. Jungle nützen diese, um ihren Hype voran zu treiben. Adidas hat jedes einzelne davon gesponsert. Nebensache, wenn man der sechsjährigen Terra beim Breakdancen zu »Platoon« zusieht. Oder man plötzlich unbedingt alte Rollschuhe anziehen will, nachdem man sieht, wie abgefahren (ha!) die High Rollaz auf den ihren zu »The Heat« tanzen. Für einige Zeit haben diese als Avatare in Videos und auf raren Fotos für Jungle herhalten müssen – mittlerweile weiß man natürlich, wie J und T aussehen, weil sie auf so ziemlich jeden Festival vom Glastonbury bis zum Unknown in Kroatien spielen. Und es ist genauso egal, wie sie es immer selber betont haben. Es geht um die Musik, und vor allem live machen Jungle unglaublich viel Spaß. Im Studio sind sie zu zweit, auf der Bühne stehen sie mal zu fünft, mal mit sieben Leuten. Die Variante mit Laptop und vereinzelten Instrumenten à la Disclosure haben sie bewusst gemieden. Es geht ihnen darum, Gefühle zu übermitteln. Für mächtigen Funk sind ja die Pausen wichtiger als die Töne selbst. Vielleicht stehen sie deshalb live relativ unbewegt herum. Damit du den Groove spürst. Betrachtet euch jedenfalls als eingeweiht. Jungle waren einmal ein großes Geheimnis mit guten Songs. Bald sind sie eure Lieblingsband, versprochen.

Das selbstbetitelte Album von Jungle erscheint am 14. Juli bei XL Recordings. Das vollständige Album wird hier bei Tape.tv gestreamt.

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