Dominiks Musikjahr 2017

Wie jedes Jahr bitten wir unsere MusikredakteurInnen zurückzuschauen. Wie auch im letzten Jahr gaben wir ihnen einige Kategorien zur Wahl, aus denen sie sich 5-7 aussuchen konnten. Lest hier, was Dominik gewählt hat.

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© Michaela Pichler

Es ist eine Crux mit Jahresrückblicken. Die Gefahr, relevante Dinge zu übersehen und –gehen, ist nicht zu vernachlässigen. Ein ganzes Jahr, hunderte gehörte Alben und noch mehr Lieder, wird reduziert auf eine bloße Liste. Nur das, was hier steht, scheint wichtig und gut genug gewesen zu sein. Sorgsamkeit bei der Auswahl als höchstes Gut, nichtauserwählte Stücke verschwinden sonst für Ewigkeiten im Nirwana der Streams, der mobilen Devices und verstauben in Plattenschränken. Jahrescharts sind das Destillat von 2017.

Die sieben besten Alben des Jahres. Gereiht.

1.) Paul Plut – »Lieder vom Tanzen und Sterben

Das ist keine Überraschung. Diejenigen, die mein Schreiben für dieses (und andere) Magazine verfolgt haben, mussten es ahnen. Der Steirer Paul Plut schreibt seinen Namen als Meilenstein in die Annalen des österreichischen Pops. Sein vollkommenes dunkles Album, teilveröffentlicht als Newsletter, ist ein Meisterwerk für die Ewigkeit.

2.) Die Regierung – »Raus«

Die Kombination aus Bandname und Albumtitel wird man 2018 wohl sehr häufig schreien müssen, was die Alt-Stars um Tilman Rossmy auf ihrem ersten Album seit 23 Jahren fabrizieren, sollte dagegen überall (an-)gelobt werden. Sanfter Indiepop der Hamburger Schule, der desillusionierte Bilder vom Überleben und Kämpfen mit sich selbst zeichnet. Traumhaft.

3.) Klez.e – »Desintegration«

»Wenn man sich Großes zum Vorbild nimmt, kann man nur scheitern.« Lug- und Trugschluss! Denn was Klez.e – auch die haben sich ganze sieben Jahre Zeit gelassen – in Anlehnung an das große Meisterwerk von The Cure machen ist ebenso großes Kino: Dunkler, aber luzider Wavepop, gekleidet in Ost-Metaphorik und ganz viel schwermütiger Kälte.

4.) Belgrad – »Belgrad«

Auch Belgrad sind nicht gerade auf der Bright Side anzusiedeln, auch ihr waviger Dark-Indie wusste 2017 mehr als zu überzeigen. Gegründet auf einer Osteuropareise sind auch der Gruppe aus Berlin, Hamburg und Dresden romantische Sichtweisen auf den alten Osten nicht fremd. Ohne Verklärung, aber mit gebührender Tristitia. Beklemmend gut.

5.) Chuckamuck – »Chuckamuck«

Auch die unterschätzteste, aber sympathischste Band der Welt ließ ihre Fans ein bisschen warten. Hat sich aber gelohnt. Das dritte Album bohrt sich direkt in die Herzen, wahrhaftig und langfristig. Wunderbare Lo-Fi-Kompositionen mit Hingabe, Talent und ganz viel Rock’n’Roll-Appeal. Dancy, fancy.

6.) Fortuna Ehrenfeld – »Hey Sexy«

Was Martin Bechler auf Langspielplatte zaubert, ist die Platte 2017 für die Momente, in denen man entweder besonders viel oder besonders wenig spüren will. Für bierselige »Zwischen 1 und 4«-Momente, für sehnsuchtsvolle Einsamkeiten und die Hoffnung darauf, dass alles wieder gut wird. »Hey Sexy« lässt zumindest Raum für Hoffnung, dass es so kommt.

7.) Love A – »Nichts ist neu«

Gut, wenn man sich auf gewisse Dinge verlassen kann. Leben ist sowieso scheiße genug. Love A wissen das auch, ändern das aber zumindest für diejenigen, die ihr viertes Album gehört haben. Drängender Post-Punk mit leichten Math-Anleihen, der längst seine Väter überholt hat. Für alle, die was zu sagen haben.

Die fünf besten Songs des Jahres. Gereiht.

Viele besten Songs sind bereits in oben genannte Alben inkludiert. Darüber hinaus gibt es einige, die 2017 zu einem schöneren Ort machten.

1.) Chuckamuck – »Sayonara«

Chuckamuck haben Chuzpe: Ihren besten Song – inklusive superem Video – nicht aufs Album, sondern auf eine Vorab-7“ zu packen, ist schon cool wie Hundeschnauze. Es ist der tanzbarste Indie-Song des Jahres, ich habe Menschen sehr schön dazu tanzen gesehen.

2.) Christiane Rösinger – »Joy of Ageing«

Verdammt gut gereimt. Christiane Rösinger erzählt vom Leben in der Midlife-Crisis, benutzt dabei wunderbare Metaphern, ist drängend und hypnotisch. Zeile des Jahres: »Alles Essig, alles Mist, wenn du aus Schwermut Forest bist.« Sehr toll!

3.) Molden / Resetarits / Soyka / Wirth – »Awarakadawara«

Ohne Schmäh: Neben den aktuellen Künstlern habe ich 2017 sehr viel Kurt Ostbahn gehört. Aber nicht nur daher ist »Awarakadawara« hier gelistet, sondern auch wegen seines bestimmenden Sogs, der immer wieder in seinen Bann zieht. Den Refrain kann man jetzt immer zitieren, wenn man sie verloren hat, seine Hawara.

4.) Andreas Dorau – Ossi mit Schwan

Ach Andi, du Hero! Ein neues Dorau-Album ist ja immer ein Hit, dieses skurril-grandiose Kleinod ein reines Geschenk an jene, für die Pop auch anders definiert werden kann. Andreas Dorau, der Grandseigneur der obskuren Liebeleien, zeigt, wie es geht. Glühendes Ohrwürmchen.

5.) The War on Drugs – »Holding On«

Ja, manchmal wird auch Englisches gehört. Aber wenn, dann bitte nur »A Deeper Understanding« und insbesondere diese wunderbare und dreamy, fast schon klassische Rock-Elegie, eine Symphonie auf die Musik an sich, haufenweise perfekt beherrschte Gitarren. Ganz große Kunst.

Die drei besten Konzerte des Jahres. Gereiht.

1.) Chuckamuck, 29.9.2017, Waves Vienna

Ja, schon wieder. Eine Band wie Chuckamuck kommt eben nur alle paar Jahre mal nach Österreich. Schon bei der Ankündigung Pipi in den Augen und der Hose, beim Konzert dann vor allem Schweiß trotz gefühlter Minusgrade im Schulhof einer HLW, mitten im 9. Du kannst einfach 2017 nicht besser tanzen als zu Chuckamuck. Wöd.

2.) Christiane Rösinger, 11.4.2017, Brut Wien

Die Zugabe: »Jeder ist in seiner eigenen Welt, aber meine ist die richtige!«. Der Refrain des Lassie Singers-Klassikers beschreibt das Leben im Brut: Egal, was und wer du bist, solang du hier bist, ist deine Welt die richtige. Kann man nicht anders sagen, die Rösinger weiß einfach wie es geht. Und das verdammt gut.

3.) Nitz-Fest, 8.-9.9.2017, Ternitz

Raus aus der Comfortzone! Die Völkerwanderung von ganzen Szenen nach Ternitz, die Kälte beim Warten auf den ersten Zug zurück, der Nervenkitzel beim Sektroulette und ganz viel sehr gute Musik. Es war anstrengend, es war ein sehr großes Abenteuer, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Bestes Aufeinandertreffen von Menschen.

 20.2.2017, live in der Grellen Forelle: Die Sterne präsentieren ihre Jubiläums-Album »Mach’s besser« und holen für ihren 2003er-Hit »In diesem Sinn« den zur lebenden Legende gewordenen Peter Hein auf die Bühne, seine Gruppe Family*5 hatte auf dem Tonträger die Nummer bereits gecovert. Vom Publikum zuvor wohl unerkannt, hat der flamboyant sexy gekleidete Hein mit dem ersten Wort alle auf seiner Seite. Und Frank Spilker sowieso.

Traurigster Moment.

Auch 2017 sind wieder einige Menschen verstorben, die die Popmusik der letzten Jahrzehnten prägten. Chuck Berry. Tom Petty. Und auch ein Österreicher, Wilfried Scheutz. Österreich trauert um einen seiner besten Musiker.

Dominik schreibt auch monatlich über seine Neuentdeckungen, zu lesen hier

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