Dorian Concept erforscht jetzt Erinnerungen. Er hat ein Album für die Indoor-Generation gemacht. Und er will sie mit genau gesetzten Brüchen hinaus in die Welt locken.
Der Pressetext fürs nächste Album schreibt sich von selbst, vom Opera Club ins Konzerthaus, dein Mahler-Album.
Ich kenne Mahler zu wenig. Ich höre viel Ö1 und merke, wie sich musikalische Themen in meinen Arbeitsprozess schleichen, wenn neben dem Abwasch Debussy läuft.
Du hast zwei Stichwörter für meine nächste Frage geliefert. »Dishwater« klingt anfangs nämlich impressionistisch.
Stimmt. Die Ruhe, die dem Chaos entgegensteht, war ein wichtiger Moment. Meine Assoziation ging aber eher in Richtung Big Band, ich hatte einen Bläsersatz im Kopf, aber es dann doch mit dem Klavier aufgenommen.
Was ist zwischen London und Sheffield passiert? Die Autobahn dazwischen nennt sich jedenfalls E13, wie eine Nummer.
E13.com ist eine alte Seite mit Web Art. Das erklärt vielleicht, warum der Künstler so hieß, der für Warp Records, die damals in Sheffield waren, gearbeitet hat. Viele Titel des Albums beschäftigen sich mit Verlorengegangenem. »The Space« bezieht sich auf einen Jazzclub in Neuseeland, den ich als Teenager besuchen wollte, den es aber nicht mehr gibt. Die Erinnerung und wie sie funktioniert ist ein größerer Themenblock auf dem Album. Ich habe einen Artikel gelesen, in der Erinnerung mit »stiller Post« verglichen wurde, sie ist weniger wie eine Schublade, sondern aktiv, wir beeinflussen und verändern sie. Wir sind alle unsere eigenen Fabulisten.
Findet sich das abseits der Titel in der Musik selbst wider?
Ja, es gibt einige Motive. Auf »You Give And Give« habe ich es in der abschließenden Akkordfolge geschafft, eine Kindheitserinnerung hervorzurufen. Auch bei »Mother’s Lament« war das so. Bei den Nummern wollte ich, dass sie ähnlich distanziert wie Erinnerungen klingen.
Und was ist dann das Piepsen ganz am Ende der Nummer?
(lacht) Das ist vielleicht das Aufwachen. Das gibt es auch in unserem Alltag, man wechselt von einem ernsten politischen Titel zu einem lustigen Meme, so wie das etwa John Oliver macht. Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist zerrissen, Inhalte reißen abrupt ab, viele innere Prozesse laufen gleichzeitig ab. Dieses Piepen kommt öfters vor. Es ist ein Neustart.
Fühlst du dich mit John Oliver eigentlich namenstechnisch sehr verbunden (Dorian Concept heißt bürgerlich Oliver Johnson; Anm. d. Red.)?
(lacht) Das habe ich noch gar nicht bedacht, wow, bin ich ab jetzt auf jeden Fall, eigentlich auch optisch.
Deine Musik klingt nicht wirklich politisch. Du sprichst dennoch immer wieder die Zeit an, in der wir leben, ihre Strukturen und Mechanismen.
Es gibt halt schon einen starken Trend hin in Richtung Abkapselung. Viele von uns sind schon in sich selbst gefangen, ich glaube, dass die Politik das natürlich auch versteht und sich dessen bedient. Mike Patton meinte einmal, dass jede Musik politisch ist. Mir geht es in Zusammenhang von Filterblasen, Gossip oder Fake News nicht um große Statements, sondern auf eine abstrakte Art darum, wie es sich anfühlt in dieser Zeit zu leben. Musik ist dieser sichere Ort, wir suchen darin nicht unbedingt die Konfrontation. Mir war es wichtig, keine Angst vor Reibung zu haben und ein eher forderndes als angenehmes Album zu machen.
Warum bist du von Ninja Tune zu Brainfeeder gewechselt?
Beide Labels sind verwandt und nutzen dieselben Kräfte. Beim letzten Album gab es schon Überlegungen in diese Richtung, ich bin mit Flying Lotus getourt, habe auf einer Nummer des Debütalbums von Thundercat Keyboards gespielt. Brainfeeder hat sich mit ihm und Kamasi Washington in eine andere Richtung entwickelt. Sie denken in einer Tradition von Jazz und stehen gleichzeitig weit außerhalb davon. Insofern hat es dort ideal hingepasst.
Wirst du auf Jazzfeste gebucht und wie wohl fühlst du dich dort?
Jazz ist als Musikbegriff sehr schwammig. Alle haben eigene Assoziationen damit, für manche ist es angenehme Hintergrundmusik, für die anderen eine Art Einstellung zum Leben. Mich hat die harmonische Sprache des Jazz immer sehr berührt und die Vielfalt an dem, was mit Akkorden möglich ist. Das hat mich zum Jazz gebracht und das habe ich ihm am ehesten entnommen.
Wie hat sich die Affine-Familie verändert?
Sehr und auch gar nicht. Affine hat als ein Label aus Freundschaft begonnen, aus einem Glauben an Qualität und Originalität. Jetzt nach fast eine Dekade haben wir, denk ich, unseren Sound verfeinert und erweitert. Vielleicht sind viele der alten Clubs weg, in denen wir gespielt haben, aber den Zusammenhalt gibt es noch immer. Auch wenn jeder seinen Weg gefunden hat, kann man immer noch von einem Affine-Sound sprechen. Vielleicht sind die Haare grau, aber sie sind alle noch da.
»The Nature Of Imitation« von Dorian Concept erscheint am 3. August 2018 beim Label Brainfeeder. Die CD-Version des Albums ist ab 17. August erhältlich, die Vinylversion ab 14. September.