Für sein Projekt And the Golden Choir hat Tobias Siebert alle Stücke selbst erarbeitet, alle Instrumente alleine eingespielt, sich selbst produziert. Abends steht er alleine auf der Bühne – bloß begleitet von seinem Plattenspieler. Schauen wir uns das an.
Wien, März 2015. Tobias Siebert betritt die Bühne, ganz in Schwarz, enge Hose, schlabberiger Pullover, wünscht schüchtern „Guten Abend“, nimmt einen Schluck Rotwein. Legt eine Schallplatte auf, die zu knistern beginnt, singt dazu ein kurzes Intro. Wieder Knistern. Schweigen. Stille im Lokal. Schluck Rotwein. Platte wechseln, Platte knistert, das nächste Stück beginnt, endet. Stille, nur das Vinyl knistert noch ein paar Umdrehungen. Applaus, Schluck Rotwein. Platte wechseln… Dieses intime Ritual hält das Publikum eine Stunde und 30 Minuten ordentlich bei Laune.
Siebert ist ein musikalisches Multitalent: 1999 bis 2012 spielte er bei der Gitarrenrock-Kombo Delbo Gitarre, seit 2002 ist er Sänger und Gitarrist der Indie-Pop-Rock Band Klez.e. Seit 2001 betreibt er das Radio Buellebrueck Studio (und hat u.a. Kettcar, Phillip Boa und Virginia Jetzt! produziert), er ist auch Mitbegründer des Labels Loob Musik. Mit seinem aktuellen Projekt „And the Golden Choir“ brachte er Anfang 2015 das erste Album „Another Half Life“ heraus, momentan tourt er mit seinem ersten Longplayer.
Du hast gerade ein Konzert im Wiener Clash gespielt. Wie hat es dir gefallen?
Es war sehr schön. Die Tische und Stühle waren besetzt! Die erste Tour zu meinem ersten Album läuft fantastisch. Ich hab viel alleine im Studio gearbeitet, dann fahr ich los und so viele Leute kommen, um sich das anzuhören. Das ist schon sehr spektakulär, muss ich sagen.
Führst du – mit Ausnahme von Delbo, die sich aufgelöst haben – alle zuvor erwähnten Tätigkeiten gleichzeitig aus?
Hmm… ja… Klez.es letztes Werk „Vom Feuer der Gaben“ und die dazugehörige Tour haben uns sehr glücklich gemacht und auch erschöpft, sodass wir beschlossen haben, ein bisschen Pause zu machen. Dann wurden in der Band hie und da Kinder geboren und ich habe mich auf das And the Golden Choir-Projekt gestürzt. Ich hatte schon lange die Idee, ohne andere Musiker im Studio zu sein, ganz alleine aufzunehmen und alles aus dem eigenen Kopf herausfließen zu lassen. Ich hab‘ 2009 fünf erste Stücke aufgenommen und bin damit auf Support unterwegs gewesen. Das hat so gut funktioniert, dass ich immer mehr Lust hatte, mich immer weiter und tiefer und tiefer in das Projekt zu stürzen.
Was hat dich denn zur Musik gebracht?
Meine Eltern waren sehr musikaffin, zuhause lief werktags ab sechs Uhr morgens immer Radio. Ich erinnere mich, am Sofa gesessen zu sein und zur Musik aus dem Radio getrommelt und gesungen zu haben, bevor ich in den Kindergarten gebracht worden bin. Ich muss so vier, fünf Jahre alt gewesen sein, da sang ich in einem Kauderwelsch-Englisch mit und hatte meine ersten Ohrwürmer. Später habe ich am Dachboden die Gitarre meines Vaters gefunden und herumgespielt. Irgendwann wurde klar: Musik wird ein wichtiger Punkt meines Lebens werden.
Ich habe auch ab sechs Uhr vor dem Kindergarten die Musik meiner Eltern gehört, ich habe auch die Gitarre meines Vaters am Dachboden gefunden, ich kann aber bis heute kein einziges Instrument spielen, hatte also den Zwang, mich mit dermaßen intensiv mit Musik zu beschäftigen, nicht. Du aber offensichtlich schon?
Ja, ich hatte und hab‘ einen sehr großen Zwang. Ich habe die Musik nie aus den Augen verloren, war in der Schule in der Chorgruppe, hab‘ mit Blasinstrumenten angefangen, hab‘ Trompete gespielt, später Akkordeon. Dann ist mir aufgefallen, dass es mit Gitarre in einer Rockband cooler wäre und erste Konzerte, die ich besucht habe, haben mich angefixt, auch auf einer Bühne zu stehen.
1992 habe ich in Berlin The Cure gesehen, in einer riesigen Halle, mit sehr vielen Menschen. Die Band kam und die Menschen flippten aus. Das war das erste Konzert, das ich alleine besuchen durfte. Von dem Moment an war für mich klar: Ich will unbedingt auf einer Bühne stehen, ich will Musik machen und will, dass Leute kommen, um mir zuzuhören. Ich wollte so wie ein Rockstar leben!
Dass das in Wirklichkeit alles ein bisschen anders ist und dass das heute natürlich alles ein bisschen anders ist, wurde mir dann schnell klar – aber toll ist es trotzdem. Und ich bin getrieben, immer Musik zu machen. Wenn ich nicht meine eigene Musik mache und auf Tour bin, bin ich im Studio und nehme eine Band auf.
Konzentrieren wir uns auf dein aktuelles Schaffen bei „And the Golden Choir“ und zerlegen wir mein Lieblingsstück „It’s not my life“. Ich habe das Gefühl, du vergleichst dich da mit einem ungenannten Gegenüber und schneidest schlechter ab als der andere?
Das hast du ziemlich richtig verstanden.
Hat das einen realen Hintergrund?
Nee. In dieser Geschichte geht’s um den Battle zwischen zwei Leuten, aber der eine merkt, dass es Einbildung ist, das schwarze Schaf zu sein. Weil es gibt gar kein Gegenüber. Das ist er selbst, in seinen besten, intensivsten Momenten, in denen er sich gut fühlt. Er ist nur das schwarze Schaf, wenn er nicht bei sich ist. Und am Ende, als er den Konkurrenten ausschalten will, stellt er fest, dass er sich gerade selbst ohrfeigt – und dass es einfach mal gut, mal schlecht funktioniert. Das konnte er zu Beginn bloß nicht trennen…