Eine Super-Muslimin macht noch keinen Sommer

Kultur ist Soft Power. Was kann also ein Comic mit einer muslimischen Superheldin überhaupt bewegen?

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Niemand hat für die Akzeptanz von Franzosen in den USA so viel getan wie Jean-Luc Picard, der Captain der Next Generation Enterprise. So in etwa könnte eine herrlich unnötige Diplomarbeit in Theaterwissenschaften oder an Publizistik beginnen. Denn seit die Cultural Studies es für wert befanden, sich mit Pop, Schund, Punk, TV und Massenkultur auseinanderzusetzen, sind nicht nur schon genau 50 Jahre vergangen, sondern in derselben Zeit ist auch ganz schön viel Blödsinn darüber geschrieben worden. Die Cultural Studies sahen in den ehemals dummen Arbeitern aktive Teilnehmer an Kultur, die selbst kreativ waren. Prinzipiell erfreulich, nur galt im Lauf der Zeit irgendwann auch schon jede Daily Soap als emanzipatorische Praxis und Empowerment. Nicht jeder Song über den dreckigen Alltag in einer Großstadt ist aber schon ein Aufruf, das zu ändern, nicht einmal jeder zehnte. Meistens bleiben die Menschen einfach auf ihren Ärschen sitzen. Und nicht jeder Film über Sklaverei bringt sein Publikum dazu, andere Ausbeutungssysteme zu bekämpfen. Interessant wird es allerdings dann, wenn es Leute ausnahmsweise doch einmal tun.

So muss man erst einmal draufkommen, dass ein US-Präsident auch schwarz sein kann. Filme, Bücher oder Games können dafür den Boden bereiten. Dabei ist die Geschichte vom schwarzen US-Präsidenten in der Popkultur gut dokumentiert. Schon 1933 träumte Sammy Davis Jr. in »Rufus Jones For President« davon. Trotzdem dauerte es noch fast 80 Jahre, bis die Serie »24« – die so prominent wie nie zuvor einen schwarzen Präsidenten an den Schalthebeln der Macht zeigte – dann kurz darauf Recht behalten sollte. Und genau dieselbe Serie war es auch, die auf der anderen Seite für ihre islamophoben Bilder kritisiert wurde.

Islamophob

Überhaupt waren die Nuller Jahre ein echter Tiefpunkt für muslimische Figuren in Ballerfilmen und -serien. Während etwa respektvolle Porträts von Schwulen oder Menschen mit allerlei Handicaps geradezu boomten, waren Araber häufig auf die Rolle des verschwörerischen Terroristen abonniert. »300« wurde für seine überzeichnete Darstellung vorderasiatischer Horden, die drauf und dran sind den Westen zu überrollen, kritisiert und war wohl gerade deshalb so erfolgreich. Auch die Serie »Homeland« schürte trotz einer aufwühlenden ersten Staffel unterm Strich eher Vorurteile, als dass sie für interkulturellen Dialog sorgte – selbst wenn die Terroristen und ihre Motive erstaunlich empathisch dargestellt wurden. Um ausgewogenere Bilder bemühten sich da schon Filme wie »Babel«, »Three Kings« oder das erschütternde »Incendies«. Natürlich waren diese dann beim Publikum deutlich weniger gefragt.

Empowerment vs Empowerment

Es gibt also zu jeder Figur, die gesellschaftliche Mauern einreißt, fast immer einen populären Gegenspieler, der diese an einer anderen Stelle wieder aufbaut. Besonders lustig ist es auch, wenn man sich selbst an jenem Ende wiederfindet, gegen das empowert werden soll. In Blockbuster-Filmen wie »Fetih 1453 – Die Eroberung von 1453« oder »Kurtlar Vadisi – Tal der Wölfe« sind es eben westliche Mächte, die degeneriert und korrupt sind, in denen die Role Models strahlende Alternativen dazu vorleben.

Menschen, die solche Pionierrollen schreiben oder spielen haben jedenfalls gute Chancen, dafür einen Oscar oder andere posthume Laudatios abzustauben. So wie Sidney Poitier, der die Rolle des selbstbewussten, fast kämpferischen Schwarzen in das US-Mainstream-Kino eingeführt hat. Oder Tom Hanks für seine Rolle im Aids-Drama »Philadelphia«. Natürlich sind dabei nicht alle fiktive Geschichten auch gleich erfolgreich. Kultur hat eher die Funktion eines Testballons, mal schmiert er ab, mal trifft er auf überwältigendes Feedback. Kultur bringt eben auch eine menschliche Seite in abstrakte Verhältnisse, dafür sind Kunst und Mythen eben besonders geeignet. Auch wenn man anmerken muss, dass es für die gesellschaftliche Akzeptanz unterm Strich immer noch wichtiger ist, ob David Alaba oder Ivica Vastic nun im Fußball-Nationalteam ins Tor treffen, Frauenfußball zu einer anständigen Zeit im Fernsehen läuft, der schwule Thomas Hitzlsperger ein Fußballspieler war oder ein fast ausschließlich schwarzes Team für Frankreich den WM-Titel holt.

»Ms. Marvel #1« erscheint im Februar weltweit bei Marvel Comics. Zur Coverstory geht es hier.

www.marvel.com

Bild(er) © Sana Amanat / Marvel Comics, Warner Bros., Tobis, Kinostar
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