In seiner Modekolumne »Einteiler« bespricht Gabriel Roland unter dem Motto »die österreichische Modeszene Stück für Stück« jeweils ein Teil aus einer Kollektion. Dieses Mal: einen Pullover mit Tasche von Sweatlana Del Rey.
Ein Pullover, das ist ein Kleidungsstück, bei dem man den Kopf durchwursteln muss, um es anzuziehen – und eine Tasche ist ein Behälter aus Stoff. Baut man beides zusammen, hat man einen Pullover, in den man etwas einstecken kann. Jetzt, nach dieser Erkenntnis, müsste nur noch der Name des Labels verraten werden, bei dem ihr besagtes und hier im Hintergrund ausschnittsweise abgebildetes Stück kaufen könnt, und wir hätten alle, nach dem doch überschaubaren Aufwand des Schreibens beziehungsweise Lesens nur einiger Zeilen die Möglichkeit, anderen, vielleicht erbaulicheren Formen des Müßiggangs zu frönen.
Die Ernüchterung folgt dieser ebenso verheißungsvollen wie versöhnlichen Option jedoch bedauerlicherweise mit unerbittlicher Promptheit. Es zeichnet sich gleich eine Reihe an Hindernissen ab. Zuvorderst die Vorstellung, vom erzürnten Chefredakteur, der betrogenen Designerin und dem umsonst bemühten Fotografen verfolgt zu werden. Das stellt ein gewiss bedrohliches Risiko dar, aber doch eines, das der Kolumnist mit Blick auf den ihn mit der p. t. Leser*innenschaft vollends verbindenden Genuss auf sich nähme – wäre da nicht noch eine weitere gefährliche Frage: Sind die eingangs gemachten Feststellungen überhaupt wahr?
Mit dem Kleidungsstück, das man über den Kopf ziehen muss, um es zu tragen, hätte etwa auch ein Snood gemeint gewesen sein können. Und etwas als »Behälter« zu bezeichnen, impliziert doch eine gewisse Funktionalität. Was wäre denn das für ein armseliges Behältnis, das nichts beinhalten kann? Dabei gibt es aber so viele sogenannte Taschen, die entweder so klein und eng sind, dass sie nur theoretische Mengen an Inhalt fassen können, oder die überhaupt nur Attrappen sind. In der Mode scheint der Begriff der Tasche also über ihre eigentliche Funktion der Aufbewahrung hinaus eine Art symbolische Bedeutung zu haben.
Funktionalität signalisieren
Jenseits ihrer tatsächlichen Verwendung signalisieren Taschen vor allem eines: Dass sie verwendet werden können. Oft werden sie auf eine Weise eingesetzt, die eine regelrechte Gier auf Verwendung, eine über die Verwendbarkeit hinausgehende Funktionalität suggeriert. Was Taschen hat, ist praktisch: eine Fischerweste oder eine Cargohose etwa. Gleichzeitig ist es eine geläufige Beschwerde, dass Frauengewand keine Taschen habe und daher unpraktisch sei. Aber ist eine Tasche, deren Hauptfunktion das Signalisieren von Funktionalität ist, nicht mindestens so unpraktisch wie eine abwesende Tasche? Das Praktische ist jedenfalls nicht alles, worum es geht.
Diese vertrackte Situation bedarf der Klärung. Glücklicherweise wird der letzte Absatz in Kürze seine Dea ex Machina preisgeben und diese wird wiederum den gordischen Knoten dieses Textes, wenn nicht zerhauen, so doch sanft zerfließen lassen. An diesem Punkt tritt Sweatlana Del Rey auf und zwar nicht, weil sie sich in einer Zeit lange vor den Pullovern der Sprachphilosophie gewidmet hat. Nein, sie tritt auf, weil sie Pullover macht. Einer dieser Pullover ist hier abgebildet. Es ist ein Pullover mit Tasche, das kann man ja sehen. Gut, dass wir ein so direktes Verhältnis zu unserem Gewand haben. Und gut, dass der Text doch so lang geworden ist, sonst hätte Sweatlana nicht auftreten müssen.
Wer sich für Sweatlana Del Reys Pullover oder zumindest für ihre erstklassigen Fotostrecken interessiert, folgt ihr unter @sweatlana.del.rey auf Instagram.