Empowerment ist eine Lüge. Instagram ein trojanisches Pferd. Ihr könnt mich eh gleich »OK Boomer« schimpfen. Aber heute kommt der Reminder, wie schlecht soziale Medien für unser Selbstbild sind, von mir.
Bis vor wenigen Monaten habe natürlich auch ich zu viel Zeit auf solchen Plattformen verbracht. Typisch millennialmäßig habe ich endlos scheinende Energien in das Kuratieren meiner digitalen Präsenzen gesteckt und mich dann über die Maßen über diese definiert. Und dann habe ich einfach meinen Instagram-Account deaktiviert und damit aufgehört. Es war nicht das Ende der Welt! Im Gegenteil.
Instagram und ich
Am Anfang sollte es nur eine kurze Insta-Pause werden. Das ist nun schon länger her, und trotzdem wird mein Daumen immer noch ganz träge, wenn ich ihn über dem lila Icon mit dem Farbverlauf schweben lasse. Ich kann mich schließlich noch gut daran erinnern, wie ich, nur vom kühlblauen Handyschein beleuchtet, durch die Tageshighlights von FreundInnen und InfluencerInnen swipe und mich dann wundere, wieso meine Laune kurz vorm Einschlafen immer in den Keller rasselt. FOMO, Neid und Selbstoptimierungsdrang vernebeln den Blick darauf, dass hinter jedem perfekten Selfie zig verworfene stehen und dass mir eure durch Instagram gefilterte Leben nur so glücklich vorkommen, weil auch ihr präzise auswählt, was davon die Welt sehen soll.
Doch nun interessiert mich keine Ich-AG, keine Personal-Branding-Strategie dieser Scheinwelt. Wenn ich wissen will, wie meine FreundInnen ihr Wochenende verbracht haben, muss ich zwar proaktiv schreiben oder gar anrufen. (Und Telefonate sind bekannterweise the worst!) Doch mit dem nötigen Abstand zu diesem Theater wird mir immer klarer, dass Zurückgehen keine Option ist.
Meine Ohren schlackern bei dem, was selbst in woken Bubbles auf Instagram passiert: Jeder feministische Ansatz bekommt automatisch einen neoliberalen Spin. Die allgegenwärtige Botschaft von Empowerment ist nichts anderes als ein trojanisches Pferd. Empowerment gibt sich als flauschige Selbstliebe aus, macht aber eigentlich nur Druck, sich kontinuierlich optimieren zu müssen. »Lean in«, forderte die Facebook-Managerin Sheryl Sandberg schon 2013 Frauen im gleichnamigen Karriereratgeber auf, sich in einer Welt, die ihnen ständig ein Bein stellt, doch einfach extra viel anzustrengen. »Feiere deine Dehnungsstreifen, verdammt!«, fordern mich Insta-Posts von Model-Oberschenkeln auf. Sie zeigen mir damit eine Schwachstelle, die mir nicht einmal bewusst war, und verlangen im gleichen Atemzug von mir, diesen vermeintlich wunden Punkt sofort zu embracen und zu ownen. Weckt mich bitte auf, wenn weniger fotogene »Mängel« im Trend sind.
Empowerment und Spätkapitalismus
Was macht Instagram da? Für 15 Minuten Fame stellen wir unser Leben, unsere Körper auf den Prüfstand der Crowd. Wir denken uns Schlagwörter wie »Body Positivity« aus, die nur weitere Kategorisierungen innerhalb des grundkaputten Systems sind, um dem anonymen Algorithmus gerecht zu werden. Jedes dieser Schlagwörter will immer etwas verkaufen, und wenn es nur ein Yoga-Top oder das eigene Profil ist. Der Spätkapitalismus zeigt seine hässliche Fratze.
Auch »Spätkapitalismus« ist natürlich ein Schlagwort. Wie bei anderen modisch-intellektuellen Begriffen, mit denen Philosophie-BachelorabsolventInnen wie ich gerne um sich werfen, bekommt man auch hier am besten anhand von Beispielen ein Gefühl dafür, worum es geht. Als die (Weiße) Überinfluencerin Kendall Jenner 2017 in einem Werbespot eine Demonstrantin mimte, die zu einem – der Black-Lives-Matter-Bewegung nachempfundenen – Protest stößt und einem Polizisten eine Dose Pepsi anbietet, zog sie den Hohn des selten so vereinten Internets auf sich. Kauf einfach etwas und schon sind alle politischen Probleme gelöst! Das legendär in die Hose gegangene Möchtegern-Luxusevent Fyre Festival: peak late capitalism. Aber auch das etablierte Musikfestival Coachella, das zum Stichwort für Fast-Fashion-Kampagnen geworden ist; teure Markenjeans mit beabsichtigten Rissen; der Wirecard-Skandal – allesamt Karikaturen eines Kapitalismus, der sich selbst auffrisst. Mir entgeht dabei nicht die Ironie, dass ich in der letzten Ausgabe ausgerechnet über feministische Börsenspekulation geschrieben habe.
Rosa Elefanten und andere Äußerlichkeiten
Instagram-UserInnen stellen sich und ihre Körper dem Werturteil der Crowd, auch wenn dies unter der Dachmarke der Body Positivity geschieht. Unsere gelassene Einstellung zum eigenen Körper hängt erst wieder davon ab, wie viel Zuspruch wir für den Hashtag-Aktivismus bekommen. Die Early Adopter sind freilich schon beim nächsten Schlagwort und feiern ihren vermeintlich wertbefreiten Zugang zu unterschiedlichen Körperformen als »Body Neutrality« ab. Das hat natürlich eine Daseinsberechtigung und ist für jedeN EinzelneN ganz sicher befreiend. Und trotzdem ist es nichts anderes als ein neuer Zwang, der einen alten ablöst. Finde deinen Körper jetzt sofort normal, sonst stimmt etwas nicht mit dir!
Wir reden damit erst recht wieder über das, was uns eigentlich egal sein will, und rücken Äußerlichkeiten bloß unter einem anderen Vorzeichen ins fotografische Online-Gedächtnis. Man kann nicht nicht an einen rosa Elefanten denken. Empowerment heißt, stets die beste Version seiner selbst zu sein, um dem unter ständig neuen Vorzeichen stehenden Wettbewerb am Content-Fließband des Spätkapitalismus standzuhalten. Wie anstrengend.
Astrid Exner ist per Mail unter exner@thegap.at sowie auf Twitter unter @astridexner zu erreichen.