Ende der Sprachapokalypse

Obwohl laufend Sprachmuseen errichtet und die österreichischen Dialekte zu Grabe getragen werden, sollte man sich davon nicht vorschnell in Panik versetzen lassen.

Sprache ist kein monolithischer Block

Ein bestimmtes Stadium einer Sprache festzuhalten ist also ebenso unmöglich wie unnötig. Ein Museum soll sammeln, aufzeigen, konservieren, archivieren. Wie passt das mit etwas so Lebendigem wie Sprache zusammen? »Um zu wissen, wo wir hingehen, sollten wir wissen, wo wir herkommen – das gilt auch und im Besonderen für die Sprache«, erklärt der Projektleiter von Sprachlust, Leo Fellinger. Sprachlust will als Museum zwar sammeln, aber damit nicht an Sprachzuständen festhalten, sondern sie transparent für alle aufbereiten. Mit seinen Ausstellungen, Vorträgen und Publikationen möchte das »Haus der Sprache« ein Forum, Archiv und Labor zugleich sein. »Geschichte und Gegenwart der deutschen und österreichischen Sprachlandschaft, die Entwicklungsbeobachtung regionaler Dialekte als auch die Beleuchtung der Sprachenvielfalt der Welt und ihre Bedeutung sind Kernthemen«, so Leo Fellinger.

Die Norm zum Selbstbewusstsein

Sprache hat also Geschichte und als solche überraschende Geschichten zu erzählen. Während etwa populistische Sprachpatrioten heute ein österreichisches Deutsch fordern, wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg vorübergehend gar nicht Deutsch, sondern die »Unterrichtssprache« gelehrt. Mit der Abgrenzung von allem Deutschen versuchte man sich auch aus der Verstrickung in die Verbrechen der sieben gemeinsamen Nazijahre zu lösen. Der Kampf um die österreichische Identität war eng verbunden mit der Verdrängung von Schuld. 1951 erschien erstmals das österreichische Wörterbuch. Aber ehrlich: Wer schlägt tatsächlich in so einem Normbuch wie dem österreichischen Wörterbuch nach? Eine Nacht- und Nebelaktion im Jahre 1995 hatte insofern auch nur symbolischen Wert: Äußerst kurzfristig wurden im Zuge des EU-Beitritts 23 kulinarische Begriffe als typisch österreichisch berücksichtigt. Solche vergessene Geschichten kann ein Sprachmuseum sammeln, mit Bildern versehen, lebendig machen.

So wie es bei Cordoba nicht um Fußball geht, so geht es bei Austriazismen auch nicht um Kommunikation. Austriazismen sollen österreichische Eigenheiten herausstreichen. Dass es tatsächlich eine Bewusstseinsbildung braucht, davon ist auch Leo Fellinger überzeugt: »Wir erleben gegenwärtig zum einen ein globales Zusammenrücken im Sinne einer zunehmenden Verstädterung und zum anderen ein Auseinanderdriften der Kulturen. Die Menschen sehnen sich in dieser Situation nach mehr Identität. Die Frage, wie das ausgedrückt wird, ist vielfältig – aber Sprache ist ein wichtiger Aspekt dabei.«

»Sprachlust«, das temporäre Haus der Sprache in Seekirchen, hatte im Mai 2014 zehn Tage lang geöffnet. Der Verein ist weiterhin aktiv. In der Urania in Wien findet am 28. Juni die Tagung »Deutsch 3.0 – Perspektiven auf und aus Österreich« mit Vorträgen und anschließender Podiumsdiskussion statt.

i>www.sprachlust.at

Bild(er) © Thomas Albdorf / Håkon Ohlgren
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