Erkenne den Money Boy in dir

Die Marke Money Boy steht seit nunmehr fünf Jahren für Swagger-Rap aus Österreich. Aber was wäre, wenn das Herz des Boys unter all den Chains für postmoderne Medienkritik schlägt?

„swag am haven ähmlich wie 1 swag Boy“

Dieses Kippen des Verhältnisses von Form und Inhalt zugunsten ersterer entfaltet sich voll und ganz auf Twitter. Größtes Augenmerk liegt auf der Frequenz der Tweets sowie einem überaus dynamischen Repertoire an Formalismen. So werden beispielsweise beim Tippen am Handy häufig auftretende Fehler („Albung“ statt „Album“, „bim“ statt „bin“) und das Ersetzen von möglichst vielen Wortteilen durch „1“ bewusst zur Überformung des Mediums eingesetzt. Genauso werden aus dem Englischen importierte Worte mit im Deutschen ungewöhnlichen Satzkonstruktionen („Ich bin den swag am haven ähmlich wie 1 swag Boy/Und deswegen tut von Gucci be-en meine Bag neu“, @therealmoneyboy am 18.8.2014) gemischt. Auch Sprache ist nicht mehr als ein frei zu Verfügung stehender Code.

Das Spiel mit der Authentizität

Der Inhalt bleibt dabei nicht lediglich auf der Strecke, er fällt vielmehr einer totalen Umkehrung anheim. Anstatt als eigentliche Botschaft die Beschaffenheit der Äußerung zu bestimmen und diese als Medium zu verwenden, ist der Inhalt hier darauf reduziert als austauschbare Substanz für das Spiel mit Formalismen zu dienen. Das ist natürlich empörend für all jene, die von einer Einheit von Inhalt und Form ausgehen, die dann oft Authentizität genannt wird. Diese ist, nicht nur im Pop, ein schwer definierbares Konstrukt: zum Beispiel, wenn Slim Jesus zum Beispiel nach seinem plötzlichen Erfolg mit „Drill Time“ zugeben muss, dass er in seinem sogenannten echten Leben gar keine Menschen erschießt.

Alles löst sich in Swag auf

Auch Money Boy hat zu dem Beat von „Drill Time“ einen Track aufgenommen, die Frage, ob er tatsächlich irgendjemanden bei Tageslicht shootet, wurde aber nicht gestellt. Schon längst ist klar, dass Meisinger/Money Boy nicht nur seine Musik, seine Sprache und seinen Social Media-Auftritt als postmoderne Versatzstücke sieht, sondern dass er auch seine eigene Identität als mediales Vehikel auffasst und damit Kategorien wie Authentizität völlig transzendiert. Es geht also tatsächlich nur um die formalen Aspekte, also die Musik, der Inhalt kann genauso gut von Ghostwritern geschrieben werden, ist demnach weitgehend beliebig.

Gleichzeitig ist es aber keineswegs selbstverständlich, dass es anderen gefällt, wie Money Boy den Inhalt abschafft. Die bewusste Provokation mit Themen wie Pädophilie, die Verehrung von Andreas Lubitz oder die meist widerspruchslos als formales Mittel angewandte Homophobie und der ebenso grassierende Sexismus machen diese postmoderne Auflösung der Begrifflichkeiten oft schwer verdaulich. Andererseits passiert kaum etwas ohne die dazugehörige Brechung. Tipp: Man höre sich Money Boys Version von „Choices“ gefolgt von seinem Track „Juicy Gay“ an.

Erkenne den Money Boy!

Die fortschreitende Ablösung der Form vom Inhalt und das Hinterfragen von als authentisch empfundenen Identitäten ist eine zeitgenössische Gegebenheit, die selten augenfälliger wird, als wenn uns zur Beschreibung von Befindlichkeiten zuallererst ein Emoji in den Sinn kommt, oder wenn im scheinbar konsequenzfreien Raum des Internets sozialisierte Jugendliche glauben, eine Vergewaltigungsdrohung sei ein Witz. Zu dieser Realität erstellt Money Boy etwas wie einen laufenden Kommentar. Indem er Ausdrucksformen und -kanäle kompromisslos auf die den Medien inhärente Weise benutzt, führt er uns – willentlich oder nicht – die Absurdität unserer Kommunikationsformen als Teil der conditio humana des frühen 21. Jahrhunderts vor. Man muss nur bereit sein, sich selbst in Money Boy zu erkennen.

Money Boy tourt mit seiner Glow Up Dinero Gang durch Österreich und Deutschland – in der Heimatstadt Wien performt er am 23. Oktober in der Arena. Er veröffentlicht laufend neues Material über YouTube und moneyboy.at. Um am neuesten Stand zu bleiben, empfiehlt es sich @therealmoneyboy auf Twitter zu folgen.

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