Es muss sich gerade ziemlich gut anfühlen, Jack Garratt zu sein

Anders als alles andere, aber dann doch auch ein bisschen wie alle anderen: das spritzige Debüt eines Newcomers, der eigentlich keiner ist.

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Als Aushängeschild moderner Hipster-Musik gefeiert, von Kritikern, Musikjournalisten und Festivalveranstaltern auf den ersten Platz der BBC Sound Of 2016-Liste gewählt: an Jack Garratt wird dieses Jahr kein Weg vorbei führen, soweit sind sich alle einig. Der 24-jährige Brite reiht sich damit ein in den Kreis von Adele und Ellie Goulding, Little Boots und Sam Smith, sie alle waren in den letzten Jahren als Sieger der weit über Großbritannien hinaus beachteten Umfrage hervorgegangen.

Dass alle von ihnen dann auch tatsächlich sehr erfolgreich waren; muss nicht unbedingt verwundern, wird die Prognose von BBC Sound Of doch immer wieder als Self-Fulfilling-Prophecy kritisiert, als Instrument der Musikindustrie, um Newcomer zu vermarkten. Für 2016 ist die Auswahl allerdings bereits auf den ersten Blick etwas gewagter ausgefallen als sonst, mit unter anderem Mura Masa und der großartigen Nao unter den ersten fünf. Und auch wenn mit Jack Garratt natürlich wieder ein unbestritten kommerziell ausgerichteter Künstler den ersten Platz belegt hat, ist er doch eine angenehm erfrischende Abwechslung zu den Gewinnern der Vorjahre.

Sein halbes Leben lang macht er schon Musik, sagt Garratt über sich selbst, und übertreibt dabei kein bisschen: bereits 2005, im zarten Alter von dreizehn Jahren, bewarb er sich in der nationalen Auswahl für den britischen Slot beim Junior Eurovision Song Contest, landete allerdings am achten und letzten Platz. Später, während seiner Studienzeit, schrieb er weiterhin Songs, arbeitete an einem Blues-Album, das er allerdings bald wieder verwarf – und das Studium gleich mit. Anstatt Volksschullehrer zu werden, veröffentlichte er im Herbst 2014 seine erste EP »Remnants« auf Island Records, einer Tochter von Universal Music: mit »Worry« war auf dem sonst eher semi-spektakulären Release bereits ein erstes Meisterwerk in die Welt gesetzt, das auch später am Album unübertroffen bleiben sollte.

Schon im nächsten Jahr folgte eine weitere EP, Auftritte beim Apple Music Festival in London und Headline-Slots auf der BBC Introducing Stage von Reading und Leeds, zwei der größten UK-Musikfestivals, außerdem Support für Mumford & Sons. Kurz, man baut große Stücke auf Jack. Noch lange vor der Veröffentlichung seines ersten Albums hatte er sich bereits eine große Fangemeinde erspielt und sämtliche Shows seiner ersten Tour durch Großbritannien ausverkauft. Natürlich ist bereits viel mehr für Europa und die USA geplant.

How to make a hit record

Mit »Phase« legt der Multiinstrumentalist nun sein Debütalbum vor, selbst geschrieben, eingespielt, aufgenommen und nach eigener Aussage auch großteils in Eigenregie produziert – die Verwandlung vom gitarrespielenden Liedermacher zur hippen One-Man-Show, blumige Kappen und Vollbart inklusive, ist vollbracht. So stehen bereits am Anfang von »Phase« verspielte Jazz-Akkorde, Lo-Fi-Knistern und fragile Vocals – bald setzt Garratt aber das Brecheisen an, ein knarziger Synth rumort unbändig am unteren Ende des Frequenzspektrums, staccatoartige Hi-Hat-Salven waschen darüber hinweg und der beeindruckende Dynamikumfang seiner vollen Stimmgewalt offenbart sich: gerade noch intime, gehauchte Passagen, plötzlich kompressorartige Refrains. Was wurde eigentlich aus Herbert Grönemeyer?

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