Leerstand soll geöffnet werden, auch für Flüchtlinge. Die IG Kultur beschäftigt sich schon länger mit dieser Forderung. Weil sie in einem größeren Kontext gesehen werden muss.
Anfang Oktober habt ihr eine größere Demonstration veranstaltet, bei der die Forderung nach Leerstandsöffnung zentral war. Gab es seitdem Erfolge?
Wir haben eine Bürgerinitiative und eine Petititon ins Leben gerufen, einmal auf Gemeinde- und einmal auf Nationalratsebene. Der Nationalrat hat das auch für eine relevante Fragestellung befunden, wir sind gespannt was dabei rauskommt. Die Beantwortung auf Gemeindeebene war eher mau, die heißen Fragen wurden ausgespart. Aber seit wir uns mit dem Thema beschäftigen, ist es allgemein mehr Thema geworden. Es gibt mehrere Initiativen und Gruppen, die sich dem angenommen haben. Sowas kann nur gemeinsam gelingen.
Die IG Kultur hat sich in dem Bereich einen Wissensstand angeeignet. Wir erhalten viele Anfragen aus dem wissenschaftlichen Bereich, ein großes Medienecho, oder werden in politische Diskussionen einbezogen. Dass die Stadt Wien beschlossen hat, wieder Gemeindebauwohnungen zu bauen, ist beispielsweise eine gute Entwicklung. Wir waren eine von vielen Gruppen, die das gefordert haben. Eine Agentur für Zwischennutzung wurde ins Leben gerufen, da wird noch dieses Jahr entschieden, wer die Beauftragung bekommt und ich glaube, wenn man sich den Ausschreibungstext anschaut, dann ist da schon einiges von dem drinnen, was wir wollten. Es gibt auch immer noch Sachen, bei denen wir denken, dass sie in eine falsche Richtung gehen. Aber zumindest hat sich der Diskurs differenziert und es gibt mehr Problembewusstsein. Wir haben gelernt, dass man wirklich lästig sein muss und auch eine gewisse Kompetenz im Thema braucht.
Es gibt viele Initiativen, die Zwangsräumungen verhindern wollen, es ist ganz wichtig, dass es hier auch einen Schutz gibt. Da gibt es zahlreiche Bezüge zur Kulturszene und darüber hinaus. Ein aktuelles Beispiel ist das Moë. Auf politischer Ebene wird endlich thematisiert, dass es kulturell unterversorgte Bezirke und Regionen in Wien gibt. Ein soziales und kulturelles Netzwerk muss flächendeckend bestehen. Seit wir dazu arbeiten haben wir so viele Anfragen bekommen, dass es nochmal sichtbarer geworden ist, wie viele gute Ideen in dieser Stadt nicht realisiert werden können.
Es zeigt sich im Moment in den bemerkenswerten solidarischen Aktionen die Bereitschaft zur Selbstorganisation, nur die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Niemand hat was dagegen, sich zu engagieren, aber wenn es für alle immer prekärer wird, dann ist es eine gefährliche Tendenzgesellschaft.
Gibt es auch positive Beispiele, wo Leute ihren Leerstand zur Verfügung stellen?
Das ist österreichweit passiert. Es gibt wirklich viele Privatpersonen, die ihre Wohnungen, oder das Zimmer, dass sie nicht brauchen, zur Verfügung stellen. Aber auch Leute, die irgendwo Gutshäuser am Land hatten und gesagt haben: „Ja, wir richten das jetzt endlich her“. Gerade bei größeren Immobilien wurden den Leuten oft Steine in den Weg gelegt, weil in Österreich größere Quartiere fast nur von großen Trägern verwaltet werden. Da gibt es zahlreiche Auflagen, zum Beispiel muss man ab einer bestimmten Anzahl an Betten ein Hotelbetrieb sein oder eben ein sozialer Träger.
Trotzdem gab es sehr viele private Menschen, die da massiv unterstützt haben. Das ist auch ein Problem von dieser Angstpolitik- es wird nicht gezeigt, dass es für viele eigentlich passt und cool und spannend ist. Natürlich gibt es auch große Immobilienfirmen, die ihre Räume zur Verfügung stellen, aber auf Dauer sind die großen Quartiere nicht die Lösung, weil da die Trennlinie zwischen „wir“ und „die Anderen“ viel zu schnell gezogen wird.
Warum findet ihr es wichtig, dass Kulturpolitik auch Asylpolitik ist? Oft wird zwischen Kultur und Sozialbereich ja eine Trennlinie gezogen.
Diese Segmentierung ist eine Strategie des Kapitalismus. Die Förderpolitik wiederholt den Fehler. Das Dinge zu wenig zusammen gedacht werden, ist ein Riesenproblem. Es fehlt eine Offenheit von einem Kulturbegriff, es wird immer technokratischer, immer segmentierter. Politik hat ja nicht das größte Interesse daran, dass Widerstand größer wird. Insofern macht es natürlich Sinn zu segmentieren, wobei das ja kein Fehler des Wiener Gemeinderats ist, sondern ein weltweites Problem. Die Verbindung war in der autonomen Kulturszene immer schon da.
Es ging immer schon um soziale Fragen: Wo kommt jemand her? Wie geht es uns? In welchem Zustand ist die Welt? Alle die Projekte machen mit Leuten die nicht aus dem europäischen Raum kommen, sind zwangsläufig mit absurden Gesetzeslagen konfrontiert, die es manchmal auch schwierig machen, diese Menschen einzubinden. Das schärft natürlich den Blick. Die Leute in der autonomen Kulturszene setzen sich schon seit Jahren für offene Grenzen ein. Es geht einfach um Freiheit. Die Freiheit von Kunst kann nicht ohne die Freiheit aller Menschen funktionieren. Dann wäre der Anspruch absurd.
Mehr Infos zum Thema gibt es hier. Wir haben auch ein Interview mit dem Mo.ë geführt.