Kaffeesatzlesen aus den Byte-Trümmern der Zukunft. Electronic Task Force bringt News aus Techno, Bass, Beats, House und der elektronischen Avantgarde. Obacht!
Gut zwei Monate ist her als die letzte Ausgabe dieser unregelmäßig erscheinenden Kolumne erschienen ist. Und zu viele wunderbare Releases blieben dabei unerwähnt. Das ziehen eines temporären Schlussstriches soll Einhalt gebieten – wenn auch nur vorübergehend.
Britische Bässe
Der Opener kommt dieses Mal von Hotflush. Recondite nahm sich Scubas “The Hope“ an und verpasste dem aggressiv-energetischen Original zwei Neuausrichtungen – eine für die späteren Stunden und eine für die noch viel späteren. Dabei federt er die Brachialität durch flächige Pads ab, peitscht aber durch Hi-Hats und Basslines beide Versionen gut nach vorne.
Ebenfalls in England wohnhaft sind Matt McBriar und Andy Ferguson aka Bicep. Nach diversen Veröffentlichungen und Topplatzierungen veröffentlichen sie nun ihre “You/Don’t“ EP auf Aus Music. Das erste Stücke featuring Ejeca ist ein wunderbares Stück Post-Dubstep, dass mehr nach Garage riecht als nach Step und durch den Groove samt Bassline und Vocals den Dancefloor voll für sich beansprucht. Der Remix dazu stammt von Steffi und die geht es ruhiger und entspannter an. “Don’t“ ist mit Omar Odyssey entstanden und ist eher bassiger House. Gerade Kick, freshe Clap und wieder eine sich wiederholendes Vocal-Schnipsel über einem magischen Lead-Synth. Funktioniert garantiert in jeder Disco.
Juke, Barock, Berge und Fäkalien aus AUT
Bassmusik aus Österreich mit dem Pitcher nach oben kommt vom Grazer Label Disko 404. Diese stammt von Sun People und Franjazzco. Mit vier Tracks wird der erste Release ins Rennen geschickt und balanciert zwischen Juke, Jungle und Footwork. Damit zeigen die Steirer mit Zielsicherheit wo der Zeitgeist der Stunde liegt. Sun People bewegen sich dabei im Hintergrund über floatende Melodien. Darüber jagen sie Beats und lassen diese dazu repetitiv mit Vocal-Schnipsel tanzen. Franjazzco zielt mehr auf Footwork und offenbart sein Feingefühl für soulige Samples und seiner Freude für Beats über der 140 bpm Marke. Und irgendwie passt da auch dieser abartige Juke-Trackshitttaz-Remix von Franjazzco dazu.
Ebenfalls Alpenrepublik: Letztes Mal wurde an dieser Stelle die neue EP von Johann Sebastian Bass vorgestellt. Zu “Computer Lovin’“ hat das VJ-Kollektiv Lampenschirm ein aufwendiges Video produziert mit ganz schön viel Pomp. Aber sehet selbst.
Das Label Moun10 haut als Teaser des UK Trios Rounds vorab den Track “Sideways“ gratis über Xlr8r raus. Kummulierte Melodien über reichhaltigen Flächen und ein schleppender Beat zeigt die ruhigere Seite von Rounds. Auf die EP “Escapist“ darf man zu Recht gespannt sein.
“Speckbrot“ heißt die neue Single von Julian & der Fux auf dem jungen Wiener Label JHruza. 80er Jahre Popreminiszenzen, eine saftige Bassline und die Stimme klingt wie von einem verfeierten Fleischhauer. Das Video dazu sollte man unbedingt gesehen haben: Die Gesichtsausdrücke von Personen wurden in Slowmotion gefilmt wie scheinbar ein Eiswürfel schmilzt und Himbeeren zum Vorschein kommen. Jedoch sieht es viel mehr danach aus, als ob die gefilmten Menschen eher 2 girls 1 cup gesehen hätten. Ein ausführliches Labelinterview folgt in Kürze.
Tiefgründiges von den Nachbarn
Das Label Oh! Yeah! aus Leipzig releast die Tage eine Remix-EP mit drei Stücken. Dem Original von Juno-6’s “Dead Cities“ nehmen sich Douglas Greed und Matthias Meyer an. Zweiterer macht daraus einen perkussiven Floor-Knaller und ersterer spinnt daraus eine verspielte Minimal-House Sonate. Doch am meisten überzeugt Thomas Stielers Remix von “Charisma“. Er lässt genug von Sven Tasnadis Original über und bringt doch seinen eigenen dubbigen Groove mit ein. So muss ein Remix klingen.
Daniel Stefanik ist seit ein paar Monaten bei Cocoon-Booking und schafft es trotzdem auf dem Netlabel Instabil die LP “Input/Output“ unter dem Namen Urban Force zu releasen und das auch noch für lau. Im Zeichen des Dubtechno zeigt er hier seine Liebschaft für sonorischen Tiefgang. Unglaublich relaxt und ein ausgelotet klangliches Spektrum als wäre Moritz von Oswald hier Pate gestanden sind hier zu vernehmen. Nur gut, dass der Release bereits 2004 erschienen ist. Somit darf hier auch unbekümmert das Qualitätssiegel „Zeitlos“ verliehen werden.
Günther Lause ist ein Duo aus Bayern und hat die Tage auf Paradisenow ihr erste EP “Meru“ rausgebracht. Das Tempo wird auf jedem Höhenmeter mehr rausgenommen und durch die externe Sauerstoffzufuhr klingen ihre Vocals auch heliumgeschwängert. Die Grooves sind schleppend, aber nicht statisch, denn auf einer Laus’schen Berg- und Talfahrt darf man was erleben. Wie Schleppstig auf den Wellen reitet und Stimming an Euphorie versprüht, setzt das Duo als dritte Gerade im mitteleuropäischen Dance Bermudadreieck. Vertrackter Post-Minimal Sound mit Soul und reichlich Intus.
Den Schluss macht Gathaspar mit seiner EP “Powstanie“ auf Thema. Dunkler Techno und düsterer Tech-House treffen auf cineastische Klangwelten. Dazwischen gibt es Fieldrecordings, Silben mit Echoversatz, Repetition, Rohheit und zum Schluss noch ein Ambient-Stück, dass einen friedlich wieder aus diesem Kurzexkurz entlässt. Der Digital-Bonus siedelt sich mehr im Dub-Techno an und ist von Natur eher eine Frohnatur.