Adornos Debütalbum lädt zum warm-kalten Stahlbad

Adorno philosophiert(e) nicht nur, sondern macht auch Musik. Wo ist da schon der Unterschied?

© Felipe Duque

»Fun ist ein Stahlbad« lautet der Titel des ersten Albums von Adorno auf seinem eigenen Label Entkunstung, das sich mit dem Konstrukt der Kulturindustrie in einem subkulturellen Kontext auseinandersetzt. Der Tonträger umfasst acht Stücke, die selbst weit weniger klingende Namen vorweisen. Stattdessen sind sie von eins bis acht in römischen Zahlen durchnummeriert.

Von Beginn an gleiten die Hörer*innen in ein auf Köpertemperatur erwärmtes Bad und werden mit fluoreszierenden Pads umspült. Die Kälte des Stahls lässt sich zwar erahnen, wird aber außen vor gelassen. Vielmehr ereilt einen das Gefühl, es sich mit Timothy Leary im Isolationstank gemütlich gemacht zu haben. Der Verstand driftet jedoch nicht ab, sondern seziert messerscharf jeden Gedanken, als wären die Badewannenränder mit Rasierklingen gespickt – und Horkheimer kommt auf ein Glas Courvoisier vorbei, um auf den Zusammenbruch der bürgerlichen Zivilisation anzustoßen.

Die Dystopie in einer zerbrochenen Welt

Hier geht es nicht um Blutvergießen, sondern viel mehr um den mentalen Aderlass. Zur Sedierung kreisen rhythmische Schleifen zunächst im Hintergrund und bieten zugleich das Fundament für diese sonoren Hypothesen. Dabei treten sie nach und nach ans Tageslicht und werden – wie im Höhlengleichnis – zum unwandelbaren Sein. Die Antithesen dazu bilden die Stücke »III« und »VI«, die fast komplett auf synthetische Klänge verzichten – mit Ausnahme der Basslines, die wie Geschenksschleifen die Pakete nicht nur zusammenhalten, sondern den Zweck der Zierde nicht negieren können. Außerdem muss ja etwas weiter den »Ausverkauf der Kultur« bis ins letzte Dorf erschüttern. Funktionalität als Gegenstück zum Rest der pseudoaufgeklärten Welt also.

»Fun ist ein Stahlbad« verbindet die acht in sich geschlossenen Stücke zu einem Gesamtwerk, das uns zusammenrücken lässt und uns Adornos Ansichten näherbringt; in einer Zeit, die sich oft anfühlt wie das Nehmen eines Bades gefüllt mit Scherben einer längst zerbrochenen Welt. Flieg, du kleiner Schmetterling, flieg! Das Ende war schon in Sicht.

Adorno »Fun ist ein Stahlbad«

Das Album »Fun ist ein Stahlbad« von Adorno ist am 15. Februar 2021 bei Entkunstung erschienen.

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