Ethnokitsch versuchen wir zu vermeiden

Kein Ethnokitsch – dafür sozialpolitisches Kino aus Griechenland, Kuba oder Mexiko wird es bei der 22. Edition des Internationalen Innsbrucker Filmfestivals geben. Wir haben Festivalleiter Helmut Groschup zum Interview gebeten. Er sprach mit uns über die Kinomafia, Utopien und warum in Tirol zwar viel gedreht, aber nichts produziert wird.

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Kuba und der griechische Filmemacher Theo Angelopoulos – Wie sehr versteht sich das IFFI als sozialpolitisches Festival?

Wir zeigen Filme auf hohem künstlerischen Niveau, die den Weg nicht immer ins Kino finden, da sie kompliziert sind und spezielle Themen ansprechen. Manche Filme haben sozialpolitischen Inhalt, d.h. sie zeigen unverblümt den Alltag in fernen Ländern, die bei uns durch Vereinfachungen und Klischees, vor allem in den Medien, kitschig dargestellt werden oder über die Fehlinformationen verbreitet werden. Also kommt zur Unterhaltung etwas Bildung. Ethnokitsch versuchen wir zu vermeiden.

Die Probleme sind ja mittlerweile überall dieselben. Es ist auch unsere Aufgabe, die Menschen so zu zeigen, wie sie sind. Überall wird geliebt, gestritten, überall gibt es wirtschaftliche Konkurrenz, überall geht’s ums Überleben. Aber wir suchen auch Filme, die einen Ausweg suchen aus der Krise und Utopien aufzeigen. Menschen ziehen sich auf Grund von Problemen zurück und kommunizieren auf eigenartige Weise. Die Menschheit wird auch älter und dieser Aspekt schlägt sich im aktuellen Kino wieder, man denke nur an den österreichischen Oscarpreisträger.

Warum Kuba? China, Spanien, Syrien, Venezuela, Mali, Sri Lanka – die Liste möglicher Schwerpunktländer scheint endlos. Und hat das eher inhaltliche oder cinematografische Gründe?

Auf Grund von Kontakten haben sich durch die Jahrzehnte Partnerschaften entwickelt. In Kuba hat alles begonnen durch einen Festivalbesuch in Havanna, mehr aus Neugierde. Kuba wurde entweder verunglimpft oder heroisch dargestellt, dass es in Kuba aber viele Komödien gibt, wusste man bei uns kaum. Vor einigen Jahren habe ich ein Buch über die kubanische Filmkomödie herausgegeben und eine Retrospektive zusammengestellt. Dies konnte nur gelingen, weil uns kubanische Filmemacher Texte geschrieben haben, sehr regimekritische Texte. Dieses Buch wurde von den Autoritäten in Kuba nicht goutiert.

Den ersten humorigen Film hat Tomás Gutiérrez Alea gemacht, "Der Tod eines Bürokraten" im Jahre 1968. diesen Film haben wir in den 1990er Jahren im deutschen Sprachraum verliehen. Am Beginn der 90er Jahre wurde in Kuba ein Film verboten von Daniel Díaz Torres "Alicia im Dorf der Wunder". Wir haben den Film auf Österreich-Tour geschickt. Wir waren nach Berlin die ersten, die diesen Film im Kino gezeigt haben, was allerdings beim kubanischen Filminstitut auf Unverständnis gestoßen ist. Der Leiter der internationalen Abteilung, der dies erlaubte, verlor seinen Job und ist nach Florida ausgewandert, nicht nur deshalb.

Nun ist es uns gelungen die erste österreichisch-kubanische Koproduktion anzuzetteln; diese wurde beim 20. IFFI zwischen dem Filmemacher Daniel Díaz Torres und dem Salzburger Produzenten Josef Koschier vereinbart. Der Film kommt nach dem IFFI mit dem deutschen Titel "Annas Film" heraus. Dies erfüllt uns mit Stolz. Daniel Díaz Torres ist mittlerweile ein guter Freund von mir. Er ist der bekannteste Filmemacher Kubas und leitet die internationale Filmschule in der Nähe von Havanna. Sein Drehbuchschreiber Eduardo del Llano, ein Humorist, wird den Film in Innsbruck präsentieren. Ich konnte ihm vor einigen Jahren die Übersetzung eines Romans vermitteln, "Drei" hieß er, der auch im Innsbrucker Skarabäus Verlag herausgegeben wurde.

Wie viel deiner Arbeitszeit verbringst du mit Excel-Tabellen, wie viel in Kinosälen und auf internationalen Festivals?

Ich bereise seit mehr als dreißig Jahren die wichtigsten europäischen Filmfestivals, teils auch als Journalist ich war auch in Afrika, Asien und Lateinamerika auf Filmsuche. Wie viele Filme ich gesehen habe, kann ich nicht mehr sagen, aber ich weiß, dass all diese Filme ein Chaos in meinem Kopf angerichtet haben. Das IFFI hat inzwischen dutzende Berater und Beraterinnen, da wir ein kleines Team sind und nicht für alle Teile der Welt Experten sein können. Diese Beraterinnen und Berater arbeiten für uns als Freelancer. Ich versuche meine Freizeit nicht im Kino zu verbringen. Eine Leidenschaft wurde zum Beruf und darunter leidet manchmal die Leidenschaft.

Bild(er) © Theo Angelopoulos, Juan Brugues
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