Rund 60 heimische Acts sind am und um den Karlsplatz zu sehen. Für viele ein gemütlicher Treffpunkt zum abhängen, für Musik-Superfans ein absoluter Fixpunkt. Mit ihnen möchte das Kuratorenteam am Sonntag in einem Talk über das Fan-Sein sprechen.
Andrea Putz
Du hast mit zarten 13 Jahren über deine damalige Teenagerobsession, die Band »Echt«, auf dem Donauinselfest deinen ersten Konzertbericht geschrieben. Darin heißt es: »Ich sehe Flo. Er geht gerade bei mir vorbei. Er geht zu seiner Freundin. Ich weiß nicht wie sie heißt, aber ich finde sie passt gut zu Flo.« Backstage-Einblicke in das Leben von KünstlerInnen privat – faszinierend oder entzaubernd?
Zu diesem Zeitpunkt, mit meinen 13 Jahren, war der Backstage-Einblick definitiv faszinierend. Ich war ja nur stiller Beobachter, hatte keine Vorstellung was »Backstage« überhaupt bedeutet und die einzige Konversation, die ich mit der Band geführt habe, war die Frage nach einem Autogramm… für mehr war ich gar nicht fähig, vor lauter Ehrfurcht und Nervosität. Das war damals schon sehr besonders. Erst ein paar Jahre später hatte ich eine eher entzaubernde Erfahrung, und zwar hatte ich die damals völlig unbekannte Jennifer Weist von Jennifer Rostock um ein Foto und um ein Autogramm gebeten im Backstage-Bereich eines kleinen Festivals (ein Freund gab mir damals einen Backstage-Pass) und sie war richtig genervt und unfreundlich zu mir. Und noch etwas später, als ich angefangen hab Interviews zu führen, hatte ich mit einem Künstler ein Gespräch, der so nervös und unsicher war, dass sich der ganze Zauber durch sein eigenes »klein machen« in Luft aufgelöst hat. Meistens ist ein »persönliches Kennenlernen« eher kontraproduktiv für das Fan-Dasein.
Du nummerierst deine Konzerte in deinen Blogbeiträgen durch und beginnst in jedem Jahr wieder von vorne. Im letzten Jahr kamst du dabei auf über 150 Konzerte. Was macht ein gutes Konzert aus, was aus dieser Menge herauszustechen vermag?
Es gibt einen Spruch, der für mich eigentlich immer ganz gut passt: Musik muss einen entweder berühren oder bewegen/zum Tanzen bringen. Bei ruhigen Konzerten muss die Musik entweder extrem ergreifend sein, oder der Künstler muss extrem lustig sein. Bei schnelleren Konzerten muss vor allem der Spannungsbogen der Setlist gut sein… stark und schnell starten, im besten Fall ein bisschen Interaktion mit dem Publikum, der Künstler sollte ein bisschen Interesse an der Stadt zeigen, in der er ist und wenn noch etwas unerwartetes wie z.B. ein Konfettiregen passiert, dann sind alle Punkte einer sehr guten Show erfüllt. Manche schaffen es durchaus, mit viel weniger etwas Einprägsames zu formen, manche müssen auf alle Hilfsmittel zurückgreifen. Kommt immer auf die Band drauf an und wie viel Charisma sie hat.
Macht ein gutes Konzert einen Fan und wie äußert sich Fan-Sein bei dir?
Ein gutes Konzert macht noch keinen Fan, aber ein sehr gutes Konzert bestimmt. Ich werde Fan, wenn das Konzert am Ende etwas mit mir macht: mich zum Weinen bringt, mich dazu animiert eine Platte zu kaufen, mich dazu hinreißt, noch auf die Band am Merchandise-Stand zu warten um mich für die schöne Musik zu bedanken. Mein Fan-Sein äußert sich mittlerweile nur noch damit, dass ich so viele Konzerte einer Band wie möglich besuchen will und alle Tonträger im besten Fall signiert im Regal stehen haben möchte. Früher, im Teenager-Alter, hat sich das ganz anders geäußert, zum Beispiel mit viel zu viel Merchandise kaufen und dicke Fan-Ordner voller Zeitungsartikel über die Band anlegen.
Andreas erstes Konzerterlebnis ist die Teenieband »Echt« auf dem Donauinselfest.
Mit dem Namen deiner Website wienkonzert.com sind die Konzertbesprechungen größtenteils auch verortet. Was macht deiner Meinung nach die Fankultur in Wien aus?
Ich hab das Gefühl, Fan-Kultur, vor allem in Wien, stirbt immer mehr aus. Die treuesten Fans und die, die es immer noch am meisten zelebrieren, sind die Menschen, die sich für Punk und Metal interessieren. Das ist meiner Meinung nach auch der Grund, warum Festivals wie das Nova Rock oder auch Wacken immer noch so gut funktionieren, und warum solche Konzerte ohne viel Werbung gestürmt werden, einfach aus dem Grund, weil diese Menschen unabhängig von Familienstand und Alter ihrem Fan-Sein treu bleiben und sich auch Zeit dafür nehmen, Konzerte und Festivals zu besuchen. Bei vielen anderen Genres, die eher eine Mode-Erscheinung sind, sind das eher nur kurzfristige Hypes und keine Fan-Kultur, die sich bildet.
Ich glaub es braucht mehr Medien, mehr Kanäle, mehr Menschen, die sich ein bisschen mehr wieder einsetzen für diese Leidenschaft, die man zu Bands und zu Musik haben kann. Erst wenn man das wieder angreifbarer und sichtbarer macht, gibt es wieder die Chance auf eine gesunde Fankultur, auf begeisterte Leute, die auf gute Bands treffen und daraus wieder etwas Besonderes entstehen lassen.
Katharina Seidler
Im Interview mit Mica hast du erzählt: »Das kollektive oder individuelle Glücksgefühl, das ein perfekter Musikmoment evoziert, strahlt danach noch lange in den Alltag und ins Leben hinein, manches bleibt einem für immer.« Was war so ein perfekter Musikmoment?
Das passiert mir glücklicherweise oft. Im besten Fall ist es ja so, dass man aus einem Konzert hinausgeht und etwas hat sich in einem verändert. Tief berührt hat mich kürzlich zum Beispiel St. Vincent, die während ihrer ganzen Show am Pohoda Festival als überirdische Weltenkönigin in Erscheinung trat, bis sie dann am Schluss wie ein verletzliches Mädchen alleine mit Gitarre vor dem riesigen Publikum stand und ein Geburtstagslied an einen verlorenen Freund sang. Sie ist in beiden Rollen extrem »wahr«. Man konnte die Ergriffenheit der Menschen spüren.
Was für MusikerInnen und Bands hast du bei deiner Arbeit als Journalistin und Kuratorin getroffen, von denen du eingefleischter Fan bist und wie hat das dein Fan-Sein beeinflusst?
Tendenziell ist das Superfan-Sein für etwa Interviews und Reviews gar nicht immer ein reiner Vorteil, weil man sich vor lauter Details und Gefühlen, die man ausdrücken will, verrennen kann. Ein FM4-Interview mit Hot Chip vor ein paar Jahren zum Beispiel gehört eher nicht zu meinen journalistischen Glanzleistungen. Auf der anderen Seite aber ist es umso schöner, wenn persönliche Lieblinge sich als genau so bezaubernd herausstellen, wie man es immer schon dachte und wusste. Dirk von Lowtzow zum Beispiel ist glaube ich einer der besten Typen, die es gibt. Ich interviewte ihn kürzlich nach dem Tod eines meiner wichtigsten Menschen. Dirk wusste Bescheid und sprach sofort sein Beileid aus und war das ganze Gespräch über extrem einfühlsam und tröstend, das vergesse ich nie. Fansein ist das Beste.
Der Popfest-Talk zum »Superfan« findet am Sonntag 29. Juli im Wien Museum statt. Auf dass wir bis dahin durch sehr gute Konzerte und perfekte Musikmomente zu Fans geworden sind.