Was gehört verboten? Was bedarf der Kontrolle? Und was bleibt vom großen Freiheitsversprechen des Marlboro Man? – Von der Freiheit der Kunst als letztem Refugium (der Tabakindustrie).


01 Panel von Stefania Strouza

02 76 Cigarettes von Sophia Suessmilch

03 James Dean-I don t need you-but I want you von Matthias Bernhard

04 Prohibition 2.0 oder Woran i friher stiab is mei Bier von Marie-Sophie Buxbaum

05 Smokin II von Caecilia Brown Helmut Heiss

06 Kritik der praktischen Vernunft von Doris Theres Hofer

07 Grundstellung von Bartholomäus Kinner

08 May The Lord Deliver Us From The Bad Merchants Who Imitat These Strings von Sebastian Koch

09 gib mir einen zug von Ahoo Maher

10 vader on a cigarette paper von Johannes Niesel

11 nager f von Heidi Rada

12 I Am Cigarettes von Annamaria Tatu

13 Strive to be Boring von Philipp Timischl

14 get fit von Simon Vith

15 Herr Müller zieht am Stängle von Peter Wehinger

16 Vor dem Spiegel von Micha Wille

17 ohne titel von Dario Wokurka

18 Präsentation

19 hinter Grundstellung

20 Präsentation
Ist eine Welt ohne Marken anstrebenswert? Auch nicht wirklich. Und das meine ich nicht nur, weil wir fast alle, ob wir es wollen oder nicht, irgendwie davon leben. Denn der Glaube daran, dass das Gute per se als solches erkannt und das Bessere sich sowieso durchsetzen wird, ist naiv. Gerade gute Ideen brauchen Fürsprache und das Hirnschmalz der Propagandisten. Das Problem bleibt freilich: Die Propaganda macht auch vor Mist nicht Halt und lebt mitunter gerade davon, Bedürfnisse zu behaupten. Machen wir uns nichts vor: Auch davon leben viele von uns. Und die erfolgreichsten von uns haben sich damit arrangiert und selbst zur Marke gemacht.
Dabei verhält es sich mit Marketing wie mit Beton: Es kommt drauf an, was der Mensch draus macht. Was also tun? Dem Bösen das Marketing verbieten? Ein interessantes Gedankenexperiment ist sie allemal, die Welt ohne Marken – und gar nicht so utopisch fern, zumindest als Feldversuch im Kleinen. „Klein“ allerdings bloß im globalen Maßstab betrachtet. Immerhin geht es um die Europäische Union, die gerade dabei ist, den Anbietern von Markenzigaretten in ihrem Hoheitsgebiet den Garaus zu machen. Genau daraufhin läuft es schließlich hinaus, wenn diese nach einem immer weiter gehenden Werbeverbot und obligaten Warnhinweisen, welche die Risiken des Tabakkonsums anführen, wie es derzeit aussieht demnächst auch verbietet, ihre Produkte als eigenständige, wiedererkennbare Marken zu verkaufen. In designbefreiter Reformhausanmutung bleibt nicht viel vom großen Freiheitsversprechen des Marlboro Man. In den Kampagnen der Ad Busters und Culture Jammer ist er ohnehin längst an Lungenkrebs krepiert. Jetzt verurteilt ihn die europäische Gesetzgebung des Todes. Ohne die Insignien der Werbewelt, ohne Corporate Design, Logos und Wortbildmarken werden die Erzeugnisse der Tabakindustrie beliebig, austauschbar, uniform. Kann einem egal sein, klar.
Doch sind tatsächlich alle Zigaretten gleich schlecht? Vermutlich nicht. Das darf man den Tabakkonzernen wahrscheinlich glauben. Dass die geschmuggelte, gefälschte Ware, deren Import durch solche Verbote begünstigt würde, noch gesundheitsschädlicher sind als das unter staatlicher Aufsicht abgegebene Nikotin. Rechtfertigt dieses relative Besser-Sein die Möglichkeit, Zigaretten anzupreisen? Rechtfertig der Schutz des Menschen vor sich selbst gravierende Einschränkungen und Verbote? Sollen wir als nächstes gleich auch Werbung für Bier und Wodka untersagen? Ich meine: eher nicht.
Nicht ganz reizlos ist jedenfalls die gegenwärtige Allianz zwischen Kunsteinrichtungen und Tabakindustrie. Letztgenannte flüchtet sich derzeit nämlich in „Kooperationen“ mit kulturellen Institutionen und Ausbildungsstätten. Die Freiheit der Kunst gewährt einen letzten legalen Unterschlupf für Sponsoring – und damit Werbung. Verlogen? Vielleicht. Aber den einen fehlt das Geld, die anderen wissen nicht, wohin damit. Das klassische Geben und Nehmen.
Vielleicht sollten wir die Sache aber ohnehin radikaler angehen. So viele rauchen und keiner kommt auf die Idee, selbst anzubauen.
Der BAT Kunstpreis wurde am 21. Mai in der Akademie der Bildenden Künste in Wien vergeben.
Thomas Weber ist Herausgeber von The Gap. Magazin für Glamour und Diskurs sowie von Biorama. Magazin für nachhaltigen Lebensstil. Feedback unter @th_weber