Fünf Fragen an Sebastian Höglinger

Sebastian Höglinger ist Mitorganisator des "Youki", Österreichs größtem Jugendfilm-Festival. The Gap hat ihn per Mail getroffen.

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Die Media Meetings stehen unter dem Motto „Utopie und Jugendkultur“. Was war die aktuellste, utopische Jugendkultur in Österreich?

Das spannende bei der Auseinandersetzung mit Utopien liegt für mich in der unbedingten Notwendigkeit der Widersprüchlichkeit, die das Utopische grundsätzlich in sich birgt. Utopie vermittelt sich zu großen Teilen über „Inaktualität“, Unrealisierbarkeit und Aufmüpfigkeit – wer die Frechheit besitzt zu träumen und eben Utopien als „Möglichkeiten“ formuliert bzw. annimmt, bewegt sich zumindest tendenziell jenseits der Aktualität. Aber: Was denkbar ist, ist auch möglich und somit für das Entstehen von Protest, Widerstand und (Jugend-)Kultur unabdingbar. Sobald eine Jugendkultur dann als solche lesbar wird, hat sich ein Teil der Utopie aber schon wieder aktualisiert und dem Realen untergeordnet, zumeist nach Eingeständnissen an das, was eben als realistisch oder machbar gilt.

Momente von utopischer Jugendkultur waren und sind bestimmt innerhalb der Bildungsprotest-Bewegung ausmachbar. Inwiefern diese aber als Jugendbewegung an sich durchgeht, ist fraglich. Ihr des weiteren den Stempel des „bloß“ Utopischen aufzudrücken, wäre ungerecht – und würde all zu sehr der Argumentationen ihrer Gegnerschaft in die Hände spielen –, liegen weite Teile der Forderungen doch innerhalb der Grenzen realpolitischer Machbarkeit.

Ein ganz schönes Beispiel einer zumindest kurzzeitig gelebten „utopischen“ Jugendkultur zeichnet sich vielleicht in der Beschreibung der Linzer Punkbewegung rund um das Kulturzentrum Kapu ab, wie es Andreas Kump in seiner Interviewcollage „Es muss was geben“ skizziert. Gerade durch die notgedrungen subjektiven, romantisierten „Erinnerungen“ an das Gestern vermittelt sich hier vielleicht tatsächlich das Bild einer (ebenfalls notgedrungen) utopischen Musik- und Jugendkultur.

"Medienfestival" lässt Raum für viel Interpretation. Warum ist Theater und Schreiben dabei, aber Games und digitale Welten nicht?

Im Kern versteht sich die Youki als junges Filmfestival. Der internationale Wettbewerb mit Arbeiten junger Filmemacherinnen und Filmemacher zwischen 10 und 26 Jahren erfährt auch medial bestimmt die größte Aufmerksamkeit von außen. Dass Medien weitaus mehr können und bedeuten als in fünf Tagen Festival thematisiert und angeschnitten werden kann, ist uns natürlich bewusst. Durch unser Workshop-Angebot und die diversen diskursiven Theorie-Formate versuchen wir dahingehend spannende Ergänzungen zu finden.

In diesem Jahr ist die Wahl der Workshop-Themen eigentlich nur in einer Ausnahme "klassisch" ausgefallen. Interessanterweise wurde aber genau dieser Part – der Schauspielworkshop – bisher im noch nie im Rahmen der Youki angeboten. Mit dem DJ Workshop entfernen wir uns schon ein klein wenig vom Mainstream-Medienverständnis. Mit Kristian Davidek findet sich hier auch eine Person, die DJing als Mischung zwischen Technik, Musik und Performance versteht. Sein Ansatz erschien uns somit für das Festival passend.

Workshop Nr. 3, Kritisches Schreiben, geht dann gerade auch auf die digitalen Welten ein. Einer der Punkte, die Magnus Klaue in seinem Workshop zentral erscheinen, sind die Verschiebungen der Rolle der Subjektivität im Schreib- und Publikationsprozess durch zunehmende Web 2.0-Portale, Blogs, etc… Hier findet sich ein exemplarischer Connect zwischen „klassischem“ Medienverständnis und kumulierenden, medialen Archiven bzw. konkret kontemporären Kultur- und Medientechniken. Dem Gaming, Virtual Realities und also digitalen Welten wurde etwa vor zwei Jahren ein prominenter Platz eingeräumt, als das Machinima Europe Festival und seine Leiterin, Tracy Harwood, zu Gast bei Youki waren. Vielleicht ist es ja im nächsten Jahr wieder an der Zeit ebendiesen Bereich zu fokussieren.

Was ist typisch für jugendliche Mediennutzung? Was machen sie anders als Erwachsene?

Die wahrscheinlich „abgedroschenste“, tendenziell langweilige Plakativ-Antwort auf diese Frage ist vielleicht auch gleichzeitig die beste: „Typisch“ im Nutzer-Verhalten von Kindern und Jugendlichen ist oftmals die Leichtigkeit und positive Naivität im Umgang mit eben neuen Medien, der Wille zum Rumprobieren und einfach machen. Mit dem Alter nimmt mit Sicherheit auch das Selbstverständnis, neue mediale Praktiken zu erlernen und mit aufzusaugen, ab. Wer nicht konzentriert „Neues“ verfolgt, hat sich bald mit dem Status quo seines medialen Wissens und in weiterer Form über das Handling, die mediale Praxis abgefunden. Vieles was dann kommt, wird zur modernen Kuriosität – ein Gedanke den ich in meinem Umgang mit digitaler Musik erschreckenderweise oft entdecke. Und das ist der Punkt: Bequemlichkeit und Nostalgie sind eine gute Mischung nicht – von der jugendlichen Curiosity zur post-jugendlichen, prä-mortalen Kuriosität ist der Weg leider ein kurzer.

Gibt es Erfolgsstories – Sind aus dem Wettbewerbsprogramm bereits weiter Filme hervorgegangen? Haben geförderte Filme andere Preise gewonnen?

Bei dieser Frage muss man immer vorsichtig sein bzw. vorab klären, was eigentlich als Erfolg verbucht werden kann. Der größte Erfolg für Youki ist sicher, wenn sich junge, an Medien interessierte Menschen eine Woche lang lustvoll mit Medien auseinandersetzen und das jenseits der permanenten Verwertungszwänge unserer Zeit. Es ist und muss egal sein, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Youki daraus machen. Immer, wenn diese Frage kommt, überlege ich, ob das Angebot von Youki nicht auch für spätere Fleischhauer oder Bankenmanagerinnen wichtig ist. Die Frage führt in eine allgemeine Debatte zum Thema Bildung und was wir darunter überhaupt verstehen wollen.

Anyway und kurz darauf eingehend: ja, es gibt durchaus auch Filmemacherinnen und Filmemacher, die bei Youki begonnen haben: Florian Pochlatko etwa, der nun an der Filmakademie studiert oder Lisa Weber, die zuletzt den Wiener Kurzfilmpreis gewonnen hat; nicht zu vergessen auch der ehemalige Zivildiener des Medien Kultur Haus‘ Wels, Siegfried A. Fruhauf, dem heuer die Viennale ein Special gewidmet hat – das aber nur als einige Beispiele, um die erste Antwort auf deine Frage nicht als Ausrede zu verunmöglichen.

Was sind die nächsten Ziele von Youki? Wachsen, mehr Kooperationen, Förderungen, durch die Bundesländer touren?

Konkrete Ziele für die Youki zu formulieren ist immer schwer. Das Festival ist in den letzten Jahren beständig gewachsen und eine unserer Kernambitionen – möglichst viele internationale Filmemacherinnen und Filmemacher beim Festival zu versammeln und zu vernetzen – ließ sich im letzten Jahr erstmalig in einer zukunftsträchtigen Form einlösen. Grundsätzlich ist es immer so eine Sache mit dem Wachsen. Natürlich soll es weiter vorangehen, genügend Raum in Sachen Größe nach oben, ist auch bestimmt noch zu erschließen. Wichtig ist aber, bei all der Expansion, den Charme und das eben kommunikative Element eines eher kleinen Festivals mit vielen Angeboten zu wahren.

Kooperationen sind dabei natürlich wichtig, sollen aber auch nur dann geschlossen werden, wenn beide Seiten davon profitieren. Und Förderungen, ja, ohne die geht’s einfach nicht. Inhaltlich geht es uns aber in Zukunft wohl weiterhin darum uns eine Prise Utopie und Naivität beizubehalten. Unser Team ist sehr jung und bringt unabdingbaren Enthusiasmus mit. Ich bin also optimistisch, dass wir auch in den nächsten Jahren nicht auf der Stelle treten. Zurzeit fühlen wir uns in Wels recht wohl, mit dem Medien Kultur Haus und dem Alten Schlachthof finden wir hier zwei in Österreich einzigartige Kultur-Institutionen als Partnerinnen. Mit unseren Programmen sind wir außerdem regelmäßig auf anderen, internationalen Festivals geladen, so zum Beispiel beim Crossing Europe in Linz, beim Nuff in Norwegen oder bei den Schweizer Jugendfilmtagen in Zürich.

Youki – Internationales Jugend Medien Festival

Mit u.a. Filmwettbewerbsprogramm, Paperbird, Maschek, Diedrich Diederichsen, Cherry Sunkist, uvm.

16. – 21. November 2010, Wels

www.youki.at

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