Die Zukunft des Theaters steht im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe »Future Lab«. Lisa Zingerle vom Schubert Theater im E-Mail-Interview über die Autor*innenschaft von künstlicher Intelligenz, Handpuppen aus dem 3D-Drucker und die Bühne im digitalen Zeitalter.
Mit dem Future Lab wollt ihr die Zukunft des Theaters ausloten. Wie nähert ihr euch dem Thema?
Seit einigen Saisonen setzen wir uns nun schon gezielt mit technologischen Evolutionen auseinander. Die pandemiebedingten Schließungen ließen uns tiefer in dieses spannende, moderne Feld eintauchen, dem wir nun mit der Veranstaltungsreihe »Future Lab« einen Schwerpunkt widmen. Mit analogen und digitalen Theateraufführungen wird dabei gezeigt, wie sich Kunst und Technologie im Theater näherkommen und sogar verbinden lassen. Eine künstliche Intelligenz als Co-Autor bei »Projekt Pinocchio«, die Online-Premiere der Miniserie »Ein Würstelstand auf Weltreise« oder auch virtuelle und interaktive Theatererlebnisse wie »Möwe.live« oder »May.be 2.0« werfen faszinierende Fragen und Erkenntnisse auf, über die wir gemeinsam mit unserem Publikum und Expert*innen aus Kunst und Wissenschaft nachdenken wollen.
Haben diese Aspekte durch die Corona-Pandemie eine neue Dynamik entwickelt?
Auf jeden Fall hatten wir viel mehr Zeit, uns damit auseinanderzusetzen. So konnte das ein oder andere Experiment schon früher starten – und diese Experimente sind natürlich ausschlaggebend für den weiteren Weg. Im ersten Lockdown veröffentlichten wir sehr viele Kurzvideos für #stayathome-withpuppets, ein Puppen-Tiktok quasi. Da uns hier aber die Interaktivität mit dem Publikum fehlte, entwickelten wir unser erstes digitales Stück »May.be 2.0« auf der Plattform Mozilla Hubs, damit das Publikum miteinander und mit uns in Austausch treten kann. Bei den Kurzvideos wurde vor allem die Puppe Resi Resch, eine urwienerische Würstelstandbesitzerin, zum Publikumsliebling. Deswegen ist unsere zweite Online-Produktion die digitale Miniserie »Ein Würstelstand auf Weltreise«, in der Resi Resch in fünf Episoden das Publikum einmal um den Globus mitnimmt – gestreamt über Youtube.
Auf Seiten des Publikums ist es definitiv schwieriger geworden, da viele mit Homeoffice und Homeschooling des Online-Lebens überdrüssig sind. Hier hat die Pandemie den Neuigkeitsfaktor etwas ausgebremst. Auch die vielen analogen Vorstellungen, die abgefilmt und gestreamt wurden, haben ein verzerrtes Bild von Digitaltheater gegeben. Jedoch gibt es immer mehr Fokus und auch Fördergelder für digitale Inhalte, sodass es auch größere Produktionen und Festivals im und für den digitalen Raum gibt. Das kann Barrieren abbauen.
Habt ihr als Figurentheater einen anderen Zugang und andere Möglichkeiten, was diese Zukunftsthemen betrifft?
Digitales Theater ist für uns eine recht natürliche Entwicklung der darstellenden Kunst in beziehungsweise mit den technischen und technologischen Neuerungen unserer Zeit. Wobei sonderlich neu sind diese meistens nicht, aber endlich für eine breite Masse zugänglich und leistbar. Die erste kommerzielle VR-Brille kostete 1987 noch knapp 50.000 US-Dollar, die Oculus-VR-Brille von Facebook kostet heute 350 Euro. Ähnlich war es mit dem 3D-Druck: Wurde lange nur damit geliebäugelt, so sind seit letztem Jahr die ersten 3D-gedruckten Puppen im Schubert Theater im Einsatz.
Vielleicht sind wir etwas mutiger, neue Wege zu gehen, weil sich Puppentheater sowieso immer behaupten muss – vor allem, wenn es sich aus der Kindertheater-Schublade befreien will. Darüber hinaus geht es bei uns immer schon um die Belebung toter Materie – eine Puppe erwacht nur zum Leben, wenn sie entsprechend manipuliert wird. Statt Puppen hauchen wir nun Pixeln Leben ein.
Für uns ist gerade der Neuanfang sehr spannend, denn es gibt kein richtig oder falsch im Digitaltheater. Eigentlich beobachten wir gerade, wie ein neues Genre entsteht.
In den »Future Talks« wird auch auf die Wechselwirkung von Kunst und Wissenschaft eingegangen. Welche Punkte findet ihr in diesem Kontext besonders spannend?
Wissenschaft und Kunst hatten immer schon eine spannende Wechselwirkung aufeinander – ganz abgesehen davon, dass technologische Innovationen immer schon ihren Weg ins Theater fanden. Es wird heutzutage zum Beispiel keine Theaterbühne mehr mit Öllampen beleuchtet, zum Glück. Aber eben nicht nur im Technischen, sondern auch im Künstlerischen zieht Kunst viel aus Wissenschaft – egal ob thematisch oder handwerklich. So zeigen wir zum Beispiel seit 2020 ein Stück über Hedy Lamarr, die »Erfinderin« von Bluetooth, und planen für nächste Saison ein Stück über Nikola Tesla. Oder auch unsere Interpretation eines alten Märchens: »Projekt Pinocchio«, das in unserer Version zu 70 Prozent von dem Open-Source-KI-Programm »GPT-2« geschrieben wurde.
Andererseits hat das Theater an sich seit Langem mit der Aktualität der klassischen Plattform »Bühne« zu kämpfen, und auch wir wollen hinterfragen, wie sich das Konstrukt Bühne weiterentwickeln lässt. Vor allem mit technologischen Neuerungen wie Virtual-Reality-Brillen oder interaktiven Online-Plattformen, die für ein Gros unserer Gesellschaft immer alltagstauglicher werden, eröffnen sich viele Möglichkeiten, die gerade erst von Künstler*innen und Programmierer*innen erforscht werden. Hier zeigt sich auch das äußert große Potenzial der darstellenden Künste, interdisziplinär wie auch vermittelnd zu arbeiten. Künstler*innen und IT-Techniker*innen können sich einiges ausdenken, aber geprüft wird es schließlich vom Publikum, das manchmal überhaupt erst durch eine künstlerische Auseinandersetzung mit neuer Technologie in Berührung kommt.
So diskutieren die Hedy-Lamarr-Preisträgerin und TU-Graz-Game-Lab-Leiterin Johanna Pirker, die Leiterin des ESC Medien Kunst Labors Reni Hofmüller, der Experimentalphysiker und Brecht-Experte Lukas Mairhofer mit der Nachwuchsregisseurin des Jahres, Cosmea Spelleken, dem Regisseur und Theaterdirektor Simon Meusburger und dem Dramaturgen und Mitbegründer der Dortmunder Akademie für Theater Alexander Kerlin bei den »Future Talks«.
Die Veranstaltungsreihe »Future Lab — Die Zukunft und das Theater« läuft noch bis 3. März im Schubert Theater in Wien. Im Rahmen der »Future Talks«, moderiert von The-Gap-Bühnenexperte Oliver Maus, wird am 17. Februar das Thema »Digitales Theater: Was ist es, was kann es und wozu braucht man es?« behandelt, während man sich am 28. Februar dem Verhältnis von Wissenschaft und Kunst und folgenden Fragen widmet: Was macht die Kunst mit Wissenschaft und Technologie und umgekehrt? Welche Rolle nimmt das Theater in der Kunst- und Kulturvermittlung ein? Details zum Programm und Streaming-Möglichkeit unter www.schuberttheater.at/future-talks.