Gesangsunterricht bei Edith Piaf

Anna Calvi erzählt im Interview über ihr neues Album "One Breath", Schüchternheit und wie ihr Edith Piaf beim Singenlernen geholfen hat.

Wie funktioniert das Songwriting bei dir? Musst du für dich allein sein, oder brauchst du Leute um dich herum?

Ich bin gern allein, wenn ich schreibe, und brauche einen Raum, wo mich keiner hören kann. Wenn die Songs fertig sind gehe ich damit zu meiner Band. Sehr oft ist das dann schon komplett arrangiert, es kommt aber auch vor, dass wir zusammen an den Arrangements arbeiten.

Das Tour-Lineup von Anna Calvi ist sehr klein. Außer dir sind das nur Daniel Maiden-Wood und Mally Harpaz. Never change a winning team? Oder hast du dir auch schon mal überlegt, etwa ein Orchester mit auf die Bühne zu setzen?

(lacht) Es funktioniert sehr gut mit diesen Musikern, und es ist auch gut eine Band zu haben, anstatt Session-Musiker anrufen zu müssen. Ich genieße es, mit den beiden zu arbeiten.

Du hast also noch nie darüber nachgedacht, auch auf der Bühne noch mehrere Musiker dabeizuhaben? Oder ist es so wie es jetzt ist genau richtig?

Bei diesem Album werde ich vielleicht einen Keyboarder mit auf der Bühne haben, aber ich will es eigentlich klein halten. Ich mag es, der Musik Raum zu geben. Je mehr man anfüllt, desto weniger bleibt einem dann letztendlich übrig.

Verstehe ich das richtig: Du meinst dass man vieles auslassen sollte, sodass die Dinge, die man stehenlässt, stärker wirken?

Dann ist es einfacher, Dynamiken zu erzeugen. So kannst du eine Leere erzeugen, die expressiv und explosiv wirkt. Das ist einfacher, wenn man plötzlich aufhört und stillhält.

Zum Aufnehmen des neuen Albums bist du nach Frankreich ins Blackbox Studio gegangen. Was ist daran so besonders, warum ausgerechnet dort?

Ich mag das Equipment sehr, sie haben dort großartiges, altes Analog-Equipment. Außerdem ist es mitten am Land, es ist also ein guter Ort, um nicht abgelenkt zu werden. Und die Menschen, denen das Studio gehört, sind sehr nett. Es ist ein guter Ort zum Arbeiten.

Rückzug und Ruhe?

Genau.

Ich habe gelesen, dass dir Ehrlichkeit bei den Auftritten besonders wichtig ist, Ehrlichkeit dem Publikum gegenüber. Wie könntest du überhaupt unehrlich zu deinem Publikum sein?

Wenn du die Dinge aus den falschen Gründen tust. Wenn du Musik machst, weil du glaubst dass es das ist, was die Leute hören wollen, obwohl es nicht wirklich dein Ding ist.

Falsche Vorwände?

Ja.

Die extrovertierte Bühnenpersönlichkeit Anna Calvi mit ihren androgynen Flamenco-Kostümen steht in starkem Kontrast zu der sanft-schüchternen Stimme, mit der du mir jetzt begegnest. Wie erklärst du diese Ambivalenz anderen Menschen?

Wenn ich auf der Bühne stehe und Musik mache, kann ich eine stärkere und furchtlosere Seite von mir zeigen.

Als du mit dem Singen angefangen hast, wusstest du da schon, dass du eine so extrovertierte Person sein kannst?

Das ist sehr natürlich, ich fühle mich eigentlich recht entspannt in dem Zustand, und dann fühle ich mich auch stark. Ich hatte auch noch nie Bühnenangst, habe das nie als furchteinflößend empfunden. Je mehr ich [aufgetreten bin], desto selbstbewusster habe ich mich gefühlt.

"One Breath", das neue Album von Anna Calvi, ist am 4.Oktober bei Domino Records erschienen. Hier geht es zur The Gap-Rezension. Anna Calvi spielt am 28. Feber im Rockhouse Salzburg, am 5. März 2014 im Wiener Chaya Fuera.

Bild(er) © Roger Deccker
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