Wir haben mit sieben Kleinverlage aus Wien gesprochen: Über Wien, über den passenden Buchtitel für ihre Verlagsarbeit und über ihre Einstellung zu Hypes am Buchmarkt.
Redelsteiner Dahimène Edition (© Romi Hahn)
Die Redelsteiner Dahimène Edition ist der gegründete Verlag von Stefan Redelsteiner und Ilias Dahimène. Genre: Literatur und Sachbuch
Wäre die Redelsteiner Dahimène Edition ein Roman, was wäre ein möglicher Buchtitel? Stefan: "Get Rich Or Die Trying" Ilias: "Weil die Strasse nicht vergisst" Was ist am Wiener Kleinverlagsdasein super und was wäre anders (oder auch woanders) schöner?
Stefan: Schöner wär`s wenn man kein Klein- sondern ein Großverlag wäre. Wien passt schon, aber auch da: wieso nicht an einem Ort sein, wo es einen Strand gibt, wie zb. Nizza, das wär vielleicht schöner. Ilias: Ich glaube, der Ort ist nicht so wichtig für das was wir tun und im Zweifel bin ich auch pro Strand, aber ein bisschen Wien-Fan bin ich doch. Die Dichte an guten Künstlern hier ist wahnsinnig hoch, viel höher als zb in Berlin oder anderen europäischen Metropolen. Welche Erwartungen haben die LeserInnen von heute generell an den Auftritt eines Verlages – und nicht zuletzt, an die Präsentation und den Inhalt guter Bücher? Inwiefern hat sich das verändert? Ilias: Ich glaub, es ist relativ simpel und klingt vielleicht deswegen auch corny: Die Leute wollen gute Texte von Künstlern, die sie in einer bestimmten Art und Weise inspirieren, lesen. Ein Hauptteil unseres Jobs ist es diese Künstler zu finden, die sowohl künstlerische Qualität als auch Style & Persönlichkeit haben und sich auf ein Podest zu stellen, sodass sie möglichst viele Menschen erreichen. Stefan: Das weiß ich nicht, also generell. Ich denke, die generelle Erwartungshaltung gibt es nicht, weil die Menschen alle unterschiedlich drauf sind. Nur mal ein Beispiel, dass mir auf die Schnelle einfällt, welches auf eine kleine Gruppe zutrifft: Es gibt immer wieder Pedanten, denen perfektes Lektorat im Sinne von keine Rechtschreib- oder Beistrichfehler wichtig ist, aber ehrlich gesagt mach ich keine Bücher, um die Erwartungen anderer in jedem Punkt zu erfüllen. Wer zu sehr einem – wie gesagt – ohnehin extrem fragmentierten Publikum nachläuft, macht viel falsch. Der aktive Gebrauch von Social Media scheint im Verlagswesen immer noch recht unterschiedlich praktiziert zu werden. Wieviel Internet braucht es als Verlag – vor allem auch als Independentverlag – im Jahr 2016?
Stefan: Vielleicht mehr als wir tun. Denke unser Internetauftritt ist noch sehr ausbaufähig, da müssen wir uns ein wenig an der Nase nehmen.
Hypes gibt es immer wieder – Paradebeispiele: Cat-Content, 50Shades, Vampire, Ernährungsthemen. Inwiefern sind solche Trends für die RDE interessant bzw. uninteressant? Und was darf in eurem Verlagsprogramm nicht fehlen? Ilias: Uninteressant, unser Ziel ist es solche Themen/Hypes selber zu setzen, idealerweise mit Augenmerk auf Langfristigkeit bzw. einer gewissen Universalität. Zum Schluss hätten wir gerne noch eine Empfehlung: Welches Buch einer/s österreichischen Autorin/Autors hat euch in den letzten 5 Jahren richtig überrascht? Ilias: Ich selber lese eigentlich keine Literatur bis auf unsere eigenen Sachen, sorry. Stefan: Das letzte Telefonbuch war der Hammer. Ist völlig überraschend vor 2 Wochen vor meiner Wohnungstür gelegen.Wundergarten verlag
Der Wundergarten Verlag wurde von Sabine Maier gegründet – auch bekannt als Die Stadtspionin. Schwerpunkt: Reiseliteratur Wäre der Wundergarten Verlag ein Roman, was wäre ein möglicher Buchtitel? "Mustererkennung" von William Gibson. Wir verlegen zwar keine Science-Fiction Bücher wie das von Cyberpunk-Erfinder Gibson. Aber Muster sind für uns in mehrerer Hinsicht wichtig. Erstens, weil unsere Bücher optisch immer mit auffälligen Mustern am Cover gestaltet sind. Zweitens, weil wir für unsere Wien-Führer immer auf der Suche nach Trends in Wien, nach Mustern, sind – so wie Cayce Pollard, die Hauptfigur des Romans, die als Coolhunter für Firmen weltweit Trends aufspürt. Was ist am Wiener Kleinverlagsdasein super und was wäre anders (oder auch woanders) schöner? Super ist die Überschaubarkeit des Marktes. Das war vor allem am Anfang hilfreich, um Fuß zu fassen. Das ist zugleich aber auch der Nachteil. Würden wir in Deutschland sitzen, wären wir näher am Zentrum des deutschsprachigen Buchmarktes – und näher an einer zehnmal größeren Leserschaft. Welche Erwartungen haben die LeserInnen von heute generell an den Auftritt eines Verlages – und nicht zuletzt, an die Präsentation und den Inhalt guter Bücher? Inwiefern hat sich das verändert? Hat sich was verändert? Ich sehe nur, dass in unserem Segment, also bei Reisebüchern, die inhaltliche Qualität nach unten geht. Das ist sehr, sehr schade! Vor allem, wenn man bei dem Trend nicht mitmachen will und sich gegen billig gemachte, billig verkaufte Bücher behaupten muss. Der aktive Gebrauch von Social Media scheint im Verlagswesen immer noch recht unterschiedlich praktiziert zu werden. Wieviel Internet braucht es als Verlag – vor allem auch als Independentverlag – im Jahr 2016? Wir nützen das Internet recht aktiv, da wir ja neben den Büchern auch den bekannten Newsletter für Frauen in Wien, Die StadtSpionin, verlegen. Und vor allem ganz am Anfang bei unserem ersten Buch "Wiener Entdeckungen "“ hat das ungemein geholfen, dass wir das über die StadtSpionin kommunizieren konnten. Die Buchhändler hatten ja damals keine Ahnung (und wohl auch wenig Interesse daran), was der Wundergarten Verlag ist. Aber da so viele Newsletter-Leserinnen in den Buchläden nach unserem Buch gefragt haben, hat sich das sehr schnell geändert. Uns hat das Internet also geholfen. Hypes gibt es immer wieder – Paradebeispiele: Cat-Content, 50Shades, Vampire, Ernährungsthemen. Inwiefern sind solche Trends für den Wundergarten Verlag interessant bzw. uninteressant? Und was darf in eurem Verlagsprogramm nicht fehlen? Ich hätte gar nichts gegen einen Hype ;-) Da kann man gut Geld verdienen und das ist gerade für kleine Verlage lebenswichtig. Allerdings sind wir mit unseren Themen – Bücher für Wien – ein bissl weit weg von Vampiren und 50 Shades. Aber im lokalen Rahmen haben wir einmal einen Hype gut erwischt bzw. selbst mit zum Laufen gebracht. Die Wiener sind seit einigen Jahren verrückt nach Frühstücken. Und unser Buch "Frühstück in Wien" mit den 100 besten Lokalen für Brunch und Frühstück passt da genau – und ist auch unser Bestseller. Zum Schluss hätten wir gerne noch eine Empfehlung: Welches Buch einer/s österreichischen Autorin/Autors hat dich in den letzten 5 Jahren richtig überrascht? Daniela Emminger "Die Vergebung muss noch warten" (Czernin). Das Road Movie erzählt in einer verschnörkelten, fast umständlichen Sprache von der Krise einer Dreißigjährigen. Mal absurd, mal witzig, mal schillernd – und immer unglaublich phantasievoll und scharfsinnig. (Und wir sind mächtig stolz, dass Daniela Emminger, wenn sie nicht gerade Romane schreibt, immer wieder bei der StadtSpionin mitarbeitet!)
Holzbaum Verlag
Geschäftsführer vom Holzbaum Verlag ist Clemens Ettenauer. Im Verlagsprogramm lassen sich Humor- und Sachbücher finden. Wäre der Holzbaumverlag ein Roman, was wäre ein möglicher Buchtitel?
"Die Leiden des jungen Verlegers" Was ist am Wiener Kleinverlagsdasein super und was wäre anders (oder auch woanders) schöner?
Super ist, dass Wien die Stadt mit der größten Buchhandelsdichte in Europa ist. Das ist für jeden Wiener Verlag gut, weil man hier einen gewissen Heimvorteil hat und die Wiener Buchhändler gerne Bücher von Wiener Verlagen verkaufen. Ein bisschen neidisch bin ich immer auf die deutschen Verlage, weil man dort nur 7% Umsatzsteuer auf Bücher hat (bei uns sind es ja 10%). Da dem Verlag eh nur sehr wenig von einem verkauften Buch bleiben, sind diese 3% mehr oder weniger schon sehr interessant. Welche Erwartungen haben die LeserInnen von heute generell an den Auftritt eines Verlages – und nicht zuletzt, an die Präsentation und den Inhalt guter Bücher? Inwiefern hat sich das verändert? Ich kann nur von mir selbst als Leser sprechen: Ich erwarte mir von einem Verlag, dass er eine übersichtliche und stets aktuelle Website betreibt, auf der ich im Idealfall auch Leseproben zu jedem Buch finde. Super finde ich auch, wenn ein Verlag einen brauchbaren Webshop betreibt, weil ich gerne direkt beim Verlag kaufe. Super ist natürlich auch ein gutes Preis/Leistungsverhältnis. Bei manchen Kleinverlagen sind die Preise deutlich zu hoch angesetzt – da steht man sich dann selber im Weg, wenn man für ein Buch im Reclam Format 20€ verlangt und dann jammert, dass keiner die eigenen Bücher kauft. Auch wenn Bücher grundsätzlich viel zu billig sind, aber manche übertreiben es auch wieder. Der aktive Gebrauch von Social Media scheint im Verlagswesen immer noch recht unterschiedlich praktiziert zu werden. Wieviel Internet braucht es als Verlag – vor allem auch als Independentverlag – im Jahr 2016?
Sehr viel. Gerade Social Media ist für Kleinverlage (die ja meistens nur über ein sehr kleines Werbebudget verfügen) eine super Möglichkeit um – interessante Inhalte vorausgesetzt – eine große Gruppe an Menschen zu erreichen. Hypes gibt es immer wieder – Paradebeispiele: Cat-Content, 50Shades, Vampire, Ernährungsthemen. Inwiefern sind solche Trends für den Holzbaumverlag interessant bzw. uninteressant? Und was darf in eurem Verlagsprogramm nicht fehlen?
Da wir keinerlei Subventionen erhalten und wir einzig vom Verkauf leben, richten wir uns natürlich immer sehr nach Hypes und Trends. Cat-Content ist überhaupt der beste Content, weil das sehr viel Spaß macht und sich – fast immer – auch gut verkauft. Nicht fehlen dürfen vegetarische Themen in unserem Programm, weil ich selber Teilzeit-Vegetarier bin. Zum Schluss hätten wir gerne noch eine Empfehlung: Welches Buch einer/s österreichischen Autorin/Autors hat dich in den letzten 5 Jahren richtig überrascht?
Die beiden Bücher von Stefanie Sargnagel taugen mir so sehr wie sonst nur die Bücher von Charles Bukwoski und Heinz Strunk.
Edition Splitter
Die Edition Splitter – wie auch die Galerie Splitter – wurde von Batya Horn gegründet. Im Verlagsprogramm finden sich Bücher zu den Themen Literatur, bildende Kunst, Philosophie und Soziologie. Wäre die Edition Splitter ein Roman, was wäre ein möglicher Buchtitel? Die Unermüdliche aus der Salvatorgasse. Was ist am Wiener Kleinverlagsdasein super und was wäre anders (oder woanders) schöner? Unabhängigkeit und Alleinbestimmen. Woanders – das ist immer die Utopie, aus der die Edition Splitter naturgemäß auch lebt. Wer die Utopie nicht mehr hochhält, hat das Menschsein aufgegeben. Tod. Welche Erwartungen haben die LeserInnen von heute generell an den Auftritt eines Verlages – und nichtzuletzt, an die Präsentation und den Inhalt guter Bücher? Inwiefern hat sich das verändert? Bei dem Überfluß an Büchern muß etwas Besonderes an Inhalt und Aufmachung geboten werden; auch der Buchhändler kann zur Bekanntmachung eines Verlages beitragen, aber auch das ist nicht immer gegeben, da vornehmlich auf Kommerz Wert gelegt wird. Das einzige, was die Edition Splitter nicht interessiert: Geld um des Geldes willen. Der aktive Gebrauch von Social Media scheint im Verlagswesen immer noch recht unterschiedlich praktiziert zu werden. Wieviel Internet braucht es als Verlag – vor allem auch als Independentverlag – im Jahr 2016? Ein kleiner Verlag wie meiner hat sich mit Buchpräsentationen, Rezensionen, Interviews der Autoren und einer Homepage zu begnügen, da für Werbung die Mittel fehlen. Wenn überhaupt, sind Förderungen aus öffentlicher Hand spärlich. Hypes gibt es immer wieder – Paradebeispiele: Cat-Content, 50 Shades, Vampire, Ernährungsthemen. Inwiefern sind solche Trends für die Edition Splitter interessant bzw. uninteressant? Und was darf im Verlagsprogramm nicht fehlen? Nein, all die genannten Themen würden bei Splitter nie erscheinen. Für mich sind herausfordende Themen interessant, die ein anderer Verlag gar nicht macht. Der Mainstream interessiert sich nicht für die wirklich wichtigen Fragen unserer Zeit. Mich aber interessieren die wichtigen Fragen. Demenstprechend gestalte ich das Verlagsprogramm. Zum Schluss hätten wir gerne noch eine Empfehlung: Welches Buch einer/s österreichischen Autorin/Autors hat Sie in den letzten 5 Jahren richtig überrascht? "Norbert Gstrein – In einer freien Welt"
Luftschacht Verlag (© cédrickaub)
Jürgen Lagger ist Verleger beim Luftschacht Verlag und bietet der Leserschaft Belletristik, Graphic Novels, Kinder- und Architekturbücher. Wäre der Luftschachtverlag ein Roman, was wäre ein möglicher Buchtitel? "Glaube, Liebe, Hoffnung". Zum einen, weil es ein Lieblingstext meiner Jugend ist, Ödön von Horváth (liest man den heute noch?), zum anderen (jetzt wirds ein bisschen pathetisch), weil dieses Dreigestirn unabdingbar für ein Projekt wie Luftschacht ist: Der Glaube (nicht religiös konnotiert) an die Texte und Bücher, die man macht, die Liebe zu ihnen (und ihren AutorInnen) und die Hoffnung, dass etwas von all dem dann auch aufgeht, was man sich so vorstellt. Und: Auch Ödön von Horváth hat sich den Titel mehr oder weniger schon ausgeborgt, "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die Größte unter ihnen." So heißt's in der Bibel schon, wiewohl dort natürlich deutlich umfassender gemeint. Was ist am Wiener Kleinverlagsdasein super und was wäre anders (oder auch woanders) schöner? Naja, das ist schwer zu umreißen und bei mir eher persönlich bestimmt: Wien ist einfach die Stadt, in der ich jetzt seit über 30 Jahren lebe, und ich denke, wir passen ganz gut zueinander, Tempo, Lebensgefühl, eine gewisse Melancholie, manchmal misanthropisch, aber an sich eh ganz freundlich, das hat schon was. Darüber hinaus ist Wien aber auch die einzige Großstadt in diesem Lande, was zum Glück (inzwischen) mit einer gewissen Weltläufigkeit, Modernität und Offenheit einhergeht, auch über Kunst und Kultur hinaus, das find ich wichtig. Alles jetzt nichts speziell auf den Kleinverlag zugeschnittenes, zugegeben (da spielt dann eher die Vernetzheit in der Stadt eine Rolle), aber es geht ja auch ums Atmosphärische. Luftschacht in zum Beispiel Salzburg oder Klagenfurt fände ich jetzt eine lustige Vorstellung, ausprobieren will ich's aber nicht. Welche Erwartungen haben die LeserInnen von heute generell an den Auftritt eines Verlages – und nichtzuletzt, an die Präsentation und den Inhalt guter Bücher? Inwiefern hat sich das verändert? Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Das Verhältnis Verlag zu LeserInnen scheint mir tendenziell insofern überschätzt, als die wenigsten LeserIinnen sich für die Verlage interessieren, die hinter den Büchern stecken (zumindest in meiner Wahrnehmung), als für deren AutorInnen (was auch irgendwie okay ist: Man interessiert sich auch eher für MusikerInnen als für das Label dahinter; in der Mode ist das vielleicht ein bisschen anders gelagert). Jene aber, die sozusagen einem bestimmten Verlag "folgen", fühlen sich, denke ich, von Themen, Schwerpunkten, Geisteshaltungen, aber auch von Layout, Gestaltung und Ausstattung der jeweiligen Bücher angezogen, von sowohl inhaltlicher, gestalterischer aber auch ökologischer Nachhaltigkeit – das sind für uns sozusagen die idealen LeserInnen, weil die erreichen wir ganz gut; der "Mainstream" aber ist das nicht. Der aktive Gebrauch von Social Media scheint im Verlagswesen immer noch recht unterschiedlich praktiziert zu werden. Wieviel Internet braucht es als Verlag – vor allem auch als Independentverlag – im Jahr 2016? Das finde ich auch schwer abzuschätzen; zwar bieten einem Social-Media-Plattformen natürlich theoretisch die Möglichkeit, ohne größeren finanziellen Aufwand eine erkleckliche Anzahl von Menschen zu erreichen, aber überschätzen sollte man irgendwelche Facebook-Likes dann doch wieder eher nicht. Wir sind abseits eines Verlags-Newsletters, der so ein bisschen unregelmäßig daherkommt, bislang auch nur auf Facebook vertreten (Twitter ist mir zum Beispiel zu hysterisch) und unsere Seite dort bespielen wir mit ganz unterschiedlichen Dingen. Klar weisen wir auch auf Neuerscheinungen hin oder mal auf speziell gute Rezensionen oder was wir in Zukunft so planen, in Summe dient es aber auch sehr oft einfach nur der Unterhaltung jener, die den Verlag jetzt schon mal grundsätzlich ganz interessant oder sympathisch finden. Und dann gibts natürlich noch die Verlags-Website, die finde ich als Informationsbasis schon wichtig, den auch vorhandenen Webshop halt ich aber hingegen für ein ziemliches Auslaufmodell. Hypes gibt es immer wieder – Paradebeispiele: Cat-Content, 50Shades, Vampire, Ernährungsthemen. Inwiefern sind solche Trends für den Luftschachtverlag interessant bzw. uninteressant? Und was darf in eurem Verlagsprogramm nicht fehlen? Das ist schnell beantwortet: Es gibt weniges, was mich weniger interessiert als irgendwelche Hypes oder Trends, denen man als kleiner Verlag sowieso nur hinterher hecheln kann. Mir ist das immer sehr suspekt (und auch ein bisschen peinlich) und das sollen dann doch bitte andere machen. Ich sehe unsere Aufgabe eher darin, Widerständiges zu entdecken (egal in welchem Bereich, ob Belletristik, Comic oder Kinderbuch) und dem, was wir für relevant halten, einen gewissen Raum zu verschaffen. Die 50-Shades-Of-Gray-Nachfolge-Manuskripte, die uns so zahlreich erreicht haben, haben wir aber natürlich trotzdem total gerne gelesen. Zum Schluss hätten wir gerne noch eine Empfehlung: Welches Buch einer/s österreichischen Autorin/Autors hat dich in den letzten 5 jahren richtig überrascht? "Alte Meister" (Thomas Bernhard) gezeichnet von Nicolas Mahler. Ich bin gar kein so besonderer Bernhard-Fan, aber die Umsetzung von Mahler finde ich hinreißend gelungen und aufregend neu.
Milena Verlag (© Philipp Schneider)
Der Milena Verlag hat sieben Reihen – darunter: Literatur, Beastie Books, Klassiker, Krimi, Comic, Sachbuch und Zeitgeschichte. Verlegerin Vanessa Wieser gibt uns einen Einblick:
Wäre der Milena Verlag ein Roman, was wäre ein möglicher Buchtitel? Da fällt mir nur einer ein: "Die gigantische Erfolgsgeschichte des Milena Verlags. Vom Frauenverlag zum internationalen Kultliebling". Unbescheiden und bisher unbestätigt. Was ist am Wiener Kleinverlagsdasein super und was wäre anders (oder auch woanders) schöner? Super ist, dass ich das mache, was ich seit ich 6 Jahre alt bin, mache, nämlich viel Zeit mit Büchern und nachdenken zu verbringen. Voll super ist, dass mir kein Chef dreinredet, weil ich der Chef bin (hoho) und auch das Programm gestalte: Programm gestalten ist sehr super; Bücher auszusuchen, die die Zeit überdauern, ist ganz meins, da komme ich mir einigermaßen bedeutungsvoll vor und die Arbeit mit Öffentlichkeit befriedigt mich auch sehr. Super ist auch, dass man viel näher an den Autorinnen und Autoren dran ist als bei einem großen Verlag, wo man die Leute oft nicht kennt. Voll super ist das Einkaufen von Lizenzen internationaler Bücher, da weht der Eishauch der Geschichte durchs Büro und wir sind ganz andächtig. Auch super: Wenn man Erfolg hat und Medien und Buchhandel das Buch gut annehmen. Irre superst: Wenn man keine Geldsorgen hat. Die hatten wir schon öfter und dafür hab ich echt nicht die Nerven. Dass wir in Wien sind, finde ich auch super, weil ich voll auf Wien stehe. Also anderswohin zieht es mich gar nicht, außer vielleicht in den 7. oder 2. Bezirk, wo ein Milena-Geschäftslokal (Verkauf ab Hof) auch super wäre.
Was noch schöner wäre: Wenn sehr, sehr viele, also alle LeserInnen, JournalistInnen und BuchhändlerInnen unseren Verlag kennen und schätzen, unsere Bücher kaufen oder feilbieten (leckere Auslagenluft schnuppern lassen!) oder sehr ausführlich rezensieren, das Titelblatt im Falter oder The Gap: einfach super! Voll super auch, wenn uns die Medien und Filmproduktionsfirmen regelrecht nachlaufen, weil sie dermaßen Feuer gefangen haben. Noch schöner wäre auch, wenn ein Multimillionär vorbeispaziert und mir einen Haufen Geld schenkt, dann kaufe ich nämlich immer die geilsten Lizenzen ein, hole mir die besten ÜbersetzerInnen dafür und mache absolut alles in absolut der besten Ausstattung, die es gibt. Pressereisen nach Hawaii und Buchhändlerreisen an die Amalfi-Küste, das sollte dann funktionieren. Dream on … Welche Erwartungen haben die LeserInnen von heute generell an den Auftritt eines Verlages – und nicht zuletzt, an die Präsentation und den Inhalt guter Bücher? Inwiefern hat sich das verändert? Ich weiß ehrlich nicht, ob LeserInnen Erwartungen an den Auftritt eines Verlages haben. Ich denke, man kauft ein Buch und weiß meistens gar nicht, von welchem Verlag es ist. Den meisten ist das wurst. Aficionados, Literaturextrembegeisterte und die vielen AutorInnen und MitarbeiterInnen der Buchbranche schauen da schon genauer hin und kriegen den Auftritt mehr mit. Schön. Was den Inhalt betrifft, sind die Geschmäcker ja dermaßen verschieden: Viele lesen ja eh nur ein Buch pro Jahr und das im Urlaub und zwar "Bridget Jones" oder einen Liebesroman, wo alles furchtbar witzig und Carry-Bradshaw-artig ist. Die haben keine hohen Erwartungen, die greifen halt in das Regal, wo Liebe oder Unterhaltung draufsteht und werden gut bedient. Wenn ein Verlag echte Fans hat und seine Programmlinie umstellt, sind diese sicher enttäuscht, aber so viele sind das nicht angesichts der Hunderttausenden Bücher und Abertausenden Verlage. Ich bin der Meinung, dass eh jedes Buch für sich steht und ankommt oder nicht. Wenn du mal einen Bestseller hattest, heißt das null für das nächste Programm, weder Buchhandel noch Medien flippen deshalb automatisch vor Vorfreude aus. Da heißt es dann wieder: alles auf Start und erneut abwarten, ob die Bücher gut ankommen. Der aktive Gebrauch von Social Media scheint im Verlagswesen immer noch recht unterschiedlich praktiziert zu werden. Wieviel Internet braucht es als Verlag – vor allem auch als Independentverlag – im Jahr 2016? Je nun, diese Social Medias einzuschätzen ist schwer. Das ist ja alles eine Charakterfrage, Ich selbst war schon in der Schule sehr gern der Klassenclown und immer erst zufrieden, wenn alle lachen und sich liebhaben. So praktiziere ich das auch auf Facebook, ich will was Witziges beitragen und die Leute zum Lachen bringen, das taugt mir am besten und das lese ich auch am liebsten bei anderen. Als wir als Verlag noch eine Freundesseite hatten, hab ich auf der viel gepostet und das kam sehr gut an. Dann wurden wir von Zuckerberg brutal und ohne uns zu fragen auf eine Unternehmensseite umgestellt, und seither schreibe ich eher unter meinem eigenen Namen, weil verflixterweise die Leute Unternehmensseiten nicht so liken wie Freundesseiten. Wir rummsten also von 70 Likes pro Schmäh auf 7 Likes runter, verdau das mal! (Ironie. Trotzdem war es zu Beginn recht einsam.) Ich kenne ja die Seiten anderer Verlage: Wenn du nur kurz und schmallippig Veranstaltungen postest oder die Ankündigungen von Neuerscheinungen, dann bringt das oft nicht viel bis nichts. Wenn du ein bissl Witz hineinlegst, schauen die Leute schon öfter vorbei und irgendwann dann einmal vielleicht fühlt sich einer so angesprochen, dass er sogar ein Buch kauft. Das ist das eine Ziel. Das andere Ziel ist der Weg und der besteht eben aus Präsenz. Präsenz ist wichtig und man kriegt sie durchaus durch Social Medias. Hypes gibt es immer wieder – Paradebeispiele: Cat-Content, 50Shades,Vampire, Ernährungsthemen. Inwiefern sind solche Trends für den Milena Verlag interessant bzw. uninteressant? Und was darf in eurem Verlagsprogramm nicht fehlen? Die sind eher uninteressant, was ohnehin schon die Großen mit den besseren Vertriebsmöglichkeiten machen, das lassen wir bleiben, weil es bei uns vergleichsweise untergeht. Außerdem haue ich mir mit Cat-Content und Dings das gute Image zusammen. Ich möchte nicht jedem Trend nachlaufen, nur weil der vielleicht mehr Geld einbringen könnte, das ist mir zu prostituierend. Abgesehen davon vergehen die Trends ohnehin immer schneller, da kommt ja kein Mensch mehr nach. Wir halten schön unseren Kurs ein: originelle, schnelle Gegenwartsliteratur, immer wieder mal eine schöne Übersetzung, wertvolle Klassiker – das sind unsere Eckpfeiler (neben anderem). Zum Schluss hätten wir gerne noch eine Empfehlung: Welches Buch einer/s österreichischen Autorin/Autors hat dich in den letzten 5 Jahren richtig überrascht? Das kann ich dir sagen, überrascht hat mich zB. Elias Hirschl. Er ist blutjung und hat seit heuer schon zwei Romane am Start. Im Frühjahr erschien "Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt". Ein Knallerbuch, intelligent, rasend witzig, stark. Und ich muss unbedingt darauf hinweisen, dass im Frühjahr 17 ein gigantischer Debütroman mit absolutem Kultpotenzial bei uns erscheinen wird, geschrieben von einem bekannten Wiener Musikproduzenten und DJ: 600 Seiten und wenn du fertig bist, willst du sofort wieder von vorne beginnen, weil du einfach drauf bist.
Edition Atelier
Edition Atelier sind das Dreiergespann Jorghi Poll, Sarah Legler und Sebastian Reiner. Zu dritt haben sie auch unsere Fragen zu ihrem Verlag für Zeitgenössische Literatur beantwortet.
Wäre die Edition Atelier ein Roman, was wäre ein möglicher Buchtitel? Es gibt im Verlag selbst schon das Buch mit dem passenden Titel. In der Reihe "Wiener Literaturen" ist die Autobiografie des Journalisten und Autors Stefan Großmann (1875–1935) erschienen. Der Titel seines Lebensbuches: "Ich war begeistert". Wir würden das einfach nur noch ins Präsens setzen. Was ist am Wiener Kleinverlagsdasein super und was wäre anders (oder auch woanders) schöner? Durch die österreichische Verlagsförderung und die Förderungen der Stadt Wien dürfen wir ein literarisches Programm aufziehen, an das wir sonst nicht einmal im Traum denken könnten. Es gibt hier eine sehr spannende junge Literaturszene, die gar nicht so marktangepasst schreibt, sondern ihren eigenen Kopf hat. Da findet sich nicht nur außerordentliches Talent, sondern beispielsweise auch viel Gesellschaftspolitisches, etwas, das in allernächster Kürze wieder sehr gefragt sein wird. Diese Autorinnen und Autoren sind ein großes Versprechen für die Zukunft.
In Berlin machen wir eine Veranstaltungsreihe namens LiteraturMagnet (gemeinsam mit dem Verbrecher Verlag und dem Österreichischen Kulturforum) – dort würde es uns auch gut gefallen. Wien ist uns natürlich lieber. Welche Erwartungen haben die LeserInnen von heute generell an den Auftritt eines Verlages – und nicht zuletzt an die Präsentation und den Inhalt guter Bücher? Inwiefern hat sich das verändert? Da gibt es leider keine einfache Antwort. Erwartungshaltungen sind immer individuell unterschiedlich. Gerade bei Büchern. Das macht unsere Arbeit ja auch so spannend, und natürlich auch immer wieder überraschend. Der Auftritt des Verlages ist wohl weniger für die LeserInnen als in erster Linie für die Buchhandlungen interessant. Leserinnen und Leser orientieren sich mehr am einzelnen Buch bzw. an der Autorin/am Autor. Wer allerdings auch auf die Verlage schaut, der sieht, dass es viele kleinere Verlage gibt, die sowohl inhaltlich als auch von der Ausstattung her hochqualitative Bücher machen. Wir versuchen das natürlich auch. Die kulturpessimistische Ansicht, dass es nicht (mehr) um Qualität geht, teilen wir daher verständlicherweise nicht. Der aktive Gebrauch von Social Media scheint im Verlagswesen immer noch recht unterschiedlich praktiziert zu werden. Wie viel Internet braucht es als Verlag – vor allem auch als Independentverlag – im Jahr 2016? Wie überall geht es auch hier vermeintlich um Aufmerksamkeit. Dabei ist es natürlich keineswegs so, dass allein Quantität die entscheidenden Meter macht. Wenn ich als Verlag eine launige Statusmeldung abgebe, heißt das nicht, dass auch nur ein einziges Buch mehr gelesen wird. Trockene Verweise auf Rezensionen usw. sind zwar Standard, werden aber kaum geklickt. Man braucht also eine gute Mischung und eine gewisse Regelmäßigkeit, wobei die für kleinere Verlage oft nur schwer einzuhalten ist, vor allem natürlich, weil man ja eigentlich vieles andere zu tun hat – zum Beispiel Bücher machen.
Dass Digitalisierung und Internet den Verlagen die Arbeit ungemein erleichtern, muss man ja nicht mehr erwähnen. Die Probleme, die ganz allgemein in digital geprägten Arbeitsbereichen vorhanden sind, gibt es aber hier selbstverständlich auch, wie z.B. Entgrenzung von Arbeit und Privatleben, das Steigen der Arbeitsbelastung, Stressfaktoren in der Kommunikation usw. Hypes gibt es immer wieder – Paradebeispiele: Cat-Content, 50Shades, Vampire, Ernährungsthemen. Inwiefern sind solche Trends für die Edition Atelier interessant bzw. uninteressant? Und was darf in eurem Verlagsprogramm nicht fehlen? Diese Art Hypes sind für uns eher uninteressant, obwohl wir in unserer phantastischen Buchreihe "Bibliothek der Nacht" sogar einen Vampirroman im Programm haben: "Die letzte Nacht" von Furio Jesi. Das ist aber eher eine Parabel auf den Faschismus als ein präsexueller Jungmenschentraum. Als Verlag interessieren wir uns mehr dafür, wie Sprache die Gesellschaft verändert. Ein Beispiel hierfür ist der Populismus, der im gleichen Gewand wie vor einhundert Jahren wieder in den Wohnzimmern Einzug hält. Oder die Tatsache, dass rechtspopulistische Parteien mit fingierten Skandalaussagen die naive Presselandschaft so vor ihren Karren spannen können, dass jeden Tag ein neuer Spruch auf den Titelseiten zu finden ist. Leider hat die Presse seit Jahren maßgeblich dazu beigetragen, diesen Populismus wieder stark zu machen und salonfähig zu machen, nicht nur die Boulevards, auch die sogenannten intellektuellen Blätter. Weil wir uns als Verlag mit zeitgenössischer Literatur beschäftigen, sind es also in vielerlei Hinsicht vor allem die Fragen zur Gegenwart, mit denen wir uns auseinandersetzen. Zum Schluss hätten wir gerne noch eine Empfehlung: Welches Buch einer/s österreichischen Autorin/Autors hat dich in den letzten 5 Jahren richtig überrascht? Überrascht hat auf jeden Fall Michael Köhlmeier mit seinem Roman "Mädchen mit Fingerhut". Darin hat er es geschafft, zu einer wichtigen zeitpolitischen Frage, nämlich die nach dem Umgang mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, auf relevante literarische Weise Stellung zu beziehen. Köhlmeiers Rolle in der österreichischen Literatur ist ja ansonsten eigentlich eine andere.
Wer noch mehr Klein- und Independentverlage kennenlernen will, sollte sich für das kommende Frühjahr bereits den Indiebookday und für den Herbst Wiens Buchmesse für Kleinverlage – Das BuchQuartier – in den Kalender eintragen.