Hätte Giotto eine Sega gehabt

Im Wort Genesis verbindet sich beim amerikanischen Künstler Dan Hernandez Sega-Ästhetik mit den biblischen Gemälden Giottos, Duccios und Co. Wie er das macht und warum alle so darauf abfahren, kann man hier sehen.

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Was haben Giotto, Hieronymus Bosch, Super Mario und Space Invaders gemeinsam? Die Frage stammt nicht von einem ins Sommerloch gefallenen Kunstgeschichte-Dozenten und auch nicht von seinem versoffenen Studenten nach 3-monatigem Ferienrausch. Sie kommt aus der Praxis und aus dem kreativen Alltag des US-amerikanischen Künstlers Dan Hernandez, der die Frage außerdem schon beantwortet hat.

Jump ’n‘ run ’n‘ pray

Die Bilder, die diese Frage ziemlich eindeutig beantworten können, hängen im Moment in der Kim Foster Gallery in Manhattan und haben für ziemlich viel Wirbel in der Gamer- aber auch in der Kunstszene gesorgt. Hernandez schafft es nämlich Figuren angelehnt an die Sega Stars der 90er in die italienische Malerei der Renaissance zu setzen, ohne dass das Ganze unstimmig wirkt. Ganz im Gegenteil sogar – Hernandez setzt die flächigen Figuren in ihrer typischen Sega-Ästhetik einfach in die ebenso flächigen, perspektivenlosen Renaissance-Landschaften Simone Martinis, Giottos und Duccios ein, und so geschieht diese Vermischung relativ unbemerkt.

Die scheinbar unendlichen, horizontalen Landschaften seiner Bilder hat Hernandez sich ganz einfach aus den Jump-’n‘-Run-Klassikern geliehen. Man wartet nur darauf, Super Mario auf der Jagd nach den sechs Golden Coins durchs Bild hopsen zu sehen, ganz gleich ob er dabei an Jesus und ein paar Laserkanonen abfeuernden Apostel vorbei muss. Die übertrieben proportionierten Video-Game-Eindringlinge fühlen sich in ihrer neuen Umgebung also scheinbar wohl, denn die wichtigsten Parameter ihrer Existenz bleiben ja sowieso dieselben – die Guten kämpfen gegen die Bösen, die werden dann zu Helden und bestehen in Schlachten und Kriegen. Alles beim Alten. Nur noch ein bisschen älter.

Beim ersten Hinsehen wirken die Bilder Hernandez also tatsächlich wie mittelalterliche Altarbilder und Fresken, erst beim zweiten Blick erkennt man die verpixelten Männchen, die als Soldaten unendliche Leitern hochklettern oder als Engel Laserkanonen abfeuern, und dass das alles in einer Umgebung aus meterhohen Kletterpflanzen und fliegenden Schlössern passiert. Im Bild "Siege of Intelari Stronghold" verschmelzen Space Invaders mit Donkey Kong und einer muskulösen beflügelten Figur die offensichtlich aus dem Street-Fighter-Universum stammt. Ihr Umfeld wirkt dabei so als ob Fra Angelico es genauso visioniert hätte. In "Segacielo Civita" fliegen Schlösser herum und erinnern deshalb an die virtuellen Landschaften Minecrafts oder Final Fantasys.

Mit Laserstrahlen das Meer teilen

Das Collageverfahren, das Hernandez hier anwendet, indem er biblische Szenarien der Renaissance-Malerei mit Sega-Popkultur-Ästhetik in einen Topf wirft, einmal kräftig umrührt und dann frisch zubereitet, ist an sich in der Zeit der sogenannten Postmoderne nichts Ungewöhnliches. Hernandez hebt es lediglich auf das nächste Level. Ist kurz davor den sechsten Golden Coin zu gewinnen. Irritierend wirkt zunächst nur die Stimmigkeit dieses Gemisches. Zwar weiß man aus dem Religionsunterricht, dass Noah und Moses keine Laserschwerter besaßen und die Apostel auch nicht mit Laserstrahlen schossen – Beweise gibt es dafür aber auch keine. Und so ist der Eintritt zu Hernandez Traumwelten frei und unverstellt.

Dan Hernandez Ausstellung "Genesis 2015", deren Titel sich sowohl auf das Buch Genesis, als auch auf die erste Sega-Konsole bezieht, gibt es noch bis zum 24. Dezember in der Kim Foster Gallery in Manhattan zu sehen.

Wir haben ja eine Schwäche für derlei sog. postmodernen Kunst-Crossover. Mehr in dem Stil gibt es hier:

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Kunst Selfies im Kunsthistorischen Museum

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