Katharina Wöppermann ist vor allem dann am Set, wenn die Kamera es nicht ist und doch ist ihre Arbeit praktisch ständig sichtbar. Kürzlich wurde die Wienerin für das Szenenbild von »Licht« mit dem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet – in ihrem Atelier spricht sie mit uns über ihre Arbeit.
In einem unscheinbaren Innenhof im sechsten Bezirk liegt das Atelier von Katharina Wöppermann. Hier feilt die langgediente, mehrfach preisgekrönte Ausstatterin am Szenenbild (vorwiegend) heimischer Kino- und TV-Produktionen. Ihr Schaffen ist in jeder Einstellung präsent, zugleich aber »nicht sichtbar«. »Das ist eigentlich der Witz bei Ausstattung«, erklärt die Wienerin, »sie darf sich nicht zu sehr in den Vordergrund drängen. Es ist immer ein Balanceakt. Man versucht zwar, räumlich etwas Spannendes, Interessantes herzustellen, aber es soll nicht das Geschehen überlagern.« Daran liegt es auch, dass selbst fachkundige Filmfans, die gerne ausschweifend über Regie-Raffinessen und schauspielerische Höhenflüge sinnieren, meist nur eine vage Vorstellung von Szenenbild haben.
Szenenbild ist die gesamte Gestaltung des Filmraumes. »Das beinhaltet die künstlerische Gestaltung, die Drehortsuche, vom Finden der Locations, die man adaptieren muss, bis hin zu komplex gestalteten, gezeichneten und erfundenen Räumen und Orten, die man im Studio aufbaut. Und natürlich gehört auch die gesamte finanzielle und organisatorische Seite dazu«, so Wöppermann.
Zu organisieren gibt es reichlich, beginnend mit dem umfangreichen Team, das unter Wöppermanns Ägide die Filmkulissen vorbereitet, anpasst oder selbst entwickelt. Vom Assistenten, dem Set Decorator, den Außen- und Innenrequisiteuren bis hin zu den Arbeitern der Baubühne umfasst die Mannschaft im Durchschnitt zehn bis zwölf Personen. Sie sind schon lange vor der ersten Klappe im Einsatz. Rücken schließlich die Kameras an, »muss alles stehen, und wir sind schon weg«. Vom Dreh selbst bekommt das Szenenbild-Team dabei nur wenig mit, wie Katharina Wöppermann erklärt: »Wir sind bis auf die Innenrequisite ja eigentlich fast nie direkt beim Drehgeschehen dabei. Wir sind sozusagen wie ein Sputnik außen rum, der alles vorbereitet und nachher natürlich auch alles ausräumen muss, wenn ein Drehort abgedreht ist.«
Schnitzelnachschub und Kutschenfahrten
Als Hauptverantwortliche für alle Locations und Bauten ist Katharina Wöppermann während der Dreharbeiten dennoch im Dauereinsatz. »Ich bin fast immer, wenn es möglich ist, zu Drehbeginn vor Ort. Wenn ich dann das Gefühl hab, es läuft, kann ich das Set verlassen. Die Innenrequisite, mit einem Assistenten, kümmert sich vor Ort um die Ausstattung. Um die Anschlüsse und darum, dass die Spielrequisiten da sind, zum Beispiel Zeitungen, die wir extra produziert haben, oder Lebensmittel, wenn es in der Szene etwas zu essen gibt.«
Auch die vermeintlich unscheinbaren Details bedeuten einen enormen Aufwand und verlangen logistisches Kalkül: »Man muss darauf achten, dass im Glas immer richtig viel drinnen ist, muss drauf schauen, dass das Essen warm ist. Vorher wird besprochen, was gegessen wird und wie viel man davon sieht. Man muss den Ablauf genau besprechen – fängt man quasi bei einem frischen Schnitzel an, dann braucht man unter Umständen zehn Schnitzel für eine Person.«
Zwei Monate lang wird in etwa gedreht, Katharina Wöppermann arbeitet allerdings fünf bis sieben Monate an einem Projekt. Nicht zuletzt, weil es die äußeren Umstände erforderlich machen können. »Ich habe immer das Gefühl, wir liefern quasi das Rohmaterial und dann geht im Schnitt erst die eigentliche Gestaltung des Filmes los«, meint die Ausstatterin. »Und dann kann es schon vorkommen [dass nachgedreht wird]. Manchmal weiß man schon im Vorfeld, zum Beispiel, wenn Jahreszeitensprünge sind, dass man bestimmte Dekorationen noch mal aufbauen oder sich bestimmte Elemente aufheben muss, weil dann zu einem späteren Zeitpunkt noch etwas nachdreht wird. Bei ‚Licht‘ war zum Beispiel die Kutschenfahrt abgekoppelt. Da haben wir die Plates – was man sozusagen früher als Rückprojektionen gemacht hat, wenn an der Kutsche hinten die Häuser vorbeiziehen während der Fahrt – sehr viel später gedreht.«
Ausflug ins Rokoko
Für Barbara Alberts Film »Licht« (2017) ließ Katharina Wöppermann das Wien des Jahres 1777 wiederauferstehen und wurde zum zweiten Mal – nach 2011 für „Women Without Men“ – mit dem Österreichischen Filmpreis für das beste Szenenbild ausgezeichnet. In zweifacher Ausführung steht die Treppenhelix in einer Ecke des Ateliers, bescheiden sind die auffälligen Skulpturen platziert, haben aber doch einen Ehrenplatz erhalten. Die Preisträgerin sieht sie als Freude bereitende Wertschätzung, die ein kurzes Spotlight auf die Arbeit wirft. »Mir ist es immer wichtig, ich möchte das wirklich betonen, dass ich den [Preis] nicht alleine bekomme. Ja, man wird geehrt als Katharina Wöppermann, aber diese vielen Personen, die ich genannt habe, das ist nicht nur so dahin gesprochen, wir machen es gemeinsam.«
Eine besondere Affinität für den historischen Kontext von »Licht« war nicht vorhanden. »Das Rokoko hat mich als Epoche nicht so interessiert, aber durch die Beschäftigung damit sind ganz andere Aspekte hervorgetreten. Das ist das Spannende daran, dass man eintaucht in Zeiten, Lebensweisen und Gebräuche.«
Für solche Projekte recherchiert Katharina Wöppermann unter anderem in Museen und Bibliotheken; neben Büchern sind vor allem Gemälde wichtige Quellen, weil durch die Malerei für sie etwas inspirierend Sinnliches überspringt. Zur Vorbereitung auf ihre Arbeit an »Licht« besuchte die Ausstatterin zudem viele Schlösser, um Motive zu suchen, aber auch um sich an realen Orten Inspiration zu holen, wie sie erzählt: »Wie hat das damals ausgeschaut? Welche kleinen Finessen hat man eingebaut? Wie schauen irgendwelche kleinen Fensterriegel aus? Das geht letztendlich bis in die kleinsten Details, mit denen man sich beschäftigt.«
Einen Film in der Wirklichkeit der jeweiligen Zeit abzubilden, sei trotzdem illusorisch. Es bleibe bei einer Interpretation, in der immer auch die zeitgeistigen Aspekte aus dem Entstehungsjahr der Produktion einfließen würden, erklärt die Szenenbildnerin. Filme, die in der Gegenwart spielen, stellen dagegen eine ganz andere, nicht minder interessante Herausforderung dar: »Die zeitgenössischen Filme – zum Beispiel von Jessica Hausner – das darf man nicht unterschätzen. Wenn man den Anspruch hat, einen bestimmten Look, oder einen bestimmten Aspekt der heutigen Zeit zu erzählen, da muss man eigentlich fast ähnlich vorgehen, damit es nicht beliebig ausschaut. Das ist fast noch schwieriger, weil man in dieser Zeit lebt, umgeben ist von all diesen Dingen. Ich finde das auch eine interessante und anspruchsvolle Aufgabe. Manchmal gelingt es, dass man trotzdem eine Gegenwart erzählt, die ihren eigenen Geschmack, ihre eigene Ausstrahlung hat. Das hat auch seinen Reiz.«
Blumen-Recherche und ein Gerichtssaal für die Diagonale
Katharina Wöppermann stattete bereits vier Filme von Jessica Hausner aus (unter anderem „Amour Fou“, 2014; „Lovely Rita“, 2001) und arbeitet aktuell an einem Projekt der Filmemacherin, über das noch nicht allzu viel verraten werden darf. Aktuell recherchiert sie für die österreichisch-englische Koproduktion, die noch 2018 gedreht werden soll, über Blumen.
Weniger blumig stellte sich ihre Arbeit für »Murer – Anatomie eines Prozesses«, dem Eröffnungsfilm der heurigen Diagonale, dar, für den Wöppermann einen eigenen Gerichtssaal gestaltete. »Mindestens drei Viertel des Films spielen in einem Gerichtssaal, den man so auch nicht bekommen kann, weil Gerichtssäle so lange nicht für Dreharbeiten zur Verfügung stehen. Deswegen haben wir den Gerichtssaal im Studio nachgebaut.« Wie ihre Arbeit auf der Kinoleinwand wirkt, davon kann sich Katharina Wöppermann erst zum Auftakt des Festivals überzeugen. »Ich habe den fertigen Film noch nicht gesehen und bin schon neugierig. Ich sehe ihn dann bei der Diagonale.«