Jetzt wird der alte Türkenwirt tatsächlich abgerissen. Wie das krachige Programm zum vorläufigen Abschied der punkgeschichtsträchtigen Location aussieht und welche Pläne es für den Neuanfang gibt, haben uns drei Leute vom Kollektiv erzählt: die zwei Aktivistinnen M. und R. und der ebenfalls zum Tüwi gehörige W.
Eure Veranstaltungsreihe hat den leiwanden Titel "Final Countdown / Tüwi wird unsterblich in 7 Akten" – das klingt nach Kampfansage und Drama zugleich. Wie geht es euch jetzt mit diesem Ausgang?
W: Vielleicht erstmal zum Titel (alle lachen): Das war gar nicht so einfach. Wir hatten in letzten Wochen sehr viel zu tun, einiges ist sogar jetzt noch ungewiss – zum Beispiel: der konkrete Zeitplan für den Umzug – im Endeffekt hat die ÖH dann die Titelgebung übernommen.
R: Eigentlich war uns nur wichtig, dass der Titel positiv klingt und vermittelt, dass es eben nicht "aus" ist, sondern weitergeht.
M: Ich glaube auch, dass in Wien grad viel Verwirrung darüber herrscht, was mit dem Tüwi passieren wird. Das alte Gebäude wird abgerissen – wir haben uns allerdings vertraglich abgesichert und werden im Neubau wieder vertreten sein. Dafür haben wir jahrelang mit viel Energie und Einsatz gekämpft – deswegen passt der Titel ganz gut. Außerdem gibt es uns ja weiterhin. Das Tüwi wird inzwischen für 2 bis 3 Jahre in Containern untergebracht sein.
W: Zum zweiten Teil der Frage – wie es uns damit geht – : Die Situation ist von Anfang an schwierig und zwiespältig gewesen. Von Seiten der Besitzerin des Gebäudes, der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), wie auch von Seiten der Uni überwogen letztendlich Verwertungsinteressen bei der endgültigen Entscheidung – typisch für heutige Prozesse der Stadtentwicklung und Gentrifizierung. Dass die Boku gewachsen ist und mehr Raum braucht, ist schon nachvollziehbar – aber natürlich trauern wir dem Gebäude nach. Es ist komisch zu sehen, wie die Umzugsfirma Stück für Stück rausträgt.
R: Und Zweifel bleiben auch. Zum Beispiel darüber, ob die Sanierung des alten Tüwis wirklich teurer als der Neubau gewesen wäre – vieles war da bis zuletzt kaum zu durchblicken.
M: Für mich ging es jetzt – trotz der Debatte über 15 Jahre hinweg – irrsinnig schnell. Wenn man jedes Jahr hört – "Jetzt wird abgerissen" – denkt man trotzdem: Na, wird eh ned passieren. Auch wenn man für den Fall der Fälle vorgearbeitet hat.
In eurer Veranstaltungsankündigung kann man über den geplanten Neubau lesen, dass euch "moderne Räumlichkeiten" erwarten. Moderne Räumlichkeiten klingt erstmal wenig nach Punk – Gibt es schon konkrete Überlegungen, wie der alte Spirit unter den neuen Bedingungen erhalten werden soll?
W: Moderne Räumlichkeiten? Das muss das Autocorrect gewesen sein (lacht).
R: Naja, es stimmt, erstmal wird es "nicht alt" aussehen. Wir werden auf jeden Fall aber Teile des alten Tüwis wieder einbauen. Zum Beispiel die Holzvertäfelungen, die es schon immer im Türkenwirt gab – auch wenn das eigentlich von der Ästhetik nicht reinpasst. Das ist uns egal. Das Tüwi soll weiterhin nach Freiraum aussehen. Danach, dass man hier machen kann, was man will – solange es nicht gegen unsere Prinzipien geht.
M: Klar gibt es Bedenken, wie man das alte Tüwi in das neue Gebäude übersetzen kann – aber andererseits: Tüwi stand schon immer für Mischmasch. Das Ziel ist sicher nicht, ein Hipsterlokal draus zu machen.
W: Ich denke auch, dass die Wiener Szene den medial schon öfters zititeren "abgefuckten Flair" des Originals schnell wieder reinbringt.
Ergeben sich jetzt auch zusätzliche Möglichkeiten für euch, die in den alten Räumlichkeiten nicht umsetzbar waren?
R: Die neuen Räumlichkeiten werden technisch relativ gut ausgestattet sein. Das betrifft vor allem die Tontechnik. Dadurch, dass der Gastraum auch weniger verwinkelt ausfällt, kann man zukünftig gemütlicher zur Bühne schauen. Wird auf jeden Fall eine geile Location für Partys, Konzerte, Theater uvm.
W: Ein Nachteil ist, dass im neuen Gebäude jeder Quadratmeter auf einen bestimmten Nutzungszweck festgelegt ist. Im alten war man flexibler – es gab einen Proberaum im Keller oder auch Räume für Plena im ersten Stock – mal schaun, ob dieser Spielraum in Zukunft noch gegeben ist.
Das Programm für die nächsten Tage beinhaltet nach gewohnter Tüwi-Art kulturell so ziemlich alles: Podiumsdiskussionen, Workshops, Poetryslams und natürlich Konzerte – wie habt ihr die Bands für die Final Countdown-Woche ausgewählt?
W: Insgesamt überwiegen befreundete Acts wie Lawanda Kawumm, die hier über Jahre hinweg in unterschiedlichsten Varianten aufgetreten ist. Aber auch einige neue Bands sind mit dabei. Die haben schon vor Monaten angefragt, als klar war, wie das hier ausgeht.
M: Teilweise ist die Auswahl auch thematisch. Es gibt am Dienstag den Tüwi-Schwerpunkt "Flucht", der auch mit dem Sozial-und Integrationstag der ÖH zusammenfällt – dafür haben wir Acts mit migrantischen und antirassistischen Hintergrund eingeladen, die eher in die Hip-Hop und World Music-Richtung gehen. Am Mittwoch treten viele unserer Hausbands im Rahmen unseres vorgezogenen Geburtstagsfests auf. Ost in Translation zum Beispiel, die wahrscheinlich mit Abstand am öftesten hier gespielt haben. Donnerstags gibt es eher Reggae, Freitag wird’s Rock- und Punklastiger – Electro und Tekkno werden aber auch nicht zu kurz kommen.
Und wie wörtlich darf man den Abschluss-Programmpunkt "Tüwi Abriss" am letzten Tag – dem Samstag – verstehen? Kann man sich ein Stück altes Tüwi mitnehmen?
R: Das ist nicht wirklich der Plan, nein. Wir wollen schon einen ökologischen Abriss (lacht). Also, nicht wahllos. Geplant ist aber eine Auktion für einige Tüwi-Ziegelsteine. So gut es geht, möchten wir Teile des alten Gebäudes, die man wieder verwenden kann, Sozialprojekten zur Verfügung stellen. Also, die Fenster zum Beispiel brauchen wir noch.
Das Programm für die Abschlussfeierwoche steht unter dem Zeichen der Tüwi-Unsterblichkeit und wird von 11.4. bis 17.4. 2016 stattfinden. Mehr Infos findet ihr hier.