Hüterinnen der Konten

Wer online oder in der Buchhandlung des Vertrauens nach Reiseführern sucht, wird feststellen, dass es Reiseführer "nur für Frauen" gibt. Warum eigentlich? Eine Spurensuche.

Für Freizeit und Urlaub geben ÖsterreicherInnen laut einer APA-Statistik 15,9 % ihres Einkommens aus. Einige von ihnen werden bestimmt auch Reiseführer kaufen. Die Suche nach „Reiseführer“ führt bei der Buchhandlung Thalia zu 2158 Treffer. Wie viel Umsatz Thalia mit Reiseführern macht, will man uns auf Anfrage aber nicht beantworten.

Die Betreiberinnen der feministischen Buchhandlung ChickLit sehen Reiseführer für Frauen ambivalent. Einerseits sei es zwar notwendig, feministische Reisebücher zu produzieren, die nach der Geschichte und Kultur von Frauen in den jeweiligen Ländern fragen, andererseits kommen in den letzten Jahren vermehrt Reiseführer auf den Markt, die Klischees entsprechen und das Label „für Frauen“ tragen. Diese werden bei ChickLit nicht verkauft.

Ehemals männliche Domäne Reisen

Haben Männer und Frauen also unterschiedliche Reiseverhalten und -bedürfnisse? Peter Zellmann vom Institut für Freizeit- und Tourismusforschung meint, dass es keine signifikanten Unterschiede im Reise- und Freizeitverhalten von Männern und Frauen gebe. Die Unterschiede werden vielmehr eher überschätzt, sie seien nur im Detail vorhanden. So seien Männer eher an Sport und Frauen eher an Kultur interessiert. „Aber eben nur eher. Darüber hinaus werden auch diese relativen Unterschiede immer kleiner“, wie Zellmann betont. Nicole Adler sieht Unterschiede zwischen den Geschlechtern beim Reisen und begründet diese folgendermaßen „Ja. ich denke, Frauen haben beim Reisen doch andere Ansprüche als Männer. Sind meistens sehr gut informiert – wollen über Mode- und Beauty-Adressen, Restaurants, Märkte, Szene und Hotels Bescheid wissen.“

Nicht außer Acht gelassen werden darf beim Thema Reisen und Geschlecht, dass Reisen lange Zeit eine männliche Domäne war. So heißt es etwa in einem dieStandard.at-Artikel: „Bis weit ins 19. Jahrhundert, dem Zeitalter des europäischen Kolonialismus, war Reisen ein mehr oder weniger ausgesprochenes Vorrecht der Männer.“ Dennoch habe es schon immer auch reisende Frauen gegeben, etwa Ida Pfeiffer, Maria Merian oder Mary Kingsley.

Zudem ist das Reisen in bestimmte Länder (wie etwa Indien) für Frauen gefährlicher als für Männer. Daher verwundert es auch nicht, dass es einige Reiseangebote speziell nur für Frauen gibt. Oder Tipps für alleinreisende Frauen im Internet kursieren. In diesen werden in erster Linie diskutiert, wie Frauen sich vor Anmachen in fremden Ländern schützen sollen: Etwa in dem sie einen Ring tragen, einen Freund vortäuschen und sich nicht in die Nähe von alleinstehenden Männern (z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln) begeben. Bei Tipps dieser Art wird auch wieder einmal ersichtlich, dass die Gefahr beim Reisen für Frauen in erster Linie darin besteht, sich vor sexuellen Übergriffen zu schützen.

Frauen als Zielgruppe

Frauen stellen, laut Nicole Adler, beim Reisen eine große Zielgruppe dar. Sie reisen gerne. Peter Zellmann bestätigt, dass es meist Frauen sind, die den Urlaub planen. Und es sind allgemein oft Frauen, die Konsumentscheidungen treffen: Laut einer Studie entscheiden etwa in den USA zu 80 % Frauen, was gekauft wird.

In diesem Zusammenhang kommt man auch nicht umher, unnötig gegenderte Produkte, wie etwa Gurken, Tee oder Bratwurst nur für Männer bzw. Frauen, zu erwähnen. Oder das Phänomen Gender Pricing (bzw. Pink Tax), dass zeigt, dass Frauen (v.a. für Kosmetikartikel) mehr Geld bezahlen. Dabei verdienen Frauen noch immer weniger Geld als Männer. Bei der Statistik Austria heißt es dazu: „Die Einkommen der Frauen liegen auch immer noch deutlich weniger als Männer. Gemäß dem von Eurostat publizierten „Gender Pay Gap“, beträgt der geschlechtsspezifische Verdienstunterschied gemessen an den Bruttostundenverdiensten in der Privatwirtschaft 22,9% (2014).“

Somit sind es also meist Frauen, die fürs Geld ausgeben (trotz der Tatsache, dass sie noch immer weniger verdienen) zuständig. Und das macht sie für viele Industrien – angefangen von Kosmetik- und Haushaltsprodukten und eben auch für die Freizeit- und Urlaubsindustrie als Zielgruppe besonders interessant.

Reiseführer für Frauen, wie der eingangs erwähnte aus der for Women only-Reihe sind nicht schlecht in irgendeinem Sinne und bieten bestimmt manchen Frauen (und womöglich auch Männern) Tipps für den eigenen Urlaub. Dass Reiseführer für Frauen dabei oft auf weiblich konnotierte Themen wie Shoppen setzten, mag nicht verwundern, darf aber kritisch hinterfragt werden. An Produkten, die sich in erster Linie an Frauen wenden zeigt sich, dass die (vermeintlichen) Anliegen und Bedürfnisse von Frauen vor allem dann ernst genommen werden, wenn Frauen als die Hüterinnen der Konten und Geldbörsen gelten und sich Produkte wie diese umsatzsteigernd vermarkten und verkaufen lassen. It’s all about capitalism, baby.

Der Reiseführer Hamburg for Women only ist im Brandstätter Verlag erschienen.

Bild(er) © Bild 1: Brandstätter Verlag Bild 2: Stefan Schopohl/Flickr Bild 3: Stefan Schopohl/Flickr
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